Ich war wieder bei Level Null angelangt.
Das hieß soviel wie, dass Mr. Avens mir aus dem Weg ging. Bei den wöchentlichen Meetings für das Projekt schwiegen wir uns an und sonst sah ich ihn kaum im Büro. Wenn dann mal doch, blendete er mich komplett aus, egal wie oft ich versuchte ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
So ging es schon seit fast drei Wochen.
Zudem berief er nun seit zwei Wochen ein Meeting – immer am Donnerstagnachmittag –, in dem nur das Grafik-Team das Gestaltungssujet nochmals besprachen und Verbesserungen vorschlugen.
Ich vermutete mal, ich musste nicht erwähnten, dass meine Anmerkungen stetig überhört wurden.
Und so saß ich wieder stumm in meinem Stuhl, an einem Donnerstag um knapp drei Uhr nachmittags im Seminarraum 4.10, und hörte mir passiv das Meeting an. Theoretisch müsste ich eigentlich nicht mal hier sein, wenn mir eh niemand zuhörte; ich hatte einen Haufen Arbeitsaufträge auf meinem Schreibtisch liegen, die sehnlichst auf mich warteten. Dennoch war ich ein Teil der Gruppe und werde das Projekt sicher nicht vernachlässigen.
Zumindest schrieb ich das Protokoll für die Meetings und hatte irgendeine „wichtige" Aufgabe.
Leise seufzend trank ich einen Schluck von meinem Latte Macchiato und schielte, hinter meinem Becher versteckt, zu Mr. Avens. Ich saß nicht mehr wie gewohnt neben ihm, was nicht einmal eine Absicht war – es hatte sich einfach so ergeben. Doch selbst von meinem neuen Platz, drei Stühle weiter, sah ich wie müde mein Chef wirkte.
Äußerlich schien er ganz der Alte zu sein, mit der kühlen Fassade, dem gepflegten Aussehen und der strikten Arbeitshaltung, aber manchmal kam es mir vor, als hätte seine Haut seit unserem Zwischenfall nicht wirklich seine gesunde Farbe wiedererlangt. Zusätzlich hatte ich ihn alleine beim heutigen Meeting zwei Mal dabei erwischt, wie er seinen Kiefer ungewöhnlich anspannte, um das Gähnen zu unterdrücken.
Resigniert pulte ich an meinem türkisenen Nagellack herum. Wenigstens hatte das Projekt noch eine gute Seite dazu gewonnen.
„Sollen wir vielleicht die Farbe des Fließtexts auf der Homepage ein wenig erhellen?", fragte neben mir Steve unseren Chef und sah ihn aufmerksam an.
Nachdem sich zuhause wieder alles geregelt hatte, war mein bester Freund zurück zur Arbeit gekommen und wurde prompt in unser Grafik-Team für das Projekt aufgenommen. Seiner Frau ging es mittlerweile wieder besser, dennoch schaute Steve, dass er so früh wie möglich Schluss machte, um nachhause zu kommen. Mit ihm waren wir nun ein Gespann aus fünf Grafikern, die sich dem Gestaltungssujet widmeten, und ich musste sagen, dass es die Arbeit für das Projekt um einiges erleichterte.
„Auf diesen Punkt wollte ich noch kommen, danke, Mr. Carter", lobte Mr. Avens ihn und drehte seinen Bildschirm zu uns, wo der erste digitale Entwurf für besagte Homepage prangte. „Der Kontrast zwischen der Schrift und dem Hintergrund ist zu hoch, verfeinern Sie das, bitte. Zusätzlich müssen wir eine neue Font für die Headline finden. Am besten eine, die in Richtung der Futura Font geht, aber doch verspielt wirkt und zu unserem Konzept passt."
Schließlich wandte er sich unseren anderen Kollegen auf der anderen Seite des Tischs zu und drehte seinen Laptop wieder zu sich. „Ms. Hernandez, Mr. Miller: Die Farbgebung der Werbemittel stimmt nicht mit dem Konzept überein. Sie müssen den Bezug dazu und auch die Farbsymbolik beachten, wenn Sie weiterarbeiten. Nächste Woche will ich von Ihnen neue Vorschläge und Ausarbeitungen sehen."
Anschließend blieb nur noch ich übrig und seine Augen schweiften zu mir. Ich tippte den Satz auf meinem Laptop fertig und konnte die Gänsehaut, die mir über die Arme lief, nicht verhindern, als ich seinen kühlen Blick erwiderte.
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Until Five
Chick-LitEine Grafikerin in einer erfolgreichen Werbeagentur zu sein, hat so seine Tücken. Stress steht an der Tagesordnung und viel Zeit für Freizeit bleibt hierbei leider nicht, aber das ist Chloe egal! Sie liebt ihren Job über alles, obwohl sie das vor la...