XIX. Perspektivenwechsel der Gefühle ✔️

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Jesper


Nervös tippte mein Finger auf dem Lenkrad.

Ich stand ganze fünfzehn Minuten zu früh vor Chloes Wohnkomplex und wartete in meinem Audi darauf, dass sie endlich durch den Haupteingang trat. Was sie wohl trug? Würde sie ihre schönen Locken offen über ihre Schultern fallen lassen? Oder wie des Öfteren im Büro zu einem hohen Zopf gebunden haben? Und hatte ihr Herz denselben schnellen, unregelmäßigen Rhythmus aufgenommen wie meines?

Letzteres vermutlich eher nicht.

Angespannt sah ich an mir herunter, checkte, ob mein Hemd nicht doch irgendwo einen Fleck versteckt hatte und erinnerte mich unwillkürlich an den Moment Zuhause zurück, in dem ich vorlauter Hibbeligkeit fünf Mal meine Krawatte falsch gebunden hatte. Schlussendlich hatte ich sie ganz weggelassen.

Rasch wischte ich meine Handflächen an meiner dunklen Jeans ab, versuchte so das Schweißgefühl etwas unter Kontrolle zu bekommen, während ich immer noch erwartungsvoll zum Eingang schaute.

Wie lange hatte ich auf diesen Moment gewartet? Ein dreiviertel Jahr? Länger?

Auch wenn es ihr noch nicht bewusst war, hatte sie mich schon viel zu lange um den Finger gewickelt. Natürlich ließ ich es mir nicht anmerken; ich war ihr Vorgesetzter und es würde weder für sie noch für mich – aber vor allem für sie – aus mehreren Gründen überhaupt nicht zu Gute kommen. Deshalb hatte ich meine Fassade des kühlen Abteilungschefs beibehalten, so wie meine Mutter als CEO es mir quasi beigebracht hatte.

Dennoch saß ich hier wie der größte verliebte Trottel im Auto, mit einem leichten Schluckauf vor lauter Nervosität und hatte meine wirklich wunderbare Angestellte zu einem Date überredet.

Im nächsten Moment öffnete sich die Tür des Komplexes. Sofort richtete ich mich etwas mehr auf und erkannte erst dann, dass ein älterer Herr herauskam und es sich somit nicht um Chloe handelte. Mist.

Trotzdem hielt ich es nicht länger im Auto aus und stieg aus. Die frische Luft beruhigte mich ein wenig. Gerade als ich mich an die geschlossene Fahrertür lehnte, meine Hand noch leicht zittrig durch die Haare fuhr, sah ich aus dem Augenwinkel wie die Eingangstür abermals aufging.

Und dieses Mal trat wirklich meine wunderschöne Chloe durch diese.

Sie konnte gar nicht wissen wie erleichtert das Lächeln in meinen Mundwinkeln brannte. Ich hatte schon, seit ich sie am Mittwoch nach diesem Essen gefragt hatte, furchtbare Angst, dass ich es mir Erstens, einfach nur eingebildet hätte und Zweitens, sie doch nicht kommen würde.

Aber hier kam sie nun auf mich zu; in voller Pracht und ließ meinen Blick nichts anderes als sie selbst fokussieren.

So wie ich es am liebsten an ihr sah, hatte sie ihre Haare offen gelassen. An ihre Schultern schmiegte sich neben einer Handtasche ein dunkelgrauer dünner Mantel, den ich schon im Büro gesehen hatte und darunter – noch halb versteckt – ein helles Kleid, welches ihr bis zu den Knien ging. Die schmalen Füße balancierten auf eleganten weißen Absätzen und ich verstand noch immer nicht, wie Frauen generell es Tage lang in diesen Schuhen aushielten.

Chloe war ein wahr gewordener Traum. Aber wahrscheinlich wäre sie das für mich auch in Jogginghose und übergroßem Shirt.

Ich sog jedes nur erdenkliche Detail in mich auf. Als Chloe in meiner Reichweite war, begrüßte ich sie mit einer für mich viel zu hohen Stimme, was sie nur leicht schmunzeln ließ. Peinlich berührt deutete ich ihr ins Auto zu steigen und folgte ihr dann räuspernd. Zurück hinter dem Lenkrad startete ich den Wagen und parkte aus der Parklücke aus.

Until FiveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt