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„Weist du eigentlich, wie sehr ich dich gerade hasse, TJ?", sagte Fuhn gefährlich ruhig. TJ hingegen lachte wissend.

„Wieso? Weil ich dich daran gehindert habe den Barkeeper flach zu legen?", sagte er grinsend. Er konnte seinen Chef durch den Rückspiegel ihres Wagens beobachten und musste innerlich lachen. Er sah gerade aus wie ein Kind, dem man den Lolli geklaut hatte - Arme verschränkt und trotzig aus dem verspiegelten Fenster schauend.

„Es war wichtig, Rezo. Mein Leben ist mir viel zu wertvoll um dich wegen belanglosen Dingen am Sex zu hindern.", sagte er sarkastisch. Besagter Mann richtete seine Augen nun ebenfalls zum Rückspiegel um TJ's Gesicht sehen zu können.

„Diiiigga, sooo schlimm bin ich nun auch wieder nicht.", sagte er lässig mit einem gekränkten Unterton.

Tj lachte nur kurz auf, sagte danach aber nichts mehr und konzentrierte sich auf die Fahrt. Rezo sah wieder aus dem Fenster, die Straßen waren noch immer hell erleuchtet und Menschen tummelten sich auf der Straße. Ganz normale Verhältnisse für Los Angeles, zumindest auf den beliebten Straßen. In den Hinterhöfen spielten sich ganz andere Geschichten ab, nicht zu vergessen in kleinen Clubs, wie dem, bei dem er zu Gast war. Die Lichter tanzten über die schwarze Lackierung des Autos und spiegelten sich in den Scheiben. Grün, Rot, Blau und Weiß, diese Stadt schien niemals zu schlafen.

„Was ist denn eigentlich genau passiert?", wollte Rezo nun endlich wissen.

„Anscheinend hat die Polizei einen unserer Umschlagplätze gefunden.". Da wurde Rezo stutzig.

„Wie denn das? Es wissen doch nur ausgewählte Leute wo der ist. Zumal alle vorbereitet sind und wissen, was sie tun müssen, wenn die Polizei sich dorthin verirren sollte.", meint er nachdenklich.

„Keine Ahnung, vielleicht hat einer geplappert.", sagte TJ.

„Kann ich mir nicht vorstellen. Jeder von denen hat eine Art Pfand hinterlegt, was ihr Leben im Zweifelsfall sofort zerstören kann, wenn jemand etwas erzählt."

„Ja, aber vielleicht war ja einer dabei, dem es trotzdem nicht passt, wie wir arbeiten.", argumentierte TJ wieder.

„Egal was der Grund ist, ich muss es herausfinden. Ich habe anscheinend eine Lücke im System.", grübelte der Blauhaarige.

Die Autofahrt verlief soweit ruhig. Keine plötzlichen Hinterhalte von rivalisierenden Gangs und keine unnötigen Polizeikontrollen. Als sie an ihrem Ziel ankamen, wurden sie bereits von weiteren Angestellten erwartet. Diese waren jedoch eher unscheinbar gekleidet, um die Tarnung aufrecht zu erhalten, doch jeder trug eine Waffe bei sich, falls es zu einem „Zwischenfall" kommen sollte. Das große Gebäude wirkte etwas klischeehaft, wie es da inmitten eines Industriegebietes stand, mit seinen dicken Betonmauern und spärlicher Beleuchtung, doch es war eine Art Zentrum für Rezo und seine Angestellten. Er bezeichnete sie mit Absicht nicht als Handlanger, das wäre sonst zu viel des Guten. Er verabschiedete sich von TJ und ging durch das marode Gebäude. Seine Handylampe diente ihm als Licht, andernfalls würde man zu viel Aufmerksamkeit erregen, das wussten auch seine Angestellten und reduzierten sich auf das Minimum. Geputzt wurde hier auch schon länger nicht mehr, überall lag Staub und hingen Spinnenweben, doch „richtige Männer störte sowas nicht".

In seinem Zimmer angekommen stöpselte er erstmal sein Handy an eines seiner Ladekabel und setzte sich daneben auf sein Bett - früher hielten Akkus noch wesentlich länger. Sein Blick glitt über die ganzen Pläne und Zeichnungen an der Whiteboard Tafel über seinem Bett, sie gehörten alle zu seinem Netzwerk - jeder Ort, jeder Kreis, jeder Strich auf diesen Zetteln zeige, wie ausgeprägt sein Netz war. Einfach war es nicht, sich das alles aufzubauen, doch wenn man etwas erreichen will, muss man es ordentlich machen.

Ihm war langweilig. Nach Entertainment suchend, scannte er sein Zimmer ab. Kleiderschrank – öde, blaue Wände – hübsch aber auch öde, Schreibtisch mit Plänen – keine Lust. Rezo griff erneut sein Handy und schaltete sich ziellos durch das Internet, da fiel ihm plötzlich wieder etwas ein. Gezielt suchte er bestimmte Seiten durch und fand bald sein Ziel.

Toni heißt er also, er hatte ihn bei Instagram gefunden.

Ja, der Barkeeper ging ihm nicht aus dem Kopf. Nicht, weil er es nicht geschafft hatte ihn für die Nacht zu gewinnen, so eingebildet war er nun auch wieder nicht, sondern weil er ihn neugierig gemacht hatte. Klar spielten seine optischen Reize eine Rolle, doch irgendetwas triggerte ihn noch. Neugierig scrollte er durch die Seite.

Soso, er war Musiker, aber doch bestimmt nicht hauptberuflich, Rezo hätte sonst bestimmt mal von ihm gehört. Er griff seine Kopfhörer, steckte sie an sein Handy und hörte sich an, was Toni sang. Was er hörte, gefiel ihm sehr, Toni hatte eine extrem gute Stimme, sie war gefühlvoll und doch stark. So ein bisschen kam Rezo nun in's Schwärmen, wie bei jedem Musiker, den er toll fand. Geistesgegenwärtig schnappte er seine, auf dem Boden liegende Gitarre, sog sich einen der Kopfhörer aus dem Ohr und begann eine Melodie zu spielen. Er liebte es, diese in bereits bestehende Songs einzuarbeiten und zu hören, mit wie vielen verschiedenen Klängen man doch ein Lied noch ergänzen oder untermauern konnte. Wenn sein Leben anders verlaufen wäre, dann würde er wahrscheinlich auch etwas in Richtung Musikbusiness machen, vielleicht seine eigenen Lieder schreiben und aufnehmen, oder andere dabei unterstützen gute Songs zu produzieren.

Die Zeit verging und Rezo merkte nicht, dass es bereits morgens war, zu vertieft war er in seiner Musik. Bloß gut, dass an seinen Wänden Schallisolierungen waren, sonst hätte man ihn in der ganzen Nachbarschaft gehört.


Katz und Maus - RezoniWo Geschichten leben. Entdecke jetzt