Ich war wie erstarrt.
Hatte Ms. Avens das gerade wirklich gesagt oder träumte ich nur einen schrecklichen Albtraum?
Ihre dunklen Augen gruben sich tief in mich hinein, als ich sie nur schlicht und weg anstarrte. Meine Hände krallten sich in meine Hose und für einen Moment musste ich mich wieder erinnern, wie man atmete.
Schließlich schaffte ich es den Kloß runterzuschlucken. „Sie...feuern mich? Aber wieso?"
Als wäre ich nur ein Kind, das gerügt werden sollte, schüttelte sie ihren Kopf. Ihre Finger falteten sich auf dem Tisch zusammen, während sie mir erklärte: „Seien Sie nicht albern, Ms. Campbell. Nach dem, wie sie unsere Agentur vor einer Blamage bewahren konnten, kann ich Sie zum jetzigen Zeitpunkt bestimmt nicht entlassen. Was würde das für ein Licht auf die Agentur werfen? "
Irritiert von ihren Worten blickte ich zurück zu meinen Händen, in denen noch immer meine Kündigung zitterte. Bis jetzt hatte ich mich nur bis zur Dokumentunterschrift getraut und wollte viel lieber von Jespers Mutter selbst erfahren, was sie dazu geleitet hatte.
Nach elendig langen Sekunden ließ Ms. Avens die eigentliche Bombe platzen.
„Ich möchte, dass Sie von sich aus kündigen."
„Was?"
„Ms. Campbell, ich gehe davon aus, dass sie mich durchaus verstanden haben. Aber lassen Sie es mich ausformulieren", meinte sie fast schon gelangweilt und stand von ihrem Bürostuhl auf. „Ich habe Ihnen und meinem Sohn schon mehrere Male mit Konsequenzen gedroht. Doch da Sie mich scheinbar nicht ernst genug nehmen, werde ich die Situation nun in die Hand nehmen."
Verständnislos schaute ich zu ihr auf. „Und Sie denken, mich zu einer Kündigung zu drängen, ist die beste Option?"
Ms. Avens ging um den Schreibtisch und auf mich zu und blieb dann neben mir stehen. Fast schon lässig setzte sie sich auf die Tischkante und kreuzte ihre Beine an den Knöcheln. Ihr Gesicht beschrieb derweil eine übertriebene Ausdruckslosigkeit, die mir in diesem Augenblick leicht den Magen umdrehte.
„Ich möchte Sie zu gar nichts drängen. Auch wenn Sie es vermutlich nicht glauben werden, aber ich schätze Sie als Angestellte sehr, vor allem nach der Konzept-Präsentation gestern. Sie zu verlieren, würde einen mittelgroßen Verlust für das Projekt darstellen, weshalb ich Sie gerne vor eine Wahl stellen möchte."
Es war ein großes Lob von ihr, aber ich kam nicht umhin, dennoch die dunkle Absicht dahinter zu erkennen. Das Projekt war theoretisch bereits gelaufen, aber falls wir den Auftrag bekommen sollten, mussten wir wieder mit allen Mitteln zusammenarbeiten. Steve, Charly, Andrea, Nick, David, Jesper...ich wollte das Ganze nicht verlieren.
„Zwischen was kann ich wählen?"
Leise schlich sich ein schmales, süffisantes Lächeln auf ihre Lippen und ich hatte das Gefühl, das Blut gefror mir in den Adern. Ich versuchte mir die plötzliche Gänsehaut nicht anmerken zu lassen und erwiderte ihren Blick – hoffentlich – selbstbewusst. Ich stellte mir vor, wie Jesper jeden Tag seine kühle Maske aufsetzte, um vor allem vor seiner Mutter keine Schwäche zu zeigen, und realisierte erst jetzt, wie schwierig das in Wahrheit war.
„Möglichkeit Eins", begann sie und zählte es mit dem Zeigefinger. „Sie kündigen von sich aus und haben fortan keinen Kontakt mehr zu meinem Sohn. Ihre Wege trennen sich und Ihnen werden keine weiteren Probleme gemacht."
Ms. Avens machte eine Pause und schaute mich eindringlich an. Sie schien darauf zu warten, dass ich meine Einwände auf den Tisch legte. Doch das gönnte ich ihr bestimmt nicht.
Als sie sah, dass ich keinen Mucks von mir geben würde, fuhr sie fort: „Möglichkeit Zwei besteht darin, dass Sie bleiben und Jesper dafür geht. Ich überlege schon seit einiger Zeit, ob ich einen zweiten Standort für Avens and Arts in Erwägung ziehen soll, um das Kundenumfeld zu vergrößern. Momentan habe ich Partner in Chicago, die mich dort bei der Umsetzung unterstützen würden und Jesper würde ich als kompetente Geschäftsleitung weiterempfehlen. Wie gesagt: Es obliegt Ihnen, wie Ihre nächste Zukunft ausschauen wird."
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Until Five
Chick-LitEine Grafikerin in einer erfolgreichen Werbeagentur zu sein, hat so seine Tücken. Stress steht an der Tagesordnung und viel Zeit für Freizeit bleibt hierbei leider nicht, aber das ist Chloe egal! Sie liebt ihren Job über alles, obwohl sie das vor la...