XLII. Die lange Nacht davor vs. der kurzer Morgen danach

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Am Ende des Tages war ich angenehm alkoholisiert. Jesper bestand darauf mich nachhause zu begleiten, als Charly sich dazu „bereiterklärt" hatte mit Andrea in ihre Wohnung zu gehen – diese Entscheidung war vermutlich freiwilliger als er es zugeben wollte.

Somit trennten sich unsere Wege schon vor der Bar. Jesper und ich riefen uns ein Taxi, während mein Bruder seine Freundin zu ihrem Wagen trug. Wir gesellten uns keine viertel Stunde später auf die Rückbank eines redseligen Fahrers, der wirklich freundlicher war als er im ersten Moment ausgesehen hatte, und verabschiedeten uns mit einem großzügigen Trinkgeld von ihm, nachdem wir vor meinem Wohnkomplex hielten.

Erst als ich dem Wagen nachsah, wurde mir eine Unklarheit bewusst: „Jesper! Wie kommst du denn jetzt nachhause?"

Er zuckte nur mit den Schultern, legte dann seine Arme um mich und drückte mich fest an sich. Automatisch erwiderte ich seine Umarmung.

„Ich dachte, vielleicht könnte ich noch eine Weile bei dir bleiben."

Schmunzelnd lehnte ich mich etwas zurück und begegnete seinem verschmitzten Blick. „So, so", machte ich und strich ihm mit einer Hand durch die Haare. „Das war also der Plan."

Immer noch schelmisch, küsste er mich sanft auf die Wange bis hin zu meinem Ohrläppchen.

„Ich weiß wirklich nicht von was du redest, meine Süße", wisperte er und ich konnte das Grinsen auf seinen Lippen hören.

Glücklich schloss ich meine Augen, als seine Hände weiter zu meinen Hüften wanderten und er sich eng an mich schmiegte. Wie von selbst strichen meine Finger durch sein Haar, zu seinen Wangen und zogen sein Gesicht zurück zu mir, ehe ich meine Nase und Stirn an seine lehnte.

Ich konnte in diesem Augenblick gar nicht beschreiben wie sehr ich seine Nähe genoss. Seine Berührungen, sein Duft...einfach alles an ihm wirkte wie eine Droge auf mich und ich konnte mich gar nicht mehr daran erinnern, wie es vor Monaten mit meinem distanzierten und kühlen Chef und ohne diesen liebevollen Jesper vor mir gewesen war.

Wollte ich auch gar nicht.

Zögerlich zwang ich mich dazu, mich von ihm zu lösen und nahm seine linke Hand fest in meine. „Lass uns reingehen."

Jesper weigerte sich natürlich nicht und ließ sich wortlos von mir in meine Wohnung ziehen. An der Wohnungstür spürte ich jedoch seinen Blick sich tief in meinen Hinterkopf bohren, was mich nervös machte. Meine Handkoordination war sowieso bereits durch den Alkohol etwas geschwächt, was aber zusätzlich mich Jesper nur in endlose Versuche, meinen Schlüssel in das Türschloss zu stecken, endete.

Ich hörte ihn hinter mir unterdrückt lachen, als sich plötzlich seine Arme um meine Taille schlangen. Die Hände verschränkte er vor meinem Bauch und das Kinn legte er entspannt auf meiner Schulter ab.

„Soll ich helfen?", brummte er direkt neben meinem Ohr.

„Ich schaff' das schon!", entgegnete ich und im nächsten Moment traf der Schlüssel auch das Schloss und ich konnte die Tür aufsperren. Applaus, Applaus!

Noch bevor ich sie ganz öffnen konnte, verstärkte sich Jespers Griff um mich und er hob mich hoch. Überrascht quiekte ich auf, lachte aber haltlos. So, mit mir fest an seine Brust geschnallt, betrat er die Wohnung und kickte leicht die Eingangstür mit dem Fuß zu.

Immer noch in der Luft hängend, schlüpfte ich aus meinen hohen Schuhen und ließ sie unbeachtet auf den Boden poltern. Anschließend stellte Jesper mich wieder ab.

„Und jetzt?", fragte ich aufmerksam und umfasste mit meinen Fingern den Knoten seiner Krawatte. Jesper schien es sichtlich zu genießen, nun einen knappen Kopf größer als ich zu sein und beugte sich demonstrativ zu mir hinunter. Sein Kuss auf meinen Lippen dauerte nur eine Sekunde und war so zart, dass ich für einen Moment glaubte, wir hätten uns nicht berührt.

Until FiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt