Kapitel 6

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~“A life spent making mistakes is not only more honorable, but more useful than a life spent doing nothing.” - George Bernard Shaw

Auf den ersten Blick war Louis nicht dort. Kein Wunder: Sie hatten sich noch nie direkt auf der Brücke getroffen, sondern darunter, am Wasser, wo sie ungestört waren. 

Mary hatte ein seltsames Déjà Vu Gefühl als sie den bekannten Weg hinunterstieg den sie damals so oft gegangen war - fast jeden Tag hatten sie sich hier getroffen und, um ehrlich zu sein, hatte sie die Brücke mehr vermisst als alles andere als sie fortgegangen war.

Louis war dort, saß am Rand und ließ seine Füße über dem Wasser baumeln, so weit oben dass er es nicht berührte und den Kopf gesenkt als würde er beten. Er trug noch immer die selben Klamotten wie am Vortag. Mary vermutete er hatte sie schon bemerkt, allerdings zeigte er keinerlei Anzeichen dafür. Erst als sie sich neben ihn gesetzt hatte, einen Meter Abstand zwischen ihnen, hob er den Kopf. Sein Mund war zu einer schmalen Linie verzogen, die sie nichts gutes hoffen ließ.

„Du bist spät dran.“
„Sorry.“ Mary starrte die gegenübergesetzte Seite der Brücke an, wo ein neues Graffiti aufgetaucht war dass sie noch nicht kannte. „Ich…ich hab geschlafen.“

„Aha.“ Louis klang so desinteressiert dass sie sich fragte warum er sie überhaupt herbestellt hatte.

„Ja.“ Sie räusperte sich. „Du wolltest reden?“
Vielleicht hatte ein Part von ihr wirklich gehofft er würde sich vertragen wollen - alleine schon wegen des gestrigen Gesprächs. Es konnte ihm nicht egal sein, das war sicher.
„Ich wollte dich nur darüber informieren dass du dich nicht zu interessieren brauchst.“, sagte er förmlich ohne sie anzusehen. „Weil es mit scheißegal ist was mit dir passiert.“
Mary war sprachlos. Von allen Sachen die er hätte sagen können war das das letzte was sie erwartet hatte. Das letzte, was sie hören wollte.
Sie schluckte und starrte auf die bräunliche Wasseroberfläche des vorbeiziehenden Flusses während sie fieberhaft über eine Antwort nachdachte. Normalerweise war sie ein Profi im Improvisieren - es war eines der Dinge die man zwangsläufig beherrschen musste, als Schauspielerin, aber dieses Mal fiel ihr nichts ein. Ihr Kopf war leer. Also blieb nur eins: Die Wahrheit sagen.
„Okay.“, murmelte sie. „Es ist mir egal ob du dich für mich interessierst oder nicht, aber ich werde mich immer für dein Leben interessieren.“
Sie rappelte sich auf und starrte auf ihn hinunter. Wieder zeigte er keine Anzeichen dafür, sie überhaupt gehört zu haben.
„Es tut mir leid.“, sagte sie, bevor sie ging. „Du warst…bist unglaublich wichtig für mich und es tut mir ehrlich Leid dass ich dich so sehr verletzt hab.“
Sie bat ihn nicht, ihr zu verzeihen.

Ihr Handy begann zu vibrieren als sie wieder oben war und für einen Moment überkam sie die Hoffnung es wäre Louis. Es war schwer, die Enttäuschung zurück zu halten als sie merkte dass es doch nur Liz war.

liz: mary bist du wach?

liz: louis ist weg

Mary hob eine Augenbraue, nicht sonderlich überrascht. Das wiederum war der Louis den sie kannte: Er brauchte Luft um nachzudenken, ihn in einer Wohnung einzusperren war da fatal.

mary: ja

mary: Ich hab ihn grad getroffen…

mary: Ihm geht’s gut

mary: Er kommt sicherlich bald nach Hause

Zum ersten Mal fragte Liz nicht, was passiert war. Und zum ersten Mal wünschte sich Mary sie würde.

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