Kapitel 37

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Die großen Bäume schienen mich zu verschlingen. Plötzlich kamen sie mir viel mächtiger und gefährlicher vor.

Um zu bekommen was du suchst, sei um Mitternacht bereit. Die Unschuld wird dich leiten, silbern wird dein Glück dann zu dir schreiten.

Das Gedicht ging mir im Kopf herum. Es waren die einzigen Gedanken die wie ein Karrussel in meinem Kopf herumwirbelten, ich aber aus keinem Wort schlau wurde.

Meine Augen zuckten nach links und rechts. Die anderen waren bereits tiefer in den Wald vorgedrungen, da war ich mir sicher.

Da packte mich plötzlich Wut. Über mich selbst. Warum war ich so dumm, versuchte jedes Wort des blöden Spruchs zu verstehen und stand mir hier die Beine in den Bauch.

Ich war ein Hogwarts-Champion. Alle Hogwarts-Schüler zählten mehr oder weniger auf mich. Da konnte ich mich nicht als Angsthase zeigen.

Mit schon viel mehr Entschlossenheit zog ich meinen Zauberstab aus der Umhangtasche und kämpfte mich voran.

Es war stockdunkel, ich wusste nicht ob es schlau wäre Licht zu machen. Bei jedem Geräusch zuckte ich zusammen.

Auch tagsüber hätte mich niemand in den verbotenen Wald gebracht und jetzt stolperte ich hier in der Nacht herum, bei Vollmond.

Hin und wieder hörte ich einen Wolf heulen. Ich wollte weinen, wollte mich in meinem kuscheligen Bett verkriechen oder im Gemeinschaftsraum für Prüfungen lernen.

Alles lieber als hier nach etwas zu suchen, von dem ich keine Vorstellung hatte was es war.

Ich schob einen dicken Ast vor meiner Nase weg, duckte mich und stieg durch ein Gebüsch, dass sich an meinem Umhang und meinen Haaren festkrallte.

Ich fluchte flüsternd und befreite meine Strähnen von Kletten. Als ich mich umdrehte stockte mir der Atem.

Ich stand auf einer Lichtung. Um mich herum ein Gewirr von Bäumen, Sträuchern und kniehohem Gras- und Farngebilden. Und vor mir... Vor mir lag ein Werwolf.

Zusammengerollt auf dem Boden leckte er sich eine seiner Pfoten, an der immer noch Blut klebte.

Mein Herz verschnellerte seinen Schlag wie von selbst. So sehr, dass meine Luftröhre sich zuschnürte und kein bisschen Luft mehr in meine Lungen kam.

Tränen stiegen mir in die Augen, ich spürte die Angst in allen Knochen. Mit einem Werwolf legt man sich nicht an, hatte ich die Worte von Professor Sallivan im Ohr.

Verdammt.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Blut. Das Blut an seiner Pfote. An seinem ganzen Vorderlauf, an seinem Bauch.

Noch hat er dich nicht gesehen, wisperte eine Stimme in mir, die genauso viel Angst hatte wie ich und mir trotzdem Mut zusprechen wollte.

Ich ließ den Werwolf mit meinen Augen nicht los. Ich blinzelte nicht mal, als ich ganz langsam meinen rechten Fuß zurück bewegte und das Gewicht darauf verlagerte.

Schon spürte ich hinter mir das Gebüsch.

Noch zwei Schritte.

Ich versuchte zu atmen, was leider nicht ging. Mein Blickfeld wurde am Rand schwarz.

Du schaffst das!, sagte ich mir in Gedanken immer wieder.

Ich setzte den linken Fuß zurück.

Der Wolf lecke immer noch sein Bein, genoss wahrscheinlich die letzten Tropfen Blut seines Opfers.

Ich hob meinen rechten Fuß kaum vom Boden auf, ließ ihn nur zurück rutschen und setzte ihn auf einem Ast auf, als ich drohte das Gleichgewicht zu verlieren.

Das Knacken hörte sich an wie eine Explosion in dieser absoluten Stille hier. Der Werwolf vor mir zuckte zusammen und sein Kopf fuhr herum.

Ich versuchte nicht in Ohnmacht zu fallen, hielt den Atem an und starrte ihm genau in die Augen.

Stocksteif stand ich dort, den Zauberstab so stark umklammert dass die Knöchel weiß hervor drangen.

Zitternd atmete ich aus und mein Atem bildete kleine Wölkchen in der frischenLuft.

Ich nahm nur gedämpft das Schnauben des Wolfs wahr, denn ich fühlte mich eingepackt in Watte und wie unter Wasser gedrückt. Ich sah alles verlangsamt, mit jedem panischen Herzschlag wurde die Welt um mich herum schwärzer. Ich hörte die Geräusche um mich herum gedämpft, war nicht in der Lage einen klaren Gedanken zu fassen oder auf irgendetwas zu reagieren.

Wir starrten uns an.

Dann, irgendwann setzte ich einen Fuß weiter zurück, ließ meinen Gegner nicht aus den Augen.

Der andere Fuß. Ganz langsam.

Ich spürte den Busch hinter mir, durch den ich gerade eben durchgekrabbelt war.

Ok Rosie. Da durch und dann rennen. Rennen und verstecken.

Ich hielt erneut die Luft an und drehte mich zur Seite, versuchte mich durch das Gestrüpp zu schieben ohne den Werwolf aus den Augen zulassen.

Mit einem Arm schob ich Äste von mir, um durch die Lücke schlüpfen zu können als eine Krähe vor mir aus dem Busch brach und einen Schrei von sich gab. Es war der Moment in dem auch der Wolf seine Ruhe verlor.

Er brummte, das Brummen verwandelte sich in ein gefährliches Knurren ehe er mir seine spitzen Zähne zeigte und sich zu seiner vollen Größe aufrichtete. Ich zitterte wie Espenlaub und konnte auch nichts dagegen tun. Die Angst vernebelte mir meine Gedanken. Mir kam nicht ein Zauber gegen dieses Ungetüm in den Sinn, also machte ich kehrt und kämpfte mich in die Hecke hinein. Dornen und spitzige Äste zerkratzen mir das Gesicht, den Hals und die Hände. Mein Atem ging stoßweise, ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen.

So schnell ich konnte brach ich aus dem Gestrüpp und rannte.

Hinter mir hörte ich es laut knacken, eine Sekunde drehte ich mich zur Seite, um nach hinten linsen zu können, aber es war zu spät. Ich sah die Wurzel nicht und mein linker Fuß verfing sich in ihr. Mit voller Geschwindidkeit krachte ich auf den Boden und die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst.

Ich schloss die Augen. Hinter mir spürte ich den warmen Atem des Werwolfs in meinem Nacken.

LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt