Kapitel 34

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Maura taxierte Jane, die Fassungslosigkeit stand ihr noch immer ins Gesicht geschrieben. Wie gerne würde sie zu ihr nach Hause fahren und Janes Vater ihre Meinung sagen, ihn zurechtweisen. Doch es ging nicht, so gern sie auch wollte. „Jane...bleib hier, bitte. Ich meine das so. Zu Hause ist es zu gefährlich, ich kann allein den Gedanken dich dort zu wissen nicht ertragen." Jane blickte Maura mit glasigen Augen an, überlegte, drehte und wendete diesen Vorschlag in ihrem Kopf. Nichts lieber wollte sie, bei Maura zu wohnen glich einem Traum, etwas was sie unbedingt wollte. Aber da gab es so viele Dinge, die ihnen einen Strich durch die Rechnung machten. „Maur. Was sage ich meiner Familie? Meinen Freunden? Wenn sie mich besuchen wollen? Und glaubst du wirklich irgendwann wird es nicht jemandem auffallen? Momentan ist es okay weil ich für dich arbeite, aber ständig hier zu sein? Versteh mich nicht falsch, es gibt's nichts was ich nicht lieber würde, ehrlich. Ich möchte dich nur nicht in unnötige Gefahr bringen. Ich möchte uns nicht in Gefahr bringen, oder die Kinder." Ein Schluchzen entwich ihrer Kehle und Maura schlang sofort ihre Arme um sie, fuhr ihr liebevoll durch die Haare und küsste sie sanft auf die Stirn. „Wir kriegen das schon hin, Jane. Vertrau mir." Jane dachte nicht weiter darüber nach, sondern vertraute ihren Worten. Maura wirkte so zuversichtlich und Jane wollte ihr das nicht nehmen, nicht gerade. Sie gingen gemeinsam nach oben ins Schlafzimmer, zum Glück schliefen die Kinder schon und Maura packte Janes Beutel aus, damit sie sich schlafen legen konnte. Sie sah fürchterlich aus, fürchterlich müde und kaputt. Dankbar nahm Jane die Hose entgegen, das Shirt trug sie ja noch und legte sich in Mauras Bett. Diese zog sich ebenfalls um und verschwand für eine Weile im Bad, nur um danach wunderschön wieder heraus zu schweben, anders konnte Jane es nicht beschreiben. Sie fasste einfach nicht wie gut Maura aussah, egal zu welcher Tages- und Nachtzeit und wie sie diese Person an ihrer Seite wissen konnte. Ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht und Maura zog die Augenbrauen fragend nach oben. „Warum grinst du denn so?" Jane antwortete nicht sondern zog Maura an sich und vergrub ihr Gesicht an ihrem Hals. Sie spürte die Wärme die von ihr ausging, ein leichter Parfümgeruch der noch an ihr haftete und sie vernahm das Klopfen ihres Herzens. Das Grinsen verschwand nicht von ihrem Gesicht und Maura gab es auf nachzufragen, sie genoss einfach die Nähe zu Jane. Während sie so dalagen, keiner sagte ein Wort, hob Jane ihren Arm unter der Decke hervor und zog den Ärmel ein Stück nach oben. „Pops... Frank. Er...er war wieder so wütend. Er hielt mich fest..." Maura sah Jane an wie schwer es ihr fiel davon zu erzählen und doch wusste sie, es war das Richtige sie nicht darauf angesprochen zu haben, sondern sie von selbst kommen zu lassen. Sie lauschte Jane, kommentierte wann immer Jane eine Pause machte, stand ihr bei, gab ihr Tipps. Schläfrig blickte sie Maura an. „Du hast den blauen Fleck schon vorher gesehen, oder?" Sie rieb sich durch die Augen und blinzelte einige Male, danach fixierte sie Maura die leicht rot anlief. Ein Nicken bestätigte Janes Vermutung. „Danke, Maur." Sie brauchte nicht aussprechen was sie meinte, Maura wusste es auch so.

Das Wochenende ging schneller vorbei als erwartet, Jane verkroch sich auch am Sonntag in Mauras Bett. Sie tauchte nicht zu Hause auf, es fragte aber auch niemand nach ihr. Nachdem ihre Mutter und Brüder sie so enttäuschten, mied Jane auch sie. Trotzdem hat sie daran geglaubt von ihnen zu hören, dass irgendjemand fragte wo sie untergekommen ist. Aber es interessierte wohl niemanden, außer von Frost hörte sie von niemandem was. Er schrieb ihr so gut wie jeden Tag, entschuldigte sich, erkundigte sich nach ihrem Wohlergehen, doch Jane blieb hart. Sie konnte nicht wieder mit ihm befreundet sein, nicht so wie vorher. Frost schien davon nichts wissen zu wollen, er tat als wäre nichts passiert, so wie schon beim letzten Mal. Entnervt packte Jane ihr Handy in den Rucksack und blickte die Autos auf dem Parkplatz an, Frosts Auto stand nicht hier, wahrscheinlich lag er noch im Krankenhaus, sie wusste es nicht. Trotzigen Schrittes ging sie auf den Haupteingang der Uni zu, öffnete die Türen und blickte starr auf den Boden. Wie sehr sie es hasste nach solchen Vorfällen zurückzukehren, immer im Hinterkopf dass alle über einen reden. Sie bemerkte so manche Blicke, doch ignorierte sie. Jane machte sich auf dem Weg zum schwarzen Brett, sie hoffte so sehr darauf endlich den Aushang für das Praktikum vorzufinden. Es wäre eine gelungene Abwechslung endlich praktische Erfahrungen zu sammeln, raus aus der Universität, weg von Frost, Grant und all den Anderen. Lediglich Maura würde sie vermissen, dessen war sie sich sicher. Während sie die Aushänge studierte, näherte sich Becca, leise und bedacht darauf Jane nicht aufzuschrecken. Sie legte vorsichtig ihre Hand auf ihre Schulter, was Jane zusammenfahren ließ. „Jane? Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken. Ich...ich habe gehört was passiert ist. Geht es dir gut?", Becca blickte sie erwartungsvoll an, Jane verkniff sich einen bissigen Kommentar und setzte ein halbherziges Lächeln auf. Immerhin sprach Becca wieder mit ihr, auch wenn sie es aus nichtigen Gründen tat, Jane könnte drauf verzichten. „Ja danke, alles wieder in Ordnung. Die Nase ist noch ein wenig geschwollen, aber auch das wird vergehen." Beccas Augen verengten sich als sie Janes Nase betrachtete und fast hätte Jane es als niedlich betitelt, doch sie wusste es besser und nickte nur. Sie ignorierte Becca die weiterhin neben ihr stehen blieb und suchte nach dem richtigen Blatt. Als sie es endlich fand, entfuhr ihr ein Glücksschrei. Nun war es Becca die zusammenschrak und fragend auf das Blatt schaute was Jane in den Händen hielt. „Oh, euer Praktikum, richtig. Grant hat mir davon erzählt." Jane zog die Augenbrauen nach oben und blickte sie fassungslos an: „Du triffst dich wieder mit ihm? Du weißt schon, dass er daran schuld ist, oder?" Sie zeigte auf ihre lädierte Nase und stach danach mit dem Finger in Beccas Schulter. Ein entschuldigender Blick legte sich auf ihr Gesicht, sie suchte panisch nach einer Erklärung, doch ihr fiel nichts ein. Jane reichte das als Antwort, ohne sie eines Blickes zu würdigen drehte sie sich um und ging Richtung Turnhalle. Becca holte sie nach einigen Metern ein und stotterte während sie sprach. „Jane...es ist ja jetzt nicht so, als ob du das Recht dazu hättest sauer zu sein. Du hast mich abserviert, schon vergessen? Du hast mich während unseres Urlaubs verlassen. Jane! Du hast mich mitgenommen und die ganze Zeit mit meinen Gefühlen gespielt. Ich bin alleine nach Hause geflogen, ich musste das Ticket umbuchen, eine Menge Geld dafür zahlen! Als ob dir nicht vorher klar gewesen wäre, dass du nicht genug oder gar nichts für mich empfindest! Jetzt erwartest du ernsthaft, dass ich trauernd herumsitze und dir nachweine? Ernsthaft? Ich habe dich anders eingeschätzt!" Beccas Lippen bebten vor Wut, vor Scham, wie konnte Jane jetzt sauer auf sie sein, nach allem was sie ihr angetan hatte? Jane fühlte sich unwohl in ihrer Haut, Becca lag vollkommen im Recht. Jane hat die ganze Zeit nur an sich selbst gedacht, nie einen Gedanken daran verschwendet wie es Becca nach dem Urlaub gehen könnte. Das einzige was sie die ganze Zeit hoffte, war nicht in der Uni auf sie zu treffen, das hat bis zum heutigen Tag super geklappt. In ihrem inneren Auge sah sie immer nur Maura und ihr Glück, fragte sich nicht wie sehr sie Becca wohl wehgetan haben mag. Jane könnte sich allein deshalb mehrfach ohrfeigen, Erwachsen verhielt sie sich absolut nicht. „Es tut mir leid." Die Worte purzelten aus ihrem Mund heraus, doch zu mehr war sie absolut nicht fähig. Viel zu viel hing ihr nach, die Vorkommnisse in der Uni, die zerbrochene Freundschaft zu Frost, ihre Familie die sich nicht wirklich um sie scherte und die Affäre mit Maura, da fehlte ihr gerade noch eine meckernde Becca. Trotzallem war sich Jane bewusst, ihr war sie mehr als nur eine Entschuldigung schuldig. „Vielleicht darf ich dich ja mal auf einen Kaffee einladen und mich dir erklären, nur gerade habe ich dafür keinen Kopf. Sorry." Becca wirkte entrüstet, schüttelte den Kopf und antwortete schnippisch: „Wie du meinst. Daran sehe ich ja wie viel ich dir Wert bin oder war. Du bist genauso wie Grant dich beschrieben hat, egoistisch und rücksichtslos." Die Worte saßen und zwar richtig. Bevor sie jedoch etwas erwidern konnte, flüchtete Becca vor ihr, sie verbarg noch gerade so die Tränen, Jane hatte sie nicht bemerkt. Mehr als schlecht gelaunt machte Jane sich auf zum Sportunterricht, dort konnte sie sich wenigstens auspowern und auf andere Gedanken kommen. Ihr Sportlehrer drillte sie richtig, bereitete sie weiterhin auf die Tests vor, die sie an der Akademie erwarten würden. Jane legte sich mächtig ins Zeug, drehte immer eine Runde mehr als die Anderen, machte mindestens zwei Sätze mehr an Klimmzügen und Sit-Ups. Am Ende der Stunde rang sie nach Atem, ihr Brustkorb zog sich krampfhaft zusammen, erschöpft ließ sie sich auf dem harten Hallenboden nieder. Ihr Trainer kam auf sie zu und klopfte ihr anerkennend auf die Schulter. „Rizzoli! Sehr gute Leistung heute! Mit diesem Kampfgeist und dieser Bissigkeit werden sie den Test locker bestehen! Melden Sie sich doch schon für den Test in einem Monat an, ich schreibe Ihnen eine Empfehlung." Jane grinste bei diesen Worten wie ein Honigkuchenpferd, konnte noch gar nicht glauben was er da sagte. „Sir, ist das Ihr Ernst? Oh mein Gott! Sehr, sehr gerne!" Jane sprang auf die Beine und tänzelte auf der Stelle herum, ihr Trainer beobachtete sie amüsiert. „Das ist mein Ernst, Rizzoli. Sie sind eine der wenigen die so ein Engagement an den Tag legt, man sieht Ihnen an dass Sie ihr Ziel schnell erreichen wollen. Ihr Wille ist riesig, das ist so viel Wert! Kommen Sie morgen bei mir vorbei und holen sich das Schreiben ab. Das werden Sie dann im Präsidium abgeben, verstanden?", lobte er Jane. „Natürlich Sir! Vielen, vielen Dank." Fast hätte sie ihren Dozenten umarmt, die Freude verschlang sie regelrecht. Sie arbeitete so hart daran schneller ans Ziel zu kommen als andere und nun kam sie ihrem Traum ein Stückchen näher. Wenn sie den Test besteht, kann sie schneller mit der richtigen Ausbildung beginnen, das bedeutete ihr unheimlich viel. Wie gerne würde sie Frost...Frost... Er würde sich so sehr für sie freuen. Verärgert darüber zuerst ihm davon erzählen zu wollen, kniff sie sich in die Hand und rannte in die Umkleide. Die heiße Dusche tat gut, lenkte sie ab, verschaffte ihr Zeit für sich selbst. Eigentlich wollte sie heute nach Hause fahren, doch da sich immer noch niemand bei ihr meldete, zog sie es vor bei Maura zu bleiben. Maura wollte Jane eh nicht nach Hause gehen lassen und vielleicht würde sie sich ja über die Empfehlung ihres Kollegen freuen. Ihre Eltern würden mit Sicherheit weiterhin versuchen es ihr auszureden, sie waren nicht sehr froh über ihre Jobwahl. Sie würden alles dafür tun, sie von einem anderen Beruf zu überzeugen, immer hieß es: zu gefährlich. Das mochte sein, wahrscheinlich sollten sie sogar Recht behalten, aber diesen Job wollte sie schon seit sie ein kleines Kind ist, nichts in der Welt würde sie jetzt noch davon abhalten.

From Elephants and Tortoises (girlxgirl)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt