XVIII. Hosen, Kleider und die Frage nach "schick" ✔️

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Ich war hundemüde als ich den Kopf auf meine verschränkten Arme legte und vorübergehend die Augen schloss. Mittlerweile konnte nicht einmal mein Make-Up mehr die dunklen Ringe verdecken – beziehungsweise könnte schon, aber ich wollte bestimmt nicht wie zugekleistert aussehen.

Aufträge um Aufträge hatten sich auf meinem Schreibtisch gestapelt und obwohl ich relativ viele bereits beendet hatte, wurde die Arbeit gefühlsmäßig immer mehr. Auch das letzte Meeting für das Projekt der Gründerjahrsfeier brachte einige Wendungen mit sich; irgendwie war ich nicht sehr überrascht als sich Nick als Wilson-Ersatz herausstellte und nun die Buchhaltung für uns übernahm. Jedoch stellte er sich als langjähriger Freund von Mr. Avens heraus, was mich dann doch aufhorchen ließ. Gleichzeitig musste ich bei dem Gedanken schmunzeln, denn ich konnte mir, aus welchem Grund auch immer, die beiden so gut im College vorstellen, wo sie wahrscheinlich durch dick und dünn gegangen waren.

Für meinen Teil war nun die Ausarbeitung der anderen Bereiche, wie die Produktion eines Teasers, Verteilung der Außenwerbemittel und Beschaffung der Bildrechte, nicht mehr mein Problem. Da wir erfolgreich unser Gestaltungskonzept abgeben konnten, wurde das Projekt nicht mehr so arg unter Verschluss gehalten und mehrere ausgewählte Personen arbeiteten nun zusätzlich mit uns. Alles in allem war die Lage entspannter als sie vor zwei Wochen noch ausgesehen hatte. Wohingegen Mr. Avens – als Projektleiter versteht sich – keine Pause haben würde.

Dennoch hatte er Zeit mit mir heute essen zu gehen.

Inzwischen versuchte ich nicht mehr an meinen Ruf in der Agentur zu denken, sondern freute mich fast schon ehrlich auf unsere Verabredung. Ich versprach mir selbst, dass ich mich nur diesen einen Abend darauf einließ, einfach weil Mr. Avens sich bedanken wollte. Mehr war sowieso nicht dahinter.

Zumindest war es das, was ich mir einredete.

Und natürlich: Wenn man vom Teufel sprach, vibrierte in dieser Sekunde mein Smartphone.

»Halb acht bei Ihrer Wohnung?«

Seufzend setzte ich mich auf, schrieb ihm zurück, dass es passte und sperrte wieder meinen Bildschirm. Ich musste bis fünf arbeiten. Bis ich Zuhause war und mich umgezogen hatte, müsste es sich gut mit seinem vorgeschlagenen Zeitpunkt ausgehen.

Gestern meinte er unterschwellig, ich sollte mir etwas Schickes anziehen. Es war schon einige Zeit her, dass ich mich in einer Verabredung wiedergefunden hatte, dementsprechend musste ich erst ein Kleid oder eine elegante Hose in meinem Kleiderschrank suchen. Aber irgendwas würde ich schon finden.

Im gleichen Moment riss mich Steve aus meinen Gedanken, indem er ruckartig von seinem Stuhl aufstand. Er hatte sein Smartphone fest in der Hand, sodass ich Sorge hatte, er würde es zwischen seinen Fingern zerbrechen. Hastig räumte er seinen Tisch auf, wobei ihm die kleine Tasche mit Copic Markern auf den Boden fiel und sich die Stifte zu unseren Füßen verteilten.

Rasch stand ich auf und ging um den Tisch herum. Ich bückte mich zu Steve runter, der leise vor sich hin fluchte und half ihm die Marker wieder einzusammeln.

„Was ist los, Steve?", wollte ich dann besorgt wissen. Er schüttelte lediglich den Kopf, packte das Wichtigste in seinen Rucksack und schulterte ihn. Sein Blick war gehetzt und scheinbar war ich der Grund, warum er noch hier stand und nicht bereits losgerannt war.

„Ich- Ich...", stotterte er und fuhr sich stressig übers Gesicht, ehe er nur ein halb-ehrliches Lächeln aufsetzte. „Carly, sie- Es ist alles okay, nur ein kleines...Problem. Aber ich muss jetzt los und erklär dir alles am Montag."

Doch ehe ich Antworten oder meine Hilfe anbieten konnte, eilte Steve zu den Aufzügen.

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Until FiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt