Kapitel 2

548 58 23
                                    


Ich konnte es nicht fassen, die vier Tage zogen sich schlimmer wie Kaugummi dahin.

Meistens las ich in den neuen Bücher (am meisten faszinierte mich Die dunklen Künste überlisten von Mortimer Pelcan), aber manchmal ließ ich mich auch zu einer Runde Zauberschach oder sogar Quidditch überreden. Eigentlich liebte ich das Fliegen ja, aber diese letzten Tage hatte ich keinen Kopf dafür. Lieber überprüfte ich tausend Mal ob ich alles eingepackt hatte oder sah im Minutentakt auf die Uhr.

Allerdings war meine Ungeduld nichts im Vergleich zu Daphnes.

Meine kleine Schwester war so aufgeregt, wie ich sie noch nie gesehen hatte. Sie lief oder eher sprang stetig mit rot-glühenden Wangen umher. Jeden Abend saß sie auf meinem Bett und wollte Geschichten über Hogwarts hören.

„Morgen wirst du Hogwarts selber sehen. Jetzt geh ins Bett", brummte ich am letzten Abend in mein Kissen.

Daphne knetete so stark ihre Finger, dass ich Angst hatte sie würde sie brechen. „Was, wenn ich keine Freunde finde", murmelte sie dann so leise, dass ich es fast überhört hätte.

„Daphne..." Ich setzte mich auf und strich ihr lächelnd über die Haare. „Jeder Erstklässler ist morgen das erste Mal dort und kennt niemanden. Schau doch mal mich und Claire an, wir kannten uns auch nicht und sind aber seit dem ersten Tag Freunde. Mach dir da drüber keine Sorgen."

Daphne knabberte an ihrer Unterlippe herum.

Ich beugte mich vor und gab ihr einen Kuss auf die Schläfe. „Und jetzt ab ins Bett."

Mit gesenktem Kopf stand sie auf, flüsterte „Gute Nacht" und verließ mein Zimmer. Aber ich hatte das kleine Grinsen deutlich gesehen.

Ich hoffte einfach dass sie in Jaces und mein Haus kommen würde.

Lächelnd fiel ich zurück in mein Bett und mit einer Tonne Vorfreude im Bauch schlief ich schließlich ein.


~*~


Fast alle Leute die auf den Bahnsteigen 9 und 10 unterwegs waren, starrten mich verwundert an. Nur weil ich aussah wie ein Honigkuchenpferd und ein großer Kater auf meinem Gepäck saß. Naja, vielleicht auch noch, weil Jaces Uhu Mephisto ein Mordstheater veranstaltete und so sehr zappelte, dass fast der ganze Wagen umkippte.

Mama musste Daphne am Kragen festhalten, dass sie nicht durch die Barriere sprang und damit die Aufmerksamkeit auf sich zog.

„Rosie geht als Erste", sagte Dad und lächelte mich an.

Ich grinste tausend Mal breiter zurück und nahm Anlauf. Kurz vor dem Stein schloss ich meine Augen und als ich das nächste Mal tief Luft holte, schmeckte ich den rauen Dampf der roten Lock, die dort wie immer prächtig stand und mich mit einer Rauchwolke begrüßte.

Ich stand dort, lächelte wie verrückt und hielt sofort nach Claire oder Victoria Ausschau. Das wurde allerdings jäh unterbrochen, als Jace mir mit seinem Wagen mit Karacho in den Rücken rauschte. Ich taumelte erschrocken nach vorne und krallte mich an meinen Wagen.

Jace verlor das Gleichgewicht und schlug hart auf dem Boden auf, genauso wie Mephisto, der jetzt umso lauter schrie.

Während ich noch umherschlingerte lachte ich ihn aus, stolperte aber dabei über meine eigenen Füße.

Panisch ruderte ich mit den Armen, aber ich war schon zu sehr in Schräglage. Schnell zwickte ich meine Augen zusammen und machte mich auf den Schmerz gefasst, aber er blieb aus.

LöwenmutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt