Meine Absätze hallten im leeren Trakt der Grafik-Abteilung an den Wänden wider, als ich mit den Händen ringend in Richtung Mr. Avens Büro ging.
Es war Freitag, bereits halb zehn Uhr abends und ich hatte ihm noch immer nicht die versprochenen Entwürfe gebracht. Zum einen hatte ich neben meiner normalen Arbeit so lange gebraucht neue Ansätze und Ideen für die Gestaltung der Gründerjahrsfeier zu finden, und zum anderen hatte ich ein klitzekleines bisschen Bammel vor seiner Reaktion. Das war auch der Grund, warum ich ihm heute aus dem Weg gegangen war.
Das letzte Mal als ich so nervös wegen etwas war, war, wie ich das erste Mal vom Zehnmeterbrett springen musst.
Ich konnte mich aber noch gut daran erinnern, wie es war danach prustend wieder aufzutauchen und jubelnd gleich noch einmal zu springen.
Leicht lächelte ich und schöpfte daraus etwas Mut, ehe ich – die Entwürfe fest in der Hand – an der Tür meines Chefs klopfte. Ich wusste, dass er noch da war und hörte folglich ein gedämpftes „Herein".
Als ich den Raum betrat und die Tür hinter mir ins Schloss fiel, entdeckte ich ihn auf seinem Bürostuhl. Müde rieb er seine Augen, das Hemd war etwas weiter aufgeknüpft und die Haare standen ihm so wild vom Kopf, wie damals an dem Tag vor Weihnachten.
Meine Nervosität war in dem Augenblick verflogen wie ich sah, wie fertig und erschöpft er wirkte.
Seufzend erkannte er mich vor seinem Schreibtisch und klappte den Laptop vor sich zu. „Was tun Sie um diese Uhrzeit noch hier?"
„Es ist Freitag. Ich bringe Ihnen meine Entwürfe für das Projekt", erklärte ich schlicht und lächelte schmal, bevor ich den Stapel Papier auf den Tisch legte.
Eine Prise Freundlichkeit konnte nie schaden!
Doch dann brach er plötzlich in schallendes Gelächter aus. Ich war so überrascht, dass ich dabei zusammenzuckte und ihn verunsichert musterte. Mr. Avens lehnte sich weiter in seinem Stuhl zurück, während er seine Haare raufte und sich dann in sie verkrallte.
„Das ist nicht Ihr Ernst, oder?", hackte er nach. Auf seinem Gesicht saß immer noch dieses Lachen, das alles andere als positiv war. So falsch und gestellt, dass ich davon eine leichte Gänsehaut bekam.
„Nein, Sir?" Es klang wie eine Frage, eine verdammte Frage! Ich versteckte meine Unsicherheit im Hand umdrehen und stellte mich, die Beine ein Stück breiter, ein bisschen stabiler hin.
Für einige Sekunden schloss er die Augen, ehe er kopfschüttelnd meine Entwürfe in die Hände nahm und sie prüfend durchging.
Ja, ich wusste, dass ich früher hätte kommen sollen, hätte ihm die neuen Konzeptideen am besten schon am Morgen selbstbewusst auf seinen Bürotisch knallen sollen! Aber ich war eben ein Feigling und hatte es hinausgezögert.
Nach Mr. Avens letzter Reaktion auf meine Entwürfe, wusste ich nicht wirklich, ob die Neuen trotz Berücksichtigung des Memos der Stadtverwaltung, besser passten. Trotzdem stand ich hinter meiner Arbeit.
Die Frage war lediglich: Tat das mein Chef genauso.
Das konnte ich nur herausfinden, wenn ich ins kalte Wasser sprang.
„Sie sind gut, Ms. Campbell. Besser als das letzte Mal", hörte ich ihn sagen.
Ungläubig schaute ich zu ihm. Kurz breitete sich freudige Erleichterung in mir aus. Jedoch zeigte sich in seiner Haltung nichts, was einem „Mitfreuen" gleichkam. Viel mehr starrte er mich hart an.
Dann legte er meine Entwürfe neben sich auf dem Tisch ab und öffnete seinen Laptop.
„Aber wir können Ihre Ideen nicht mehr nehmen."
Er drehte seinen Bildschirm zu mir und zeigte mir ein fertiges Logo-Design. Zugegeben, es sah um einiges besser aus als viele meiner. Ich wusste sofort was er mit der Farbgebung, der Komposition und Form ausdrücken wollte und alles in allem war es eigentlich perfekt für unser Projekt.
Mr. Avens stieß leise Luft aus und guckte mich kühl, aber entschuldigend an.
„Ich hatte nicht wirklich erwartet, dass Sie noch Ihre Ausarbeitung bringen. Nachdem ich den ganzen Tag versucht hatte, Sie für eine Besprechung zu erwischen und da unser nächstes Meeting morgen ist, war ich so frei und habe des Logo selbst in die Hand genommen. Ich habe es außerdem schon an die anderen im Team per Mail geschickt. Tut mir sehr leid, aber wir können es jetzt nicht mehr ändern."
Autsch, der hatte gesessen. Natürlich war es meine Schuld. Aber seine angebliche Entschuldigung stachelte mich schon etwas an.
„Sie haben einfach über meinen Kopf hinweg entschieden, dass wir Ihres nehmen?", wiederholte ich die grundsätzliche Tatsache und er nickte.
Wenigstens hatten die anderen Team-Mitglieder ein Veto-Recht. Mann, vor allem ich hatte dieses Veto-Recht! Er hätte mich jederzeit fragen können..., wenn ich nicht ständig vor Konflikten flüchten würde.
Finster entfernte ich mich einen Schritt von seinem Tisch. „Aber ich dachte wir sind Partner", versuchte ich das Ganze in ein anderes Licht zu rücken. Er hätte zumindest jemanden wissen lassen können, dass er mich suchte.
„Dachte ich auch."
Das hatte nun doppelt gesessen.
Mein Pokerface zerbröselte langsam aber sicher und ich merkte wie sich das Blatt dramatisch zu wenden begann. Mr. Avens schaute mich unterdessen noch immer emotionslos an, fast schon gelangweilt wirkte er. Was war denn nur mit diesem Typen los? Ja, man konnte mir eine große Menge an Mist zuschreiben, die uns in diese Situation gebracht hatte. Dennoch fand ich nicht, dass er nun so herzlos über mich hinweg entscheiden durfte.
Der 24. Dezember war tatsächlich nur eine Einbildung meinerseits gewesen.
Schluckend versuchte ich meine Contenance zu bewahren. In meinem Kopf kreisten die Gedanken. Vorwürfe an ihn, aber vor allem an mich bauten aufeinander auf und brachten mich in einen Teufelskreis, der stets mich als Ausgangspunkts dieses Dilemmas fokussierte.
In mir brodelte es regelrecht und bevor ich anfangen würde zu weinen, nahm ich mir die Freiheit und ging um Mr. Avens Schreibtisch herum bis ich neben ihm stand. Angekommen sammelte ich meine Entwürfe ein, an denen ich hart gearbeitet hatte, zog unter der Tischplatte den Papierkorb hervor und warf die Zettel hinein. Ich beachtete dabei seine Reaktion nicht.
„Wir sehen uns beim Meeting, Sir", verabschiedete ich mich und sauste hinaus.
Heute war ich wieder vom Zehnmeterbrett gesprungen und aufgekommen wie ein Ei auf dem Boden.
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Until Five
Romanzi rosa / ChickLitEine Grafikerin in einer erfolgreichen Werbeagentur zu sein, hat so seine Tücken. Stress steht an der Tagesordnung und viel Zeit für Freizeit bleibt hierbei leider nicht, aber das ist Chloe egal! Sie liebt ihren Job über alles, obwohl sie das vor la...