Kapitel 21

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Der Tag plätscherte nur so an Maura vorbei, ihre Gedanken lenkten sie von der Arbeit ab und erschwerten ihr einen reibungslosen Ablauf. Studenten, die auf sie zukamen, nahm sie anfangs gar nicht wahr, oder machte Fehler an der Tafel. Ihre Abwesenheit konnte sie sich nur durch zwei Dinge erklären: Jane und das mysteriöse Geschenk. Maura wusste nicht, warum sie der Armreif so beschäftigte, immerhin bekam sie des Öfteren Geschenke von ihrem Ehemann, doch nicht solche. Sie fand keine Worte für ihre Zweifel, Zweifel über die Echtheit des Geschenks. Vielleicht hatte er jemanden geschickt, der es für ihn kaufen sollte. Oder von seinen Eltern? Sie erwiesen jedenfalls auch in der Vergangenheit, keinen Sinn für Geschmack, es könnte wirklich von ihnen sein. Zerstreut machte sie sich auf dem Weg zur Schule ihrer Kinder, froh darüber, endlich aus der Universität raus zu sein. Heute gab sie Jane frei, sie und Ian verstanden sich nicht wirklich gut und sie wollte es Jane einfach nicht noch einmal zumuten. Ian schikanierte sie, wo er nur konnte, was Maura absolut nicht nachvollziehen konnte. Janes Reaktion darüber frei zu haben? Geschockt. Für eine Sekunde schien sie sogar geglaubt zu haben, Maura habe sie gefeuert. Aber dem war nicht so, sehr zur Erleichterung von Jane. Nicht, dass Maura nicht schon darüber nachgedacht hatte, es wäre die angenehmste Lösung für beide. Doch auf Jane verzichten? Das schaffte Maura nicht, so sehr sie es sich auch versuchte einzureden. Außerdem würden ihre Kinder ihr das übel nehmen und wahrscheinlich nie wieder mit ihr reden. Allein der Gedanke brachte Maura zum Lächeln, sie realisierte in diesem Moment umso mehr, wie sehr ihre Kinder Jane liebten. Mattheo lief ihr freudestrahlend entgegen, Scarlett folgte ihm mit einigem Abstand. Die Autofahrt über erzählten sie ihrer Mutter von ihren Erlebnissen in der Schule, bis Scarlett plötzlich innehielt und ihre Mutter durch den Rückspiegel anstarrte. „Scarlett, ist alles in Ordnung?", fragte Maura besorgt. „Mama? Ich dachte Daddy kommt erst in einigen Monaten wieder, was macht er hier?", in Scarletts Stimme konnte Maura absolut keine Freude über die Anwesenheit ihres Vaters erkennen, besorgt runzelte sie die Stirn und suchte nach einer passenden Antwort. Es gab keine, keine Antwort würde sein Verhalten rechtfertigen oder es gut reden. Nichts davon beruhigte ihre Tochter, würde ihr ein gutes Gefühl geben, es verwirrte sie. So wie Maura es immer vermutet hatte. Seufzend hielt sie an einer roten Ampel, wich noch immer einer möglichen Antwort aus. Sie musste etwas Positives sagen, immerhin ist Ian ihr Vater und Maura sollte niemals etwas Schlechtes über ihn sagen. Scarlett beobachtete ihre Mutter genau, wartete jedoch geduldig. Als an der dritten Ampel noch immer keine Antwort ihre Frage befriedigte, ergriff Scarlett wieder das Wort: „Ma? Wann geht Daddy wieder? Nimmt er uns mit? Oder bleibt er für immer bei uns, so wie er es versprochen hat?" Vor Schreck hätte Maura fast auf der Straße eine Vollbremsung hingelegt, die Worte ihrer Tochter hallten in ihrem Kopf: „Scarlett Schätzchen, ich...Wie kommst du darauf?" Scarlett fummelte nervös an ihrem Armband herum und schwieg für einige Sekunden, nachdem sie sich gesammelt hatte, ergriff sie das Wort: „Naja, Daddy hat gesagt, wenn wir lieb sind bleibt er für immer hier." Diese Aussage machte Maura sprachlos, ließ wieder diese unausstehliche Wut in ihr hochkochen, wie gerne würde sie ihrem Mann richtig die Leviten lesen. Doch immer wenn es um dieses Thema ging blockte er ab, oder nutzte die Anwesenheit seiner Kinder aus, denn wenn sie da waren, mied Maura das Thema. Das wusste er gut zu nutzen. „Ich weiß es nicht, Honey. Ich glaube er wird für zwei Wochen bleiben und dann wieder abreisen..." Scarlett schwieg, so wie Maura den Rest der Fahrt. Mattheo dagegen brabbelte vor sich hin, total unbedacht über die Dramatik die in der Luft hing. Ihr schwarzer Mercedes kam auf dem Kies zum stehen, eine kleine Staubwolke wurde aufgewirbelt und kam zum liegen, sobald der Motor ausging. Maura schnallte Mattheo los und öffnete Scarlett die Tür, welche sofort heraus hopste und Richtung Haustür lief. Widererwartend öffnete Ian die Tür, bekam jedoch nicht seine erhoffte Umarmung ihrer gemeinsamen Tochter, auch keinen Kuss von seiner Frau. Lediglich Mattheo sprang in seine Arme und ließ sich von seinem Vater nach drinnen tragen. „Auch schön euch zu sehen", sagte Ian sarkastisch. Maura zog ihre Augenbraue nach oben und schüttelte den Kopf, was ein sturer Mann. Sie scheuchte die Kinder in ihre Zimmer, in denen sie mit ihren Hausaufgaben anfangen sollten, Maura musste die Zeit nutzen die ihr blieb. Ian setzte gerade dazu an seinen Kindern nach oben zu folgen, doch Maura erwischte ihn noch rechtzeitig: „Ian? Könntest du bitte in die Küche kommen?"

Noch immer hing der Streit der letzten Tage in der Luft, der verpasste Urlaub erdrückte sie fast. Ian trottete in die Küche hinein, schloss die Tür und lehnte sich an die Theke. Seine Augen wirkten müde und Maura vermutete, Alkohol könnte wieder im Spiel sein. Es machte sie sauer, wie konnte ihr Mann so verantwortungslos sein? Allein seinen Kindern gegenüber? Tief atmend stellte Maura sich ihm gegenüber, blickte ihm in seine Augen und sah eine Leere darin die sie erschreckte. Was machte der Alkohol nur mit ihm? Er wirkte müde und abgeschlagen, ein glasiger Blick fixierte sie. Sie bückte sich nach ihrer Tasche und zog die Schachtel heraus, sie wollte ansetzen zu fragen woher er es habe, doch als sie seine weit aufgerissenen Augen sah, stockte sie. In Ians Augen blitzte für eine Sekunde Panik auf, jedenfalls interpretierte Maura das in seinen Blick hinein. Warum wirkte er so geschockt? Sie spürte wie ihre Hände zu zittern begannen, sie umklammerte das Geschenk und suchte nach Worten. Worten die ihr im Hals stecken geblieben waren, Ian wirkte ebenfalls sprachlos. Seine Augen wanderten immer wieder zum Paket in den Händen seiner Frau, dann wieder zurück in ihr Gesicht. Verlegen fuhr er durch seine Haare und wartete auf die Aussage seiner Frau, er fühlte schon die Dringlichkeit hinter ihren nicht ausgesprochenen Worten. Als nichts von ihr kam, ergriff er das Wort: „Oh, du hast...dein Geschenk gefunden...das solltest du doch noch gar nicht sehen." Irgendwas an seinen Worten störte sie, an der Art wie er sie betonte, Pausen einsetzte und sie anschaute. „Wieso deponierst du ein Geschenk in deiner Arbeitstasche? Wolltest du die mit nach Italien nehmen?", wieder dieses Blitzen in seinen Augen, Maura spürte wie sich ihr Magen zusammenzog, doch sie versuchte es zu ignorieren, abzuwarten was ihr Mann zu sagen hatte. „Ich...nein...aber es bestand ja keine Chance es umzupacken. Du erinnerst dich? Unser Streit? Die abgesagte Reise?", versuchte er sich rauszureden. Er ging auf diese Schiene, das war ja klar, was Besseres fiel ihm wohl nicht ein. „Jetzt komm mir nicht damit, Ian! Ich habe dir gesagt warum ich das nicht will! Ich kann nicht alles stehen und liegen lassen, nur weil du das möchtest! Ich habe Verpflichtungen!", fuhr Maura ihn an. „Es war doch alles geregelt? Ich verstehe dich einfach nicht! Alles war bereit für unsere Abreise, ich meine wir haben sogar das Haus deiner Eltern zum Übernachten bekommen!" Maura konnte es nicht fassen wie naiv ihr Mann an die Sache heranging: „Ian! Ich habe mir hier ein Leben aufgebaut! Nur weil du dich spontan dazu entscheidest herzukommen, immer wieder aufzutauchen ohne Ankündigung, kann ich nicht nach deiner Pfeife tanzen!"

„Ihr seid meine Familie! Wieso sollte ich euch nicht überraschen dürfen? Hier auftauchen, meine Familie sehen, mit meinen Kindern spielen? Ich mache es so wie es mit meinem Job vereinbar ist, das weißt du ganz genau!", brüllte Ian. Maura sammelte ihre Gedanken, stemmte ihre Hände in die Hüfte und sprach die Worte aus, die sie so lange verschwiegen hatte: „Deine Kinder verwirrt es! Sie fühlen sich von dir verlassen, Ian! Jedes Mal aufs Neue kommst du spontan vorbei und haust genauso spontan wieder ab. Unsere Kinder haben überhaupt keine Möglichkeit sich an deine Anwesenheit zu gewöhnen, denn du entscheidest dich plötzlich am nächsten Tag wieder abzureisen. Nächtelang weinen sie, machen sich selbst Vorwürfe, glauben du gehst weil du keine Lust auf sie hast! Verdammt, Ian! Unsere Kinder sind noch so klein und machen sich solche Gedanken! Ich muss Tränen trocknen, Erklärungen suchen und finden, nur damit unsere Kinder nicht glauben, dass du sie verlassen hast!" „Dann kommt mit mir!", Ians Stimme polterte durch die Küche, hinterließ eine grausame Stille, die Maura die Kehle zuschnürt, „Kommt mit mir nach Afrika! Dann muss es auch keine Trennungen auf Zeit geben, ich kann es nun mal nicht anders lösen!"

Afrika. Sie hatte dort einige Zeit gelebt, aber für ihre Kinder hielt sie es nicht für den idealen Ort um aufzuwachsen. Nicht dort wo Ian arbeitete. Die Kriminalitätsrate dort ist unheimlich hoch, Ansteckungsgefahren und Krankheiten lauerten an jeder Ecke. Und die schulische Bildung? Es gab kaum eine Gewährleistung darauf, die nächste Schule war mehr als 100 Kilometer entfernt. „Ian...diese Diskussionen haben wir nun schon bestimmt 100 von Malen geführt. Wenn wir Beide noch alleine wäre, gerne. Aber für unsere Kinder ist das nicht der richtige Ort um aufzuwachsen, deswegen sind wir zurück nach Amerika, schon vergessen? Hast du unsere endlosen Gespräche darüber vergessen? Die Abwägungen über positive und negative Aspekte? Ich möchte meine Kinder glücklich und sicher aufwachsen sehen und genau das war auch dein Wunsch..."

Ian schwieg, er fand keine Argumente mehr, denn seine Frau lag absolut im Recht. Die Umgebung bat keinen schönen Ort um aufzuwachsen und sein Wunsch war es, seine Kinder glücklich zu sehen, gesund und munter. Seufzend setzte er sich auf einen Barhocker und raufte sich die Haare. „Du hast ja Recht...ich vermisse sie, euch, deswegen tauche ich einfach so auf und gehe wieder. Die Arbeit lässt es nicht zu so lange wegzubleiben, sie brauchen mich dort. Sie können nicht auf mich verzichten... Es tut mir leid, Maura. Ich wusste nicht, dass es unseren Kindern so geht..." Er zog Maura in seine Arme und küsste ihre Schläfe, da spürte er das Geschenk in ihren Händen: „Gefällt es dir?"

Maura nutzte die Sekunden in denen er ihr Gesicht nicht sehen konnte, dann versuchte sie wieder ein Lächeln aufzusetzen und blickte ihm in die Augen: „Aber natürlich." Die Lüge kam ihr kaum über die Lippen, doch sie traute sich nicht das Geschenk schlecht zu reden. Ian hat zu viel für sie gemacht und sie redete alles nur schlecht, oder sagte es ab. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich und sie holte das Armband hervor und bat ihren Mann es ihr umzulegen. Zufrieden schaute sie es an, ignorierte das hässliche Leuchten des Orange und gab Ian einen Kuss auf die Wange: „Es ist wunderschön. Danke." Er zog Maura wieder in seine Arme und inhalierte ihren Duft, für eine kurze Zeit blieben sie so stehen, doch Maura entfernte sich schneller als ihm lieb war: „Kannst du mit den Kindern die Hausaufgaben erledigen?" Sie sah wie enttäuscht Ian dreinblickte, zugleich spiegelte sich Langeweile auf seinem Gesicht wider. Die Wut kroch langsam im Inneren von Maura hoch und sie debattierte mit sich selbst ob sie es auf einen Streit ankommen lassen sollte, oder nicht. Sie entschied sich dagegen und Ian suchte das Gespräch: „Natürlich, Darling...Ich gehe nach oben, aber eine Frage habe ich noch! Diesen Samstag findet ein Dinner von meiner Firma statt, hier in Boston. Würdest du mich begleiten?" Maura überlegte, dachte an Jane die eigentlich an diesem Abend wiederkommen sollte...aber das passte ja. Auch wenn sie gerne die Zeit mit ihr zusammen verbracht hätte: „Ein Dinner und ich soll dabei sein? Bist du dir sicher?"

„Aber natürlich, du bist meine Frau. Mein Chef wird da sein und viele einflussreiche Menschen die Spenden sollen. Eine schöne Frau führt schneller dazu, dass sie ihren Geldbeutel öffnen und Geld dalassen." Das war der Grund? Maura spielte einfach mit, ihre Nerven waren am Ende. Einen weiteren Streitpunkt konnte sie gerade nicht verarbeiten: „Was soll ich anziehen?" Ian grinste: „Ich habe an dieses dunkelblaue Kleid gedacht, das was ich dir vor drei Jahren in Italien gekauft habe. Das mit dem großen Ausschnitt und dem Schlitz an der Seite von den Beinen..." Seine Augen scannten seine Frau, sein Mund wurde wässrig allein beim Gedanken an dieses wundervolle Kleid. Er sah es in seinem geistigen Auge vor sich, es stand ihr hervorragend. „Das soll ich anziehen?", fragte Maura unsicher. Ian nickte, küsste sie auf den Mund und ging zur Tür um nach seinen Kindern zu sehen: „Das wäre fantastisch. Du weißt wie gerne mein Boss dich mag."

Das wusste sie nur zu gut, es schüttelte sie doch sie sagte nichts weiter. Ian verschwand nach oben und Maura lief unruhig in der Küche auf und ab. Das ist anders abgelaufen als geplant. Wieso konnte sie sich nicht einmal an einen Plan halten? Seine Antwort zum Geschenk klang unglaubwürdig, doch anstatt es auszusprechen hatte Maura einfach klein bei gegeben. Enttäuscht über sich selbst begann sie zu kochen, es lenkte sie ab, unterdrückte ihre Wut. Das Haus war ungewöhnlich still und nach einer weiteren halben Stunde stellte sie die Töpfe vom Herd und ging nach oben. Sie lauschte nach der Stimme ihres Mannes, oder ihrer Kinder, doch sie hörte nichts. Maura öffnete die Tür ihrer Tochter, welche alleine am Schreibtisch saß und über ihren Büchern hing. Scarlett schrieb in ihr Heft und bemerkte die Anwesenheit ihrer Mutter nicht: „Scarlett? Wo ist dein Dad? Bei Mattheo?" Scarlett drehte sich um, ihre Augen leicht verweint, die Haare zerzaust. Sofort eilte Maura zu ihr, schlang ihre Arme um ihre Tochter und küsste ihren Haarschopf: „Baby? Was ist los?" Scarlett drehte sich weg, aber Maura ergriff ihr Kinn und zog es in ihre Richtung, Scarlett schniefte während sie sprach: „Daddy hat mich angeschrien und ist dann verschwunden. Ich...ich komme nicht bei den Aufgaben weiter, aber ich wollte ihn nicht stören..." Zitternd klammerte Scarlett sich an ihre Mutter, welche fassungslos ihre Tochter festhielt: „Was hat dein Vater gesagt und wohin ist er gegangen?"

„Er hat gemeckert, warum wir es dir und ihm so schwer machen...und wir wüssten ja wohl, dass er immer wiederkommen würde...und wir sollten uns nicht so anstellen...Dann hat er wütend auf den Tisch geschlagen und Mattheo ist weinend weggelaufen. Ich weiß nicht, habe Dad seitdem nicht mehr gesehen." Maura kämpfte mit den Tränen, ihre Hände formten sich zu Fäusten und sie rang um ihre Beherrschung. Wie konnte Ian es nur schaffen, alles immer schlimmer zu machen? „Daddy hat das nicht so gemeint, Honey. Ich rede mit ihm und die Aufgaben machen wir gleich zusammen, okay?" Scarlett nickte und ließ ihre Mutter nur widerwillig los. Maura eilte zum Zimmer ihres Sohnes, ahnte schon was sie vorfinden würde. Mattheo lag unter seine Decke, dämpfte damit sein Schluchzen. Maura schlug vorsichtig die Decke zurück und zog ihn in ihre Arme. Mattheo weinte bitterlich, seine Augen rot unterlaufen: „Nicht weinen, Mattheo. Alles ist gut. Daddy hat das nicht so gemeint." Natürlich hatte er es so gemeint, doch das konnte sie ihm nicht sagen. Er beruhigte sich nur langsam, Maura bemühte sich ihn abzulenken. Zehn Minuten später ging es ihm besser und sie schickte ihn zu seiner Schwester. Danach eilte sie ins gemeinsame Schlafzimmert, dort fand sie Ian schlafend vor. Sie roch den Alkohol schon vom Eingang aus und die Flasche mit Wodka stand noch auf dem Beistelltisch. „Bist du verrückt geworden?! Warum liegst du hier so rum?", schrie Maura ihren Mann an. Ian öffnete erschrocken die Augen und fuhr herum. „Was schreist du mich so an? Darf ich nicht mal mehr schlafen?" Maura beugte sich über ihren Mann, zog die Nase kraus und piekte ihm in die Brust: „Du bist betrunken, am helllichten Tag! Ich habe dich nur darum gebeten die Hausaufgaben mit unseren Kindern zu erledigen und du schreist sie an? Haust auf den Tisch?! Was ist nur los mit dir?!" Ian sprang vom Bett auf und baute sich vor seiner Ehefrau auf. Sie wich kein Stück von ihm, doch innerlich kämpfte sie mit der Angst. Noch nie hatte sie Ian so erlebt, so feindselig und angriffslustig. Sie fragte sich wirklich was mit ihm los war. Seine Augen blieben auf dem Armband hängen, nur für einige Sekunden, doch Maura bemerkte es. Er drehte sich um, sodass Maura mit dem Rücken zum Bett stand und keinen Schritt mehr von ihm weichen konnte. Er drückte seine Hände gegen ihre Schultern, befahl ihr sich hinzusetzen. Widerwillig setzte Maura sich, wusste nicht was nun passieren würde. „Tut mir leid", nuschelte Ian.

Überrascht über diese Entschuldigung und Einsicht, weichten ihre Gesichtszüge auf. Ian setzte sich neben seine Frau und spielte mit seinen Händen: „Es ist schwer aus Afrika herzukommen und wieder ins normale Leben zurückzukehren...mit dem Wissen bald wieder gehen zu müssen. Ich habe Alpträume, schlafe schlecht... Und dann schaffe ich es einfach nicht, in den Alltag zurückzufinden. Es ist einfach keine Normalität hier für mich. Ich wollte ihnen keine Angst machen, oder doof zu ihnen sein. Ich kann einfach nicht damit umgehen..." Diese Worte trafen Maura, sie wusste nicht in welcher Art und Weise, doch sie verstand ihn. Sie erinnerte sich an ihre Zeit in Afrika zurück. Wie krass der Wechsel war. Vom unheimlich armen Afrika zurück ins reiche Amerika zu kommen. Der Wechsel von Armut und Wohlstand, von Kindern die mit dem Tod kämpften weil sie fast verhungerten und den Kindern hier, die viel zu dick waren vom vielen Essen. Es herrschte eine Ungerechtigkeit, das war aber nicht allen Menschen bewusst. Ian und sie haben es erlebt und er macht das noch immer mit... Sie verstand was er meinte, doch Alkohol sollte kein Fluchtmittel sein. Nicht wenn er bei seiner Familie war... „Ian, ich verstehe dich. Ich kenne es ja selbst noch. Aber du kannst nicht so betrunken vor den Kindern auftauchen, sie anbrüllen und deiner Wut freien Lauf lassen. Es sind deine Kinder, du bist ihr Vater, ihr Vorbild. Verstehst du was ich meine? Sie haben Angst gehabt..."

Ian schlug auf seine Oberschenkel und knurrte auf. Maura beobachtete ihn wortlos, wartete darauf dass er sich beruhigte. Er atmete schwer und griff dann zum Wasser auf dem Nachtschrank. „Du hast Recht. Ich habe mich gehen lassen in letzter Zeit. Ich ändere das, versprochen." Ian verbrachte noch eine Weile im Schlafzimmer um sich auszunüchtern, Maura dagegen nahm die Kinder mit nach unten, erledigte die Hausaufgaben mit ihnen und kochte zu Ende. Gegen Abend stieß auch Ian dazu, welcher vorsichtig auf seine Kinder zukam. Anfangs ignorierten sie ihren Vater, wichen sogar vor ihm zurück, doch Ian bemühte sich sehr um sie. Er entschuldigte sich mehrfach, nahm sie in den Arm, spielte mit ihnen. Bei diesem Anblick erwärmte sich Mauras Herz und sie war froh darüber, das Gespräch mit ihm gesucht zu haben. Auch wenn nicht alles gesagt wurde, was sie eigentlich wollte, hat es zumindest etwas für ihre Kinder gebracht. Gegen 20 Uhr brachte er sie zu Bett, las ihnen Geschichten vor, sang Lieder mit ihnen. Maura konnte nur hoffen, es würde sich um keine einmalige Aktion handeln. Sie stand im Türrahmen und beobachtete wie Ian Mattheo zudeckte und einen Kuss auf die Stirn gab. Zufrieden gluckste ihr Sohn auf und vergrub sich in seiner Decke. Ian ging lächelnd an Maura vorbei und wiederholte das Ritual bei seiner Tochter. Den restlichen Abend verbrachten sie auf dem Sofa, schauten fern, schwiegen sich jedoch an. Maura hatte nichts dagegen denn in Gedanken war sie bei diesem Lockenkopf, der heute Morgen wegen ihr an einer Panikattacke gelitten hatte. Sie erinnerte sich an ihre Worte, Janes Worte. Seufzend nahm sie einen Schluck von ihrem Wein und starrte auf den Fernseher. Sie schaute hin, doch hörte nicht zu. Sie wusste was ihr noch bevorstehen würde und das jagte ihr eine unheimliche Angst ein.

From Elephants and Tortoises (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt