Der heutige Arbeitstag war der absolute Horror. Nicht nur hatte ich meine gesamte Mittagspause durchgearbeitet, nein, bei einer kleinen Kaffeepause habe ich mich vor versammeltem Kollegium angeschüttet und durfte nun mit einem braunen Fleck auf einem meiner Lieblingsshirts herumlaufen, was einige hinter vorgehaltener Hand zum Kichern brachte. Steve, meine einzige Hoffnung auf positive Stimmung, musste mich bereits kurz nach Mittag wegen eines Kundengesprächs verlassen und war seitdem nicht mehr zurückgekommen.
Ich war somit einsam, hungrig, saß mit dreckiger Kleidung im Büro und hoffte einfach, heute zur Abwechslung mal pünktlich Feierabend machen zu können. Fleißig, doch für meine Verhältnisse eher minder motiviert, arbeitete ich an weiteren Entwürfen und Ausarbeitungen. Wenigstens hatte ich die wichtigen Aufträge von heute Morgen zeitgerecht fertigbekommen, sodass die geplanten Projekte gut weiterlaufen können.
Auch wenn ich oft darüber fluchte, die Nächte teilweise schlaflos waren und Stress mein ständiger Begleiter war, liebte ich meine Arbeit als Grafikerin. Den Menschen mit meinen Designs und Entwürfen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und ihnen ein Stückchen bei ihrer eigenen Verwirklichung ihrer Träume beizustehen, war schon als Kind mein Ziel. Leider war das nicht immer der Fall, aber die meisten Kunden waren dankbar und freuten sich über die Arbeit, die ich für sie machten durfte.
Verträumt sah ich kurz von meinem Computerbildschirm auf, als plötzlich unser zuständiger Art Director in unseren Bürotrakt eintrat. Jesper Avens war jung, erfolgreich und zudem der Sohn unserer CEO. Man musste zudem erwähnen, dass er eigentlich die Grafik-Abteilung leitete, er seinen Platz als Art Director jedoch nicht aufgeben wollte, was viele ihm hoch anrechneten. Workaholic war demnach noch eine untertriebene Beschreibung für diesen Mann.
Mit seiner überraschenden Anwesenheit kippte die Stimmung rasch in zwei Gegensätze; die einen waren verwundert und setzten sich etwas aufrechter hin – vor allem die Damen wohlbemerkt –, während die anderen sich schluckend hinter dem Bildschirm versteckten.
So wie ich gerade.
Dass unser Abteilungschef hier gerade zu unserem Trakt kam, obwohl sein Büro am anderen Ende des Ganges lang, bedeutete eindeutig nichts Gutes. Er war bekannt dafür, auch bei Kleinigkeiten keine Fehler zu dulden, was einigen schon den Job gekostet hatte.
Man könnte eine Stecknadel auf dem Boden fallen hören. Keiner von uns arbeitete weiter, jeder warteten auf irgendeine Regung von Mr. Avens. Dieser ließ seinen Blick ruhig über die Menge schweifen, bis er an Steves und meiner Schreibtischkonstellation hängen blieb. Von Steves leeren Platz schweifte sein Blick zu mir und das gerade in dem Moment als ich am Bildschirm vorbeilinste. Ich konnte noch sehen, wie seine Augen schmäler wurden, ehe er sich in Bewegung setzte und direkt in meine Richtung schritt.
Verdammt!
Hastig setzte ich mich wieder richtig hin, schnappte mir einen Bleistift und kritzelte auf meinem Entwurf weiter. Wenn Mr. Avens zu mir wollte, konnte das nur folgendes bedeuten:
Möglichkeit 1: Ich war gefeuert. Weshalb auch immer.
Möglichkeit 2: Ich bekam noch mehr Arbeit aufgedrückt. Obwohl er die normalerweise nicht persönlich verteilte.
Ich hatte nicht unbedingt eine bevorzugte Option in dieser Auswahl.
Aus dem Augenwinkel konnte ich die schicke und vermutlich teure Anzughose erkennen, die neben mir stehen geblieben war. Leichtgläubig, wie ich war, zeichnete ich einfach weiter und hoffte, dass, wenn er sah, wie beschäftigt ich war, ich weder Möglichkeit 1 noch 2 durchleben musste.
Nach weiteren ewig langen Sekunden, räusperte mein Chef sich. Er steckte lässig seine Hände in die Hosentasche und wartete scheinbar darauf, dass ich mich ihm zuwandte. Ich wusste ganz genau, auch wenn seine Körperhaltung locker und entspannt wirkte, bohrte sich sein kühler Blick in meinen Hinterkopf.
Mittlerweile zeichnete ich den ein- und denselben Strich zum fünfzigsten Mal – der Strich war schon viel zu dunkel und dick, als dass ich den Entwurf noch verwenden konnte –, bis ich meinen Namen aus seinem Mund hörte.
„Ms. Campbell!", kam es grollend von ihm und ich hätte schwören können, dass es gleichzeitig draußen donnerte.
Tiefdurchatmend legte ich meinen Stift weg, biss mir auf die Unterlippe und guckte dann entschuldigend zu ihm auf.
„Ja, Sir?"
Seinen Blick konnte ich nicht deuten, aber seine blau-grauen Augen strahlten etwas aus, das mir leicht den Magen umdrehte. Mit dem Kopf nickte er in Richtung des Gangs.
„In mein Büro. Jetzt."
Und irgendwo in der Hölle strich der Teufel in diesem Augenblick mit einem Kichern meinen Namen von seiner To-Do-Liste. Denn er hatte mir erfolgreich den Tag versaut.
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Until Five
Chick-LitEine Grafikerin in einer erfolgreichen Werbeagentur zu sein, hat so seine Tücken. Stress steht an der Tagesordnung und viel Zeit für Freizeit bleibt hierbei leider nicht, aber das ist Chloe egal! Sie liebt ihren Job über alles, obwohl sie das vor la...