24.

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Noch immer traute ich meinen Augen nicht. Stand da wirklich mein Vater in der Tür zum Thronsaal?
Etwas verwirrt sah ich zu Dorien. Dieser lächelte mich nur leicht an. "Nun ja. Das sollte etwas anders verlaufen, aber die Überraschung hat auch so funktioniert. Na los! Geh zu ihm! Aber sei vorsichtig."
Schnell rannte ich zu meinem Vater und drückte ihn an mich. Die Tränen liefen mir schon längst über meine Wangen. "Ich hab dich sooooo sehr vermisst, Daddy!"
Selbst mein Vater fing an zu weinen. "Ich dich auch, mein Mäuschen! Du warst einfach so verschwunden! Ich wurde fast wahnsinnig vor Sorge! Nach einem Jahr kam er dann und sagte, dass du bei ihm wärst! Ich wollte ihm nicht glauben und doch bin ich mit ihm mit. Er hatte recht behalten! Oh, ich freue mich so, dich endlich wieder in den Armen zu halten!"
Ohne weitere Worte hielten wir uns weiter in den Armen. Ich konnte gar nicht glauben, dass mein Vater hier war. Und das ich auf der Erde schon ein Jahr verschwunden war, war unglaublich. Hier ging die Zeit viel langsamer vorbei, wie ich jetzt feststellen musste.
Nach unendlichen Minuten lösten wir uns voneinander. "Ich glaube, du solltest jetzt erst mal etwas klären, Mäuschen. Hier sieht es ja aus, als wäre ein Tornado durch geweht.", grinste mein Vater.
Etwas betröppelt nickte ich. "Ja, da hast du wohl recht."
Er lachte. "Hab ich doch immer. Aber sei nicht zu hart zu ihm. Er liebt dich wirklich. Und ich weiß, dass er dich glücklich machen kann!"
Wow. Ich hätte nie gedacht, dass mein Vater so etwas sagen würde. Gerade nicht von Dorien. Schließlich hatte er mich meinem Vater ja weggenommen. Gerührt nickte ich.
Kurz darauf war mein Vater auch wieder verschwunden und ließ mich mit Dorien alleine zurück.

Eigentlich wollte ich nicht mit ihm reden. Das er mich verurteilt hatte ohne meine Version zu hören tat immer noch weh.
"Ich wollte dich besuchen. Aber ich dachte, dass es dich freuen würde, wenn dein Vater an deiner Seite ist. Deshalb war ich auch die zwei Wochen nicht da.", fing Dorien an. "Ich hatte ehrlich gehofft, dass du das nicht mitbekommst. Und du erst aufwachst, wenn dein Vater an deinem Bett steht. Ich hatte doch keine Ahnung, dass du vorher aufwachst. Schließlich warst du fast einen Monat nicht bei vollem Bewusstsein."
Ich seufzte. "Ich bin dir ja auch dankbar, dass du ihn hergeholt hast. Und ich kann dich da echt verstehen, Dorien."
Man sah an seinen Augen, dass er mehr als erleichtert war. Mit großen Schritten kam er auf mich zu und wollte mich umarmen. Doch ich wich zurück. Noch stand seine Aktion wegen Tracy im Raum.
Verwirrt blieb er stehen. "Was ist los? Warum weichst du zurück?"
Ich zog eine Augenbraue hoch, da er es sich eigentlich denken konnte. Er hatte mich vorverurteilt. "Kannst du dir das nicht denken?"
Dorien schien kurz zu überlegen. "Meinst du die Sache mit Tracy?"
Ich nickte. "Weist du, es ist nicht gerade einfach, wenn du erst abhaust und mich dann vorverurteilst. Und dazu wusste ich noch nicht mal, was mit mir passiert war nach deinem Biss. Als ich sie gerufen hatte wollte sie noch nicht mal mit ihr reden. Also habe ich sie darauf angesprochen. Daraufhin meinte sie nur, dass ich es nicht verdient hätte und hat mir gedroht. Das ich das nicht auf mir sitzen lasse, ist klar. Das ich so eine Kraft besaß hatte ich nicht einmal gewusst zu diesem Zeitpunkt! Als ich das bemerkt hatte habe ich sie sofort losgelassen! Und den Rest kennst du! Ich finde es einfach falsch erst zu urteilen. Man sollte immer erst beide Seiten kennen, bevor man urteilt."
Er senkte den Kopf nach unten. "Ich hatte falsch gehandelt und es tut mir leid. Tracy kam zu uns, als ihre Oma erkrankt war. Sie wollte sie durch den Job hier finanziell unterstützen. Als ich dann erfahren hatte, dass sie gelogen hat, habe ich sie zur Rede gestellt. Sie hatte sich entschuldigt und ich habe ihr eine zweite Chance gegeben, nachdem sie mir versprochen hatte, mich nicht mehr anzulügen. Ich wollte es wahrscheinlich nicht wahr haben, dass sie es schon wieder getan hatte. Tracy kann wohl doch sehr gut lügen. Sehen wollte ich das wohl nicht."
Ich ging einen Schritt auf ihn zu und berührte ihn an der Schulter. "Trotz-
dem ist das kein Grund, einfach so vorher jemanden zu verurteilen. Du bist König und einige würden das als Schwäche ansehen. Das kannst du dir nicht leisten. Stell dir vor, dass wäre dir bei jemand anderem als mir passiert. Sie würden alle irgendwann an dir zweifeln."
Dorien schaute auf und mir in die Augen. "Das mag ich mir gar nicht vorstellen. Ich versuche immer ein guter König zu sein. Und doch mache ich Fehler. Das darf nicht mehr passieren!"
Ich lächelte ihn leicht an. "Jeder macht Fehler. Nur daraus lernt man. Es ist vollkommen natürlich. Und wenn du nicht weiter weißt, mach nicht einfach irgendwas. Komm zu mir und rede mit mir. Ich mag keine Erfahrung darin haben, ein Königreich zu führen. Aber vielleicht ist die Meinung einer außenstehenden genau das, was du brauchst."
Wieder wurde ich in seine Arme gezogen. "Du wirst bald auf diesem Thron sitzen. Dann regieren wir zusammen. Ich bin sicher, dass du eine gute Königin wirst. Die beste die das Königreich je hatte."
Ich kuschelte mich an ihn. "Übertreibe nicht. Auch ich werde Fehler machen. Das gehört dazu."

Nachdem wir uns versöhnt hatten, wollte er mir unbedingt das Fliegen beibringen. Ich war zwar müde, aber ich tat ihm den gefallen. Schließlich war er vor mir rum gehüpft, wie ein kleiner dreijähriger Junge. Es war einfach zu süß gewesen.
Also standen wir nun auf einem großen Platz, direkt hinter dem Schloss. Bisher war er mir echt nicht aufgefallen. Es war auch hier sehr schön, da direkt hinter dem Platz ein Wald anfing. Dieser sah aber ganz anders aus, als der indem Dorien mich gebissen hatte. Und doch genau so faszinierend.
Dorien erklärte mir alles. Nachdem er fertig war, versuchte ich es. Sehr weit kam ich nicht, denn ich stand nur dumm rum und wedelte mit meinen Flügeln.
"Deine Flügel leuchten ja lila! Die Legende ist also wahr!", rief auf einmal Dorien aus.
Irritiert hörte ich auf. "Was für eine Legende denn?"
Dorien schaute mich mit großen Augen an. "Es steht geschrieben, dass ein Menschenmädchen als Gefährtin auserwählt wird, die mächtiger ist als alle anderen, so bald sie gewandelt ist. Man erkenne sie an ihren lila leuchtenden Flügeln. Sie soll eine große Dunkelheit abwehren, die über uns hereinbrechen soll."
Etwas irritiert schaute ich ihn an. "Das kann unmöglich ich sein, Dorien. So stark bin ich nicht. Noch nicht einmal fliegen bekomme ich hin."
Er nickte bekräftigend. "Doch. Schau deine Flügel an. Sie leuchten lila. Wenn auch nur bei Tag. Oder Licht im Raum. Deswegen ist es mir im Thronsaal wahrscheinlich noch nicht aufgefallen. Du bist etwas ganz besonderes, Ranya. Wir müssen dich beschützen! Komm! Wir müssen zurück!"
Verdutzt stand ich da. Wie beschützen? Was hatte er vor? "Was hast du vor, Dorien? Und überhaupt, was soll das heißen?"
Dorien trat zu mir. "Das heißt, dass dich mir so einige wegnehmen wollen, sobald sie wissen, was du bist. Das kann ich nicht verantworten."
"Jetzt mach mal langsam. Ich muss immer noch lernen, wie ich mit alldem umgehen kann. Und vor allem, wie ich mich verteidigen kann. Ich kann mich nicht immer hinter anderen verstecken!", erklärte ich ihm und legte beruhigend meine Hand auf seinen Arm.
Ich spürte, dass er noch etwas sagen wollte, aber er beließ es dabei. Statt-
dessen zeigte er mir noch einmal wie man flog und eins zwei Tricks, um sich zu verteidigen.

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt