♣ Kapitel 6

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Nachdem er es endlich geschafft hat von der Von-Alex-Straße in den Schwerweg abzubiegen - der Verkehr ist hier immer grausam - und auf dem Parkplatz des kleinen Schwimmbades geparkt hat, gehen wir zu der Uhrenwerkstatt. 

Davor erwartet uns schon ein sehr ungeduldiger Orang-Utan - die Affenmenschen sind die einzigen Tiermenschen, die mehr Tier als Mensch sind. Also eigentlich ist der einzige Unterschied zu den richtigen Tieren, dass sie sprechen können und sich die Kleidung selbst anziehen. Aber keine Windeln, ein Fakt, den sich jeder Polizist sehr gut merken muss, wenn er sich nicht vor Gericht wiederfinden will.

"Wie lange wolltet ihr Halbblüter mich noch warten lassen?!", schnauzt er uns, kaum sind wir in Hörweite, an.

"Wir bitten um Entschuldigung.", antwortet Elix von dem harschen Ton unberührt. "Mögen Sie uns den Poltergeist nun bitte zeigen?"

"Ha! Erst warten lassen und dann für blöd verkaufen. Das Ding ist unsichtbar!" Wow, der muss heute wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden sein.

Doch den Halbfuchs lässt es kalt. "Verzeihung, dies war nicht meine Absicht."

Der rotbraune Affe starrt ihn einen Moment grimmig an und dreht sich endlich zu der Tür seiner Werkstatt um. "Der verfluchte Geist lässt mich hier gar nicht arbeiten. Die letzten drei Tage musste ich meine Arbeit zu Hause auf dem Küchentisch erledigen. Hat nur Streit mit der Ehefrau gebracht." Er öffnet uns die Tür und zeigt uns mit der Hand, dass wir eintreten sollen. "Und jetzt schafft mir das Ding endlich hier raus."

Diesmal ignoriert Elix ihn und geht rein. Ich ihm hinterher.

"Und wehe ihr macht was kaputt!", brüllt der Affe uns hinterher. Ich glaube, er ist als der falsche Affe auf die Welt gekommen. Ein Brüllaffe hätte besser gepasst.

Langsam gehen wir durch die kleine Werkstatt. Zersplittertes Glas knackt unter unseren Schuhen. Vielleicht sollte ich es aufschreiben, nicht dass es heißt, wir wären es gewesen. 

Ich habe das Geschäft schon oft beim vorbeifahren gesehen, war aber noch nie drinnen gewesen. Ist nicht besonders spektakulär. Das Schaufenster ist, wie bei jedem Uhrenladen, vollgestellt mit Uhren. Im Laden steht außerdem noch eine hohe Vitrine, die die kleine Werkstatt, die nur aus einer Werkbank und einem Schrank mit Ersatzteilen besteht, vom Verkaufsbereich abtrennt. Als ich gucke, wie wir dort hinkommen, merke ich, dass die Theke keine Lücke zwischen sich und der Vitrine zulässt. Stattdessen hängt dort ein dickes Seil, das zu weiteren an der Decke befestigten Seilen führt. Ernsthaft? So bewegt sich der Typ hier drin? Obwohl, eigentlich ist es nicht besonders überraschend.

Jedenfalls hält dieser Fakt meinen Chef nicht auf. Nein, das tut es ganz und gar nicht.

Er sieht mich mit seinem dummen Grinsen an und ich bekomme ein sehr schlechtes Gefühl. "So, Ki, jetzt zeig mal, was du gelernt hast."

Ich schaue ihn mit dem 'Willst-du-mich-verarschen'-Blick an. "Ich habe nur eine Seite über Poltergeister aus diesem dämlichen Ordner gelesen."

Wie bei dem Orang-Utan, bleibt er von meinem Einwand unbeeindruckt. "Genau richtig. Du hast es gelesen, jetzt musst du es umsetzen."

"Du weißt schon, dass es etwas anderes ist, etwas in der Theorie zu wissen und es dann in der Praxis umzusetzen?"

"Bei dem Blutfleck hat es dich auch nicht aufgehalten." Ach ja, der Blutfleck... Ich will immer noch nicht wissen, wie zur Hölle der auf die Decke gekommen ist. Es war jedenfalls viel zu groß für eine Fliege.

"Hier handelt es sich aber nicht um unser Büro, sondern um die Uhrenwerkstatt eines Bürgers."

Er blinzelt ein paar Mal. "Also, wenn es dir um die Vitrine geht, ich glaube, der stört es nicht mehr."

Ein/Viertel (BoyxBoy)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt