XXVI. Distanzierte Annäherungsversuche ✔️

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Als ich zurück an meinem Schreibtisch trat, warf ich als erstes die leere M&Ms-Tüte weg, die noch immer in meiner Hosentasche war. Nach dem Gespräch mit Nick würde ich nun meinen ersten Versuch starten, Mr. Avens wieder für mich zu gewinnen – so formuliert, klang das schon sehr zweideutig.

Jedenfalls musste man einfach sagen, dass mit Nick zu reden, eines der besten Dinge war, die ich vermutlich hätte tun können. Ich hatte das Gefühl, Mr. Avens jetzt etwas besser zu kennen und verstand auch, dass alleine mit ihm zu sprechen niemals reichen würde.

Das Protokoll vom heutigen Meeting hatte ich ihm zwar geschickt, wusste jedoch, dass er es normalerweise erst morgen ausdrucken würde. In der Früh waren die Kopierräume nicht so voll, was er für sich nutzte, um nicht unnötig warten zu müssen.

So gut kannte ich ihn dann doch.

Somit suchte ich auf meinem Standcomputer nach der Datei und schickte sie zum Drucker. Ich rannte anschließend fast zum Kopierraum – im Bürotrakt direkt neben meinem bemerkte ich im Vorbeigehen, wie die letzten Kollegen ihre Sachen zusammenpackten –, während meine Absätze im Gang widerhallten. Natürlich war ich um einiges schneller als der Drucker, weshalb ich nun ungeduldig vor dem klotzartigen Gerät stand und die gedruckten Blätter in die Hand nahm.

Alles eingesammelt, eilte ich zurück an meinen Tisch. Kurz war ich beinahe über meine eigenen Füße gestolpert, hatte mich aber gerade noch abfangen können.

Für Unfälle hatte ich im Moment absolut keine Zeit!

Ich heftete den dünnen Stapel zusammen, ehe ich nach meinem Post-it-Block suchte. Irgendwo unter dem Chaos meiner Entwürfe und Aufträge war er versteckt und schlussendlich fand ich ihn am Boden mit ein paar Bleistiften zusammen.

Hastig griff ich nach ihm und klebten eines der pinken Post-its auf die vorderste Seite des Protokolls.

Wenn er nicht direkt mit mir reden wollte, würde ich eine Post-it-Konversation anfangen. Nick hatte nämlich recht: Wenn Mr. Avens viel mehr an sich selbst haderte als an mir, musste ich ihm auf eine Weise, die er nicht einfach blockieren konnte, zeigen, dass wir die Ereignisse in der Vergangenheit lassen sollten.

Vielleicht würde er wenigstens auf die eingehen; einen Zettel konnte er bestimmt nicht so ignorieren, wie er wahrscheinlich auch meine Nummer blockiert hatte. Zumindest kamen meine Nachrichten nie bei ihm an, was mich das automatisch vermuten ließ.

Mit dem Kugelschreiben setzte ich auf dem Papier an und obwohl ich derart überzeugt von meiner Idee und meinem Handeln war, hatte ich keine Ahnung, was ich eigentlich schreiben wollte.

Es war dermaßen viel, was ich ihm mitteilen wollte, doch dann wieder gar nichts. Ich wollte lediglich wieder einen positiven und motivierten Chef in der Grafik-Abteilung sehen, der mit absoluter Passion bei der Arbeit ist, zwar sehr viel Kritik ausübt und dennoch den weichsten Kern besitzt, den ich an einem Mann jemals erlebt hatte.

Schließlich bewegten sich meine Finger wie von selbst und die Spitze des Stifts fuhr gleichmäßig über das Post-it, während ich unbewusst das Einzige schrieb, das ich mir am meisten im Moment wünschte.

»Bitte lächeln!«

Über die Formulierung musste ich selbst leise lachen. Wie wenn ich versuchen würde ein Bild von ihm zu machen, genau in dem Augenblick, als seine kühle Schale wieder wegschmolz und das niedliche Grübchen auf der rechten Wange erscheinen würde.

Quasi ein Standbild von unserer Versöhnung.

Stumm schmunzelnd legte ich den Kugelschreiber auf dem Schreibtisch am und machte mich mit meiner Botschaft in der Hand auf den Weg. Fast schon unbekümmert spazierte ich zu seinem Büro. Ich erwartete nicht, dass mein Plan wirklich funktionierte, doch die Hoffnung bestand, dass er wenigstens merkte, wie sehr ich ihn und seine fröhliche Seite zurück wollte.

Until FiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt