27.

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Nach diesem Gespräch war Ruhe eingekehrt. Darauf konnte ich einfach auch nichts sagen. Denn ich wusste nicht genau, was mich alles erwartete und ob ich dem gewachsen war. Ich zweifelte stark daran, eine gute Königin zu sein. Ich glaubte noch nicht mal, dass ich wirklich eine werden würde. Zu viel passierte im Moment. Dorien, Aria, die Lypianer und ich, die durch den Biss von Dorien auch zu einer Lypianerin geworden war. Und als Königin oder eben als diese Legende, die hier wohl eine sehr wichtige Rolle spielte, konnte ich mich einfach nicht vorstellen.
Ich war vorlaut und frech. Mein Vater sagte immer, dass ich mein Herz auf den Lippen trug. Das war so gar nicht das, was von einer Königin erwartet wurde. Ich wollte und würde mich dafür auch nicht verstellen, egal was die anderen sagten. Das hatte ich mir und meinem Vater versprochen. Ich war nun mal ich. Nicht viele waren damals damit klar gekommen. Und hier würde das wohl nicht anders laufen. Ich rechnete nicht damit, dass mich die Untertanen als ihre Königin akzeptierten. Diese Rolle war sowieso nichts für mich.
Die engsten Vertrauten von Dorien wirkten zwar respektvoll mir gegenüber, aber ob sie mich wirklich akzeptieren würden hatten sie nicht durchblicken lassen. Ich wollte auch nie so einen verantwortungsvollen Posten haben. Und doch war ich irgend-
wie rein geschlittert. Raus kam ich da wohl nicht mehr. Alleine wegen den Untertanen, die eine Königin brauchten.
"Über was denkst du nach?", schreckte Aria's Stimme mich aus meinen Gedanken. Von dem Film hatte ich eigentlich gar nichts mitbekommen. Zu sehr war ich in meinen Gedanken ver-
sunken gewesen.
"Ich wollte nie etwas machen, dass mit so viel Verantwortung zu tun hat. Und es ist für mich schwer vorstellbar bald Königin zu sein. Würde mich das Volk überhaupt als Königin annehmen?" Ich konnte sie nicht anlügen. Schließlich würde sie irgendwann zu meiner Schwägerin werden.
Sie lächelte mich verständnisvoll an. "Ich weiß, es ist nicht leicht. So etwas wollte ich auch nie für mich. Aber ich bin Dorien's einzige Schwester, also musste ich ran. Trotz meiner Fehler hatten mich alle von Anfang an und ohne zu murren akzeptiert. Und genau das werden sie auch bei dir tun. Sie wissen alle genau, dass man Fehler macht. Niemand macht dir da einen Vorwurf daraus."
Die Worte beruhigten mich zwar ein wenig, aber dennoch blieb ein Teil der Angst. "Ich hoffe es. Vor allem sollte man mit meiner Art klar kommen. Ich halte mit meiner Meinung nicht hinter dem Berg. Mein Vater sagt immer, dass ich mein Herz auf der Zunge trage. In den wenigsten Fällen waren meine Aussagen nett. Freunde hatte ich auf der Erde keine, da niemand damit klar kam."
Sie nahm mich in den Arm. "Du passt perfekt hier her, so wie du bist. Niemand verlangt von dir, dass du dich änderst. Selbst Dorien nicht. Hier herrscht absolute Ehrlichkeit untereinander. Und das bist genau du. Du bist perfekt, so wie du bist. Die Menschen bei dir sind einfach nur Idioten gewesen!"
Danach hörten wir auf zu reden und sahen uns den nächsten Film an. Nicht ohne eine weitere, aber dieses mal kleinere, Diskussion.

Der Rest des Tages schauten wir noch einige Filme an. Zwischendurch hatten wir nur unser Trinken und unsere Snacks aufgefüllt.
Ich wusste nicht, wie lange wir insgesamt zusammen saßen. Die Zeit verging jedenfalls wie im Flug. Denn Dorien stand plötzlich im Zimmer, als der Film zu Ende ging.
"Du störst!", rief Aria aus und warf mit einem Kissen nach ihm.
Nach Doriens Gesichtsausdruck hatte es ihn wohl im Gesicht getroffen, so dass ich lachen musste. "Gut gemacht, Aria! Besser hätte ich ihn nicht treffen können!"
Dorien dagegen schnaubte nur. "Hey! Jetzt bin ich wieder dran! Du hast jetzt genug Zeit mit Ranya verbracht! Ich hätte echt nie gedacht, dass ich meine Gefährtin mal mit dir teilen muss."
Aria grinste spitzbübisch. "Tja, Brüderchen. Du hast dir halt die beste Gefährtin, alias meine Schwester, ausgesucht. Damit hättest du rechnen müssen. Schließlich weist du genau, was ich an jemandem schätze und liebe."
Das sie mich schon als ihre Schwester bezeichnete, ließ mich etwas erröten. Nie hatte ich eine Freundin gehabt. Meist war ich alleine gewesen und war es auch gewohnt. Jetzt würde ich mich wohl daran gewöhnen müssen. Ich hatte eine Schwester bekommen. Irgendwie freute mich das ungemein.
Dorien schaute grimmig drein. "Ich weiß das. Nur hätte ich trotzdem nie gedacht, dass du sie mir gleich zu Anfang klauen willst."
Aria lief vor Wut schon rot an. Doch bevor es eskalieren konnte, griff ich lieber ein. Einen Streit zwischen den Geschwistern wollte ich nicht. "Stop! Hört auf euch zu streiten! Und du, Dorien: sie nimmt mich dir nicht weg! Wir verstehen uns lediglich sehr gut und machen ab und an etwas gemeinsam! Hör dir doch mal zu! Du bist auf deine Schwester eifersüchtig! Wie hirnrissig ist das denn?!"
Jetzt schauten mich beide mit großen Augen an. Aria war die erste, die das Wort ergriff. "Ich sagte doch, dass du die perfekte Königin und Ģefährtin für meinen Bruder bist!"
Dorien war mittlerweile dazu übergegangen betreten zu Boden zu schauen. "Tut mir leid!", nuschelte er in seinen nicht vorhandenen Bart.
Ich verdrehte lediglich die Augen. "Und jetzt mal laut und deutlich, dass man dich versteht!"
Er trat von einem Bein auf das andere. Es war ihm sichtlich unangenehm. "Es tut mit leid, Aria!"
Ich nickte zufrieden und schaute auf-
fordernd zu Aria.
Erst schien sie sich zu weigern, aber mein Blick schien sie umzustimmen. "Entschuldigung angenommen!"
Zufrieden wandte ich mich wieder an Dorien. "Und nun schau nicht so, wie ein dreijähriges Kind, dass sein Eis nicht bekommt. Wir können gerne ins Bett."
Dorien grinste seine Schwester triumphierend an. "Siehst du. Sie liebt mich mehr als dich!"
Jetzt ging es schon wieder los. "Dorien, benimm dich! Sonst schlafe ich bei Aria!"
Kaum hatte er das gesagt, schaute er erneut wie ein kleiner Schuljunge auf den Boden. "Na gut!"
Aria sagte zum Glück nichts dazu. Sie zog mich lediglich zum Abschied in eine Umarmung. "Das ist eine mega Idee, dass du bald mal bei mir schläfst! Aber darüber reden wir ein anderes mal."
Ich nickte zur Bestätigung und wandte mich dann zu Dorien. Dieser jedoch stand immer noch, mit dem Blick zum Boden, neben mir. Seufzend tippte ich ihn an. "Jetzt komm! Oder willst du hier Wurzeln schlagen?"
Jetzt erst bewegte er sich. Er nahm meine Hand und zog mich einfach mit ihm mit. "Endlich!"
Kaum war die Tür zu Aria's Zimmer zu, zog er mich an sich und legte seinen Kopf in meinen Nacken. Auch ich genoss die Nähe zu ihm.
Kurze Zeit später lösten wir uns und setzten den Weg zu unserem Zimmer fort.

Wir kamen gerade in unserem Zimmer an, als Dorien sich schon zu mir umdrehte. "Du kannst ganz schön herrisch sein, weißt du das eigentlich? Das ist angsteinflößend!"
Ich musste lachen. "Wenn du dich benehmen würdest, dann müsste ich diese Seite auch nicht zeigen, Dorien!"
Wieder schaute er betreten zu Boden. "Naja. Manchmal geht das nicht anders. Selbst bei deinem Vater muss ich mich enorm zusammenreißen, um ihn nicht in Stücke zu reißen!"
Augenverdrehend schnaubte ich. "Dorien, dass ist mein Vater! Da musst du nicht eifersüchtig sein, dass ist der gleiche Mist, wie bei deiner Schwester gerade! Und auch anders solltest du dich im Griff haben! Auf Eifersuchts-
attacken kann ich gern verzichten!"
Plötzlich stand Dorien direkt vor mir und drückte mich gegen die Wand hinter mir. "Du gehörst mir! Vergiss das nicht! Keiner sollte dich berühren dürfen! Niemand, außer ich!"
Langsam reichte es mir. Ich hatte echt versucht in Ruhe mit ihm zu reden. Wie man sah, hatte das nichts gebracht. "Ich gehöre niemandem! Noch sind wir weit davon entfernt überhaupt zusammen zu sein! Wir gehen immer nur einen Schritt vor und zwei zurück! Oder hast du schon vergessen, dass du mich unge-
fragt gebissen hast?!"
Ein tiefes Knurren ertönte. "Das war auch gut so! Da sieht wenigstens jeder, wem du gehörst!"
Bevor ich auch nur ein Wort sagen konnte, verschloss er wild meinen Mund mit seinem. Der Kuss war alles andere als unschuldig. Er bat um Einlass, aber dieses Mal ließ ich ihn nicht.
Plötzlich kniff er mich in den Arsch und ich quietschte auf. Das nahm er als Anlass, seine Zunge in meinen Mund zu stecken, wo sich unsere Zungen einen wilden Kampf lieferten. Schließlich gewann er doch, da ich mich mitreißen ließ.
Leider hatte ich eine gewisse Schwäche, was ihn anbelangte. Ich konnte ihm einfach nicht widerstehen. Zumindest nicht auf Dauer.
Wenig später lösten wir uns nach Luft schnappend. Der Kerl konnte küssen, dass war der Wahnsinn.
"Du gehörst mir!"

Der Mann vom anderen Planeten (ABGESCHLOSSEN)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt