Kapitel 40

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An diesem Abend hatte ich keinen Nerv mehr, mir das hauchdünne Holzplättchen anzusehen. Dafür würde am nächsten Tag genug Zeit sein. Ich warf meinen Kampfumhang in die nächste Ecke und ließ mich auf mein Bett fallen.

Als Claire und die anderen am nächsten Morgen zum Frühstück schlurften, brauchte ich erst noch um aus dem Bett zu krabbeln und war schließlich allein mit Heaven in unserem Schlafsaal.

„Mhh... Du Heaven?", fragte ich leise und sie sah mich lächelnd an. „Wie hast du das gemacht mit dem Werwolf? Und wie hast du es geschafft das die anderen es nicht auf dem Bildschirm sehen?"

Heavens Lächeln verschwand. „Was meinst du Rosie?" Sie runzelte ihre Stirn.

„Du warst plötzlich neben mir gestanden, du hast diesen Werwolf mit den Explosionszaubern verjagt, du... du hast mir das Leben geretten", redete ich darauf los und sah sie mit großen Augen an.

Heaven kam und setzte sich neben mich auf das Bett. „Ich weiß nicht genau wie man es erklären kann, ich weiß nicht ob du dir vielleicht den Kopf gestoßen hast, aber ich war die ganze Zeit bei Claire und den anderen auf der Tribüne und hab auf den Bildschirmen zugesehen. Ich hab den Kampf mit dem Werwolf gesehen und ich war so stolz, denn du allein hast ihn besiegt! Vielleicht kannst du es selbst noch nicht ganz glauben, aber du hast das ganz alleine geschafft. Ich bin nie in diesen Wald gegangen... Ich hab dir nie geholfen."

Ich starrte sie an. Konnte es sein dass ich mir bei dem Sturz den Kopf angeschlagen hatte? Dass ich mir Heaven nur eingebildet hatte?

„Du musst das alles erst mal verarbeiten, das waren keine Erlebnisse die man in seinem Leben unbedingt braucht", sagt Heaven mit Tadel in der Stimme und strich über meinen Rücken. „Kommst du dann auch frühstücken?" Sie sprang vom Bett und trat, ohne auf meine Antwort zu warten aus der Tür.

Im Gemeinschaftsraum fand ich James und wir gingen gemeinsam runter in die große Halle. Immer wieder klopfte mir jemand auf die Schulter oder sprach mir seinen Respekt mit Worten aus.

„Ich wollte das nie", seufzte ich und James grinste. „Naja", sagte er, „ bis jetzt stellst du dich ganz gut an."

Ich verdrehte die Augen.

Als wir nach dem Frühstück wieder zu unserem Turm gingen, hörte ich Mums Stimme hinter einer Ecke.

„Ist das möglich?", zischte sie und meine Schritte wurden langsamer.

„Ich hab davon gehört, gelesen, in Bücher aus aller Welt, aber noch nie etwas derartiges erlebt oder von jemandem persönlich gehört."

Ich warf James einen kurzen Blick zu, dann schlich ich zu der Mauer und lugte um die Ecke. Meine Mum, mein Dad und Professor Sallivan standen in einem dunkeln Winkel.

„Finde es heraus", herrschte Mum ihn an und ich sah, dass ihre Hände vor Aufregung leicht zitterten.

„Was bringt es dir?", fragte Sallivan. „Was ist anders wenn du es weißt?"

Mum starrte ihn kurz an, dann machte sie kehrt und steuerte in die entgegengesetzte Richtung.

James und ich machten, dass wir weg kamen.

„Hast du irgendwas verstanden was diese Unterhaltung von Mum und Sallivan bedeuten könnte?", murmelte ich James zu als wir auf dem hintersten Sofa saßen, dass der Geminschaftsraum hergab und spielte mit meinem Holzplättchen der zweiten Aufgbe herum.

Er zuckte nur die Schultern.

„Denkst du ich sollte Mum fragen?"

James schüttelte den Kopf. „Früher oder später finden wirs raus, oder sie erzählt es dir sowieso. Aber ich denke du hast wenig Chancen dass sie es dir erzählt wenn du danach fragst..."

Ich schnaufte hörbar. „Also gut, lass uns das nächste Rätsel lösen", murmelte ich und starrte so genau wie vorher noch nie auf die winzigen Buchstaben die in das Holzplättchen eingraviert waren.

„Ich weiß nicht ob das Wörter sind oder irgendeinen Sinn ergibt", murrte James mit zusammengezogenen Augenbrauen. „Das sind irgendwelche aufeinanderfolgenden Symbole, ich verstehe davon nichts".

„Lass sie uns aufschreiben. Einfach eins nach dem anderen", seufzte ich und holte Pergament und Feder aus meiner Tasche.

Als wir nach einer Ewigkeit fertig waren, oder zumindest dachten, wir hätten jedes einzelne Symbol entziffert, starrten wir auf das Blatt.

Огоньводаземлявоздух

„Oh Gott", stöhnte ich laut auf und vergrub mein Gesicht in James Pulli. „Ich habe eigentlich gar keine Lust mehr auf diese ganzen Rätsel und dass mein Leben auf dem Spiel steht", murrte ich an seine Schulter und starrte ihn dann an.

Er hatte seine Augenbrauen zusammengezogen und starrte nicht weniger verwirrt wie ich auf die Symbole. „Vielleicht kann uns jemand helfen der alte Runen als Fach belegt hat", murmelte James und kratzte sich am Kopf. Ich nickte nur niedergeschlagen, dann: „Ja! Heaven hat alte Runen und du kennst sie, sie kann so ziemlich alles!", jubelte ich und meine Augen begannen wieder ein bisschen mehr zu strahlen. James kroch ein Grinsen auf die Lippen.

Ich sprang schon fast die Treppe zum Schlafsaal hoch. Aysha sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an, als ich ins Zimmer rumpelte. „Ist Heaven nicht hier?", fragte ich verdutzt, nachdem ich mich umgeschaut und sie nicht entdeckt hatte.

Aysha schüttelte den Kopf. „Sie wurde zu Professor Sallivan geordert", sagte sie und zuckte mit den Schultern, was mir zu verstehen gab, dass sie auch nichts Näheres wusste.

Grübelnd ging ich wieder zu James. Anscheinend hatte Sallivan ausdrücklich nach Heaven verlangt. Das geschah so gut wie nie. Entweder der Schüler musste einfach nach dem Unterricht da bleiben, oder eben nicht.

Warum also, hatte er sie in der Freizeit zu sich rufen lassen?

Ich nahm mir vor sie zu fragen, sobald ich sie sehen würde.

LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt