Kapitel 44

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Ich stand am Rand des verbotenen Waldes und zitterte wie Espenlaub am ganzen Körper. Noch hatte ich keine Ahnung was passieren würde. Ich denke niemand von uns vier Champions wusste, was auf uns zu kam.

Rodolfus Rickwick's Stimme erschütterte mich und zog sich durch Mark und Bein.

„Möge die dritte Aufgabe des diesjährigen Trimagischen Turniers beginnen!"

Niemand jubelte.

Niemand freute sich.

Jeder stand still und wartete, was als nächstes passieren würde.

Ich starrte in die Dunkelheit, erwartete dass sich etwas bewegte, mich ansprang oder von unten schnappte. Aber es passierte nichts. Ungefähr eine Minute war es mucksmäuschen still.

Dann hörte ich einen Schrei. Hoch, spitz, in die Länge gezogen. Ich fuhr herum und sah in die Richtung aus der er kam. Es konnte nur vom Quidditchfeld herwehen. Es konnte nur Elyssés Schrei sein. Ich schluckte schwer.

Hatte sie schon geschafft was mir noch bevor stand? In jeglicher Hinsicht?

Die Wolken wurden drückender, ich spürte es. Und als die ersten schweren Tropfen auf mein Gesicht fielen hörte ich ein gewaltiges Rauschen.

Ich sah nach unten zum schwarzen See und wurde Zeugin, wie er sich aufbäumte und auf James, der so klein am Ufer stand zurauschte.

Ich schrie.

Ich schrie und rannte los. Wollte zu ihm. Wollte versuchen ihn irgendwie zu retten, ihm zu helfen dass wir beide zusammen heil aus diesem Spuk heraus kämen.

Aber der Boden unter mir brummte und donnerte. Bleib hier, wollte er mir sagen und ein Riss, so dick wie mein Bein tat sich vor mir auf.

Ich stolperte zurück und fiel sofort über eine Wurzel, die dort vor einer Minute noch nicht war.

Die Erde begann zu leben. Und sie begann zu kämpfen. Gegen mich.

Der Regen verwandelte alles in null komma nichts in reinen Schlamm, der mir am Körper klebte. Die Haare lagen nass um meinen Kopf, in meinem Gesicht.

Ich rappelte mich auf so schnell ich konnte und stellte mich kampfbereit den Bäumen gegenüber, die böse zu tanzen anfingen.

„Kommt schon her!", schrie ich sie an, denn plötzlich war ich nicht mehr ängstlich, ich war wütend. Ich war wütend auf alle, die die Idee hatten, dieses Turnier aufleben zu lassen. Ich war wütend, weil ich nicht wusste was mit mir oder meinen Lieben passieren würden. Aber ich würde alles geben, dass es sich zum Guten wenden würde.

Eine Wurzel schoss durch die Erde, direkt auf mich zu. Ich sprang leichtfüßig zurück. „Incendio!", brüllte ich und schoss den Zauber auf das Holz zu meinen Füßen. Eine kleine Feuerexplosion breitete sich vor mir aus und ich befahl dem Zauber sich des ganzen Baumes mächtig zu machen, was nur teilweise gelang, weil der Regen immer mehr zunahm.

Die Erde unter mir brach weg, ich tanze im Schatten von Jurijs Feuer das hinter mir züngelte umher und versuchte, in keinen Spalt zu rutschen. Mein Atem ging schnell, mein Herz pochte so aufgeregt, dass es drohte vor Nervosität ganz aufzuhören.

Vor mir erhoben sich Gestalten aus Erde, sie schossen Flüche auf mich die ich nicht kannte. Alles was ich tat, war die Zauber von mir abzuwenden und die Bäume in Schach zu halten. Ich war in einer Art Trance, der Regen setzte sich so schwer auf meine Schultern, dass ich das Gefühl hatte ich würde immer kleiner werden. Nicht die Konzentration verlieren!, ermahnte ich mich selber.

Als hinter mir plötzlich Unruhe ausbrach, war ich sofort hellwach. Ich nutze eine Sekunde und ließ meinen Blick zum Schloss schweifen. Dort wo die Schüler gestanden hatten, war Chaos ausgebrochen. Ich hörte alle durcheinander rufen, verstand aber kein Wort.

Dann traf mich ein Zauber an der Seite und ich wurde nach hinten geschleudert, krachte hart auf den Boden auf. Ein Schmerzensschrei entglitt meinen Lippen, als ich das warme Blut an den linken Rippen spürte.

Noch ein Fluch wurde über meinen Kopf geschmettert, ich duckte mich so gut es ging.

Der nächste traf mich an der Schläfe und mein Kopf wurde gewaltvoll zu Boden gedrückt. Ich stöhnte und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete verschwamm die Welt vor mir.

„Eine Falle! Es ist eine Falle!", rief jemand ganz in meiner Nähe, aber als ich mich endlich aufrappeln konnte, war da niemand.

Ich drückte mir die Hand an meinen Kopf, die Schmerzen waren fast unerträglich. Ich saß da, im Regen, in der Dunkelkeit, mit Tränen die meine Wangen hinuter liefen und war ganz allein.

„Oh Gott", flüsterte ich und die Panik kam wie eine kalte Hand gekrochen und packte mich. „Nein!", schrie ich und versuchte aufzustehen. „Nein, ich will das doch nicht!", rief ich und drehte mich um. War denn hier niemand der mir helfen konnte? James? Oh Gott, James!

Ich drehte mich in die Richtung in der ich den schwarzen See vermutete, musste mir erstmal den Kopf halten, weil mir so schwindelig war, sah dann aber James der gegen eine riesige Wand aus Wasser ankämpfte. Und ich sah andere Schüler, die ebenfalls versuchten, das Wasser unter Kontrolle zubringen. Ich stutzte.

„Kommt schon! Kommt schon!", brüllte jemand. „Wir müssen zum Quidditchfeld, beeilt euch gefälligst!"

„Aber", flüsterte ich und sah der Gruppe nach, die davon rannte. „Was ist mit mir?"

Ich sah mich um, drehte mich hektisch in alle Richtungen. Und dann sah ich es. Meine Mum. Meinen Dad. Professor Sallivan. Die mich alle nicht aus den Augen ließen, sich aber gleichzeitig gegen Rodolfus Rickwick und seine Leute duellierten, die plötzlich in Scharen aufgetaucht waren.

„Rosie!", brüllte meine Mum als sie merkte, dass ich sie anstarrte. Aber da war es zu spät.

Mir fiel gerade auf, dass mich niemand mehr angriff und ich fragte mich, ob mein Element schon aufgegeben hatte als ich schleifende, schmatzende Schritte hinter mir hörte.

Gänsehaut kroch meinen Rücken hinauf und eine letzte Träne der puren Angst lief meine Wange hinunter.

Ich drehte mich um. So langsam, dass ich hoffte, bis dahin war der, der hinter mir war, wieder verschwunden.

Aber als ich vor der Kreatur stand, wusste ich sofort um was es sich handelte.

Der Umhang so schwarz wie die Nacht, übersäht mit Dreck, Schlamm, Würmern und alten Blättern. Das Gesicht nicht erkennbar unter der langen Kapuze. Nur ein schwarzer, großer Mund mit spitzigen Zähnen blitzte mir entgegen. Es stank widerlich. Nach Tod. Eine zerzauste Krähe saß auf seiner Schulter, und ich hätte schwören könnne, es war die Krähe, die oft vor meinem Fenster gesessen hatte. Es war die Krähe, die eines Nachts den Werwolf aufgeschreckt hatte.

„Rosalie", zischte das Etwas vor mir und ich stürzte zu Boden beim Klang dieser widerlichen, furchtbaren Stimme. „Endlich haben wir dich da, wo wir dich immer wollten."

Ich bekam keine Luft. Die Angst drückte mir meine Brust ab und ich war nicht in der Lage nach Luft zu schnappen.

„Nazdoug", war das einzige Wort, dass ich heraus würgte.

LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt