Kapitel 30

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Wir saßen alle zusammen im Gemeinschaftsraum und arbeiteten an unseren Hausaufgaben.

„Hey! Was machen wir heut Nachmittg noch?" Victoria kam, schmiss sich zu mir auf die Couch und sah uns erwartungsvoll an.

„Ähm... also ich hab keine Zeit", sagte ich schnell und schrieb fleißig weiter.

„Warum denn nicht?", motzte Victoria und legte ihren Kopf auf meinen Schoß. „Aysha und Claire sitzen ja noch den ganzen Tag an ihren Aufsätzen, du bist die einzige, die mich aus dieser Langeweile retten kann!"

„Ich hab eben schon was vor", murmelte ich.

„Was denn?", fragte jetzt Claire mit neugierigem Blick.

Ich sah zwischen meinen Freundinnen hin und her, Victoria hatte sich aufgerichtet und beide starrten mich jetzt an.

Ich seufzte kurz und verdrehte die Augen „James sagte er bräuchte mich für irgendetwas wichtiges. Ich bin mit ihm verabredet."

„Uhh!" Victoria zog lächelnd ihre Augenbrauen hinauf.

„Schau nicht so!" Ich schubste sie nach hinten, sodass sie auf die Couch zurück fiel, „Wahrscheinlich ist es irgendetwas wegen dem Rätsel."

„Wir werdens sehen." Claire zuckte lächelnd mit den Schultern.

„Was heißt hier 'wir'. Ich werds sehen, es war keine Rede davon dass ich euch davon erzählen werde." Ich grinste und wuschelte Victoria durch ihre Locken. „Seit wann bist du eigentlich so schnell mit deinen Hausaufgaben fertig?", fragte ich lachend und Claire stimmte mit ein.


~*~


Um fünf Minuten nach Fünfzehn Uhr sprang ich die Stufen in den Gemeinschaftsraum hinunter. James lehnte an einem Sessel und beobachtete die Treppe.

„Du bist zu spät", sagte er ernst, aber dann kam ihm das Lachen aus und ich ließ mich anstecken.

„Was gibt's denn jetzt so dringendes, schieß los!"

„Da musst du schon mitkommen." Er nahm meine Hand in seine, lächelte und zog mich dann raus auf die Korridore des Schlosses.

„Wo gehen wir hin?", fragte ich das erste Mal, als wir aus dem großen Portal in die heute sonnenbeschienene Winterlandschaft hinaus traten.

„Du wirst es gleich sehen."

Ich zog meine Strickjacke enger um meinen Körper und stapfte ihm mit meinen Eskimo-ähnlichen Stiefeln hinterher durch den weißen, glitzernden Schnee.

Nach kurzer Zeit waren wir am schwarzen See angekommen. Aber James blieb nicht stehen, er stiefelte weiter.

„Wo bringst du mich hin, James?", fragte ich ein zweites Mal, mein Atem bildete in der klirrenden Kälte weiße Wölkchen.

„Rosie. Du bist sowas von neugierig, das hätte ich echt nicht gedacht", lachte er.

Ich musste ebenfalls leicht grinsen und folgte ihm weiter.

Irgendwann, mir kam es vor als hätten wir bereits den halben See umrundet, lief James auf eine Gruppe Bäume zu, die dort standen wie ein kleines Wäldchen.

Er blieb bei einem Ast stehen, dessen Nadeln so dick mit Schnee bedeckt waren, dass er bis auf den Boden hing. James lächelte mir zu, dann schüttelte er den Ast kräftig und hob ihn schließlich hoch. Ein Loch in dem ganzen Zweig-Gewirr entstand, wie ein Portal zu einer anderen Welt. Ich musterte ihn kurz misstrauisch, dann ging ich an ihm vorbei und stieg hindurch. Feiner Schnee rieselte mir in den Nacken und eine Gänsehaut überzog sogleich meinen Rücken.

LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt