Ein lautes Piepen weckt mich am nächsten Morgen. Es ist noch dunkel draußen, deswegen fragte ich mich schlecht gelaunt, wieso zum Teufel der blöde Wecker klingelt. Doch dann fällt mir ein, dass ich ab heute wieder arbeiten gehe.
Ich seufze und bewege mich, um das inzwischen viel lauter gewordene Piepen endlich auszustellen. Mit einem Ächzen hieve ich mich aus dem Bett und wundere mich, weshalb ich nicht in meinen Schlafklamotten bin, als mir schlagartig einfällt, was der Grund ist.
Mein Herz krampft sich zusammen und ich lege meine Hand darüber und greife mein T-Shirt ganz fest. Ich schließe meine Augen und atme tief ein und wieder aus. Meine Hand entspannt sich wieder, auch wenn mein Herz immer noch schmerzt. Jetzt ist nicht die Zeit dafür. Vielleicht tut mir etwas Arbeit heute gut. Ich werde ihn sowieso nicht sehen. Er verschwindet schließlich immer hinter seinem Papierberg. Und wenn Pause ist, verschwinde ich schnell. Wobei einfach nicht zu ihm schauen auch das Ziel erreicht, da er mich wahrscheinlich nicht weiter beachten wird. Wie sonst immer.
Ich schüttle meinen Kopf und gebe mir mit beiden Händen auf beiden Wangen erst mal selbst eine Ohrfeige. Danach muss ich die schmerzenden Stellen erstmal reiben, weil es doch kräftiger war, als ich dachte. Aber der Schmerz in meiner Brust hat sich etwas gelegt. Ich werde den Tag schon überstehen.
Allerdings habe ich diese neue Motivation schon fast verloren, als ich mich im Badezimmerspiegel sehe. Katastrophal. Meine Augen sind immer noch ganz angeschwollen und rot vom Weinen. Genauso meine Wangen und die Ohrfeigen haben es nicht gerade besser gemacht.
Ich streiche mir mein Haar zurück und gehe in die Küche. Dort hole ich mir eine Tüte Tiefkühlgemüse und kühle damit mein Gesicht, während ich mir mit einer Hand mein Müsli zubereite.
Als ich mich schließlich wieder im Spiegel begutachte, ist mein Gesicht durch die Kälte noch roter, aber die Schwellung hat nachgelassen. Vielleicht sollte ich mir meine Sonnenbrille für die Busfahrt aufsetzen, auch wenn es um diese Jahreszeit komisch kommt. Es ist schließlich schon praktisch Winter.
Ich lege das Gemüse wieder zurück in die Tiefkühltruhe und mache mich für die Arbeit fertig. Nachdem ich meine Zähne geputzt, das Gesicht gewaschen und mich umgezogen habe, werfe ich noch einen letzten Blick in den Spiegel. Eigentlich geht es jetzt. Bis ich im Büro bin, werde ich bestimmt wieder normal aussehen. Dort werde ich zur Sicherheit aber doch noch einen Blick in den Spiegel werfen.
Langsam schlendere ich die Treppe hinunter. Unten begegne ich dem Hausmeister, der mir zugrummelt, dass heute Nachmittag das Wasser wegen einer Reparatur für eine Stunde abgeschaltet wird. Ich bedanke mich höflich für die Information, auch wenn es mir schnurzegal ist, da ich sowieso auf der Arbeit sein werde.
Ich öffne die Tür nach draußen und als erstes fällt mir das quietschgelbe Auto auf, das auf dem Seitenstreifen vor dem Gebäude parkt. Doch in der nächsten Sekunde fällt mein Blick auf den Halbfuchs, der mit dem Rücken zu mir an dem kleinen Auto lehnt.
Doch statt mich irgendwie zu freuen oder Ähnliches, bekomme ich eine Panikreaktion und laufe schnell, bevor er mich sieht, um das Gebäude herum, um auf die Kreinstraße zu gelangen. Diese laufe ich schnellen Schrittes zur Nadorstraße, wo ich schließlich in meinen Bus einsteige.
Die gesamte Fahrt über schlägt mein Herz wie wild. Ist er gekommen, weil er besondere Gefühle für mich hegt oder weil er als Vorgesetzter so nett sein und mich nach meiner Genesung zur Arbeit fahren will, damit ich mich nicht irgendwie überanstrenge?
Ich beiße mir auf die Lippe. Das Letztere ist am wahrscheinlichsten. Schließlich hat er mir gestern erlaubt, mir mehr Zeit zum Erholen zu nehmen, wenn ich mich noch nicht gut fühle. Aber wenn es doch tiefere Gefühle sind?
Ahhh! Mach dir deswegen nicht so einen Kopf, Kylian! Er wird schon seine Gründe haben. Ob es nun Liebe oder Pflichtgefühl ist.
Ich seufze. Ich hätte nicht so feige sein sollen. Verflucht! Das ist mir jetzt so peinlich. Ok, ich werde einfach so tun, als wäre das nicht passiert und wenn Elix fragen sollte, sage ich, ich sei früher losgegangen. Das klingt nach einem Plan.
Im Büro angekommen ist wie gewöhnlich noch niemand da. Aber nachdem ich mein Laptop hochgefahren habe, kommt schon Jonathan rein.
"Willkommen zurück, Kylian.", grüßt er mich freundlich, seine Augen sind diesmal weich.
Ich lächle ihn an. "Hallo. Ich hoffe, die beiden haben dir während meiner Abwesenheit nicht zu sehr zugesetzt."
Er setzt sich auf seinen Platz und klappt sein Laptop auf. "Wir hatten viel zu tun. In letzter Zeit tauchen viele Geister auf."
"Viele Geister? Also mehr als sonst?", frage ich überrascht.
Er nickt. "Mehr als sonst."
Ich schluckte. "Wisst ihr schon weshalb?"
Er schüttelt den Kopf. "Nichts Handfestes, aber..."
"Jonathan?"
Er schaut mich an. "Bei den Elfen erzählt man sich, dass wenn sich plötzlich viele Geister versammeln, sich etwas Schreckliches nähert."
"M-Meinst du etwa einen mächtigen Dämon? Die wurden doch alle getötet, nachdem die Fabelwesen wieder in diese Welt zurückkehrten."
"Es ist nur eine Erzählung, Kylian." Allerdings klingt er auf seine emotionslose Art nicht beruhigend, aber auch nicht beunruhigend.
"Was für eine Erzählung?" Wir zucken beide sichtlich zusammen, als Elix plötzlich im Raum steht.
Jonathan zuckt mit den Schultern. "Ich habe ihm von den erhöhten Geisteraktivitäten erzählt und dass sich bei den Elfen erzählt wird, dass es ein Zeichen für Schreckliches sei."
"Schreckliches?", fragt der Halbfuchs etwas zu enthusiastisch für meinen Geschmack.
Der Halbelf seufzt. "Ich weiß nicht, was sich die Elfen unter Schrecklichem vorstellen. Dazu müssten wir schon die Blattgrüne-Bibliothek besuchen, aber es wird dasselbe sein, wie mit der Sage, von der du gesprochen hast." Stimmt, Elix hat mir davon im Krankenhaus erzählt.
Im nächsten Moment sah man Jonathan die Reue praktisch ins Gesicht geschrieben, da das darauffolgende Elix-Grinsen auf nichts Gutes schließen lässt.
"Nein, Elix.", versucht er sich noch zu retten.
Dessen Grinsen wird allerdings noch breiter. "Oh doch, Jonathan. Spätestens nächste Woche. Mach dich gleich ans Werk."
Damit verschwindet er fröhlich summend hinter seinem Papierhaufen. Das Einzige, das ich für meinen Kollegen machen kann, ist ihm mit meinem Blick mein Beileid auszudrücken. Da taucht auch schon Tristan, so gut gelaunt wie immer, auf.
So vergeht der Tag. Es gab Kuchen für meine Genesung. Und Elix auszuweichen war ein Klacks. Auch weil er mir aus dem Weg ging?
Ich seufze wieder, als ich meine Wohnungstür hinter mir geschlossen habe. Es ist so, wie ich es mir gedacht habe.
Hallo ^^
Ich war schon die ganze Zeit am überlegen, wie ich die lieben Herren zu den Elfen bekomme. Hmm, schon irgendwie Mainstream geworden, die Elfen ^^"
Allerdings habe ich mich gefragt, ob die 'Blattgrüne-Bibliothek' so richtig geschrieben ist. Ich meine, das ist der Name der Bibliothek, ich wollte er nicht so klingen lassen, dass sie in der Farbe gestrichen ist. Aber irgendwie mag ich das so und denke auch nicht, dass das besonders falsch ist xDLG Soul_Guardian
PS.: Weil oft mal einige Tage ins Land gehen, bevor ich ein neues Kapitel schreibe, habe ich ganz vergessen, dass die Geister-Sage schon erwähnt wurde xD Da war schon eine innere Panik, als ich Kapitel 31 vor wenigen Wochen korrekturgelesen habe xD Aber habe ich hier doch gut vertuscht oder? ;)
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Ein/Viertel (BoyxBoy)
FantasiGerade die stressige Ausbildung beendet, da kann eigentlich das entspannte Berufsleben beginnen. Zumindest sollte es ein Schreibtischjob sein. Ein Schreibtischjob! Das war es, was ich mir als Wunsch eingetragen habe, in diesem dämlichen Bogen, der n...