Nur den einen

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Lan WangJi und Jin Ling saßen um den kleinen flachen Tisch. Während Jin Ling das Gemüse schnitt, bereitete Lan WangJi die Gewürze vor. Jin Ling beobachtete ihn mit einiger Skepsis.
„Macht ruhig ein Bisschen mehr Salz rein, HanGuang Jun, sonst schmeckt es so fad...!"
Lan WangJis gesenkte Augenlider ruhten auf der Porzellanschüssel, in der er Kräuter zerrieb. „Zu viel Salz ist ungesund..."
„Ich hatte befürchtet, dass Ihr das sagt... bei Euch isst man niemals scharf, oder?"
„Scharfes Essen führt zu Magenschmerzen und Durchfall."
Jin Ling sah ihn mürrisch an. „... und es gehört sich für Kultivisten des Lan Clan nicht, Durchfall zu haben, nicht wahr?"
Lan WangJi kräuselte die Nase über dieses unästhetische Gesprächsthema. „Schneide dein Gemüse."
Jin Ling gehorchte, doch er war neugierig. Er konnte es nicht lassen HanGuang Jun, der ihm plötzlich so interessant erschien, weiter Fragen zu stellen.
„Woher wusstet Ihr eigentlich, dass Ihr ein Ärmelabschneider seid, HanGuang Jun?", begann er. „Ich meine... seid Ihr eines Tages einfach so aufgewacht und dachtet plötzlich... 'Wei WuXian ist ziemlich attraktiv' ...oder habt Ihr es auch mal mit einem Mädchen versucht?"
Jin Ling bemerkte, dass die Frage ziemlich ungehörig klang, doch Lan WangJi blieb gelassen.
„Ich wusste es einfach", antwortete er. Die Würzmischung war fertig, also half er Jin Ling beim Karottenscheiden.
„...aber wenn Ihr nie etwas anderes ausprobiert habt, woher wollt Ihr wissen, ob es Euch nicht auch gefällt? Das Leben ist manchmal..." Jin Ling überlegte und suchte einen passenden Vergleich. „...wie Suppe!"
Lang WangJi hob verwirrt den Blick.
„Wisst Ihr, es gibt Suppen mit Algen, Tofu ... aber auch welche mit Fleisch und Curry! Wenn Ihr Euer Leben lang nur Algensuppe esst... Ihr wärt überrascht wie gut Currysuppe schmeckt!"
„Ich mag kein Fleisch. Ich muss es nicht probieren, um zu wissen, dass ich es nicht mag.", sagte Lan WangJi.
„Ihr seid seltsam, HanGuang Jun."
Lan WangJi ließ sich nicht von Jin Ling beirren. Er holte heißes Wasser, dann gaben sie alle Zutaten in eine Schüsseln und ließen es eine Weile ziehen. Als Jin Ling zum Bad lief stolperte er beinahe über einen Holzeimer.
„HanGuang Jun, bestimmt gibt es im Gusu Lan Clan auch eine Regel gegen das Herumstehenlassen von Dingen...!" Er hielt inne und betrachtete den dunkelvioletten Klumpen im Wasser. „Was ist das überhaupt? Sieht aus die der Fluch des Nian...!"
Lan WangJi kam zu ihm und betrachtete die eingeweichten Flecken seufzend. „Es ist hoffnungslos... ich werde es wohl anziehen müssen wie es ist..."
Da fiel Jin Ling wieder ein, dass er dieses Gewand aus der Schatzkammer mitgenommen hatte. Es war weiß, genau die richtige Farbe für Lan WangJi. Er wog ab, ob er seinen wertvollen Schatz wirklich weitergeben sollte, schließlich hatte er ihn für sich selbst gewollt, doch der Gedanke an Jiang Chengs Reaktion, wenn er erst erfahren würde, dass er ihn entwendet hatte, war groß, besonders im Anbetracht der von Jin Ling verpatzten Mission.
„HanGuang Jun", sagte er schließlich. „Ich denke ich kann Euch weiterhelfen. Zufällig habe ich Ersatzkleidung eingepackt."
Er holte das Gewand aus seinem Ärmel hervor und legte es in Lan WangJis Hände. Lan WangJi betastete die kostbare Perlenstickerei verwundert. Er breitete Oberteil und Rock in der Luft aus, seine Lippen öffneten sich einen Spalt weit und seine Augen schienen vor Begeisterung zu leuchten.
„Es ist sehr kostbar...", murmelte Lan WangJi. „Bist du sicher, dass ich es mir ausborgen darf...?"
„Ach, es würde mir ohnehin nicht stehen, ich... trage lieber Uniformen.", sagte Jin Ling, doch empfand einen gewissen Wehmut sich davon trennen zu müssen.
„Danke", murmelte Lan WangJi, zwischen den Fingern drehte er ein silbernes Diadem.
Ob das Schicksal es so will, dass ich am Tag meiner Rückkehr etwas so Wundervolles trage...? Es übertrifft alles, was ich besitze, und dieser Junge überlässt es mir einfach so...
Was wird Wei Ying sagen, wenn ich ihm so begegne...?
Jin Ling bemerkte, dass Lan WangJi sich davonträumte. Er ließ ihn am Fenster stehen und brachte die fertige Suppe zum Tisch. Lan WangJi verbarg das Gewand im Schrank und weckte Jiang Cheng. So aßen sie gemeinsam.

Jiang Chengs Genesung dauerte mit Lan WangJis und Jin Lings Hilfe nur eine Woche. Jeden Tag saßen sie an seinem Bett, versorgten ihn mit Medizin und stärkender Nahrung. Abends, wenn Jin Ling eingeschlafen war, behandelte Lan WangJi ihn mit spiritueller Energie. Diese Methode wollte Lan WangJi jedoch nicht in Jin Lings Anwesenheit anwenden. Sie erforderte ein hohes Maß Hingabe, das er nur aufbringen konnte, wenn er sich ohne Ablenkung auf Jiang Cheng konzentrieren konnte. Außerdem schwächte sie ihn und so war der beste Zeitpunkt dafür kurz bevor er sich schlafen legte.
Jiang Cheng genoss diese Momente, wenn er ganz allein mit Lan WangJi sein durfte. Die blaue Magie entspannte ihn mehr als alles andere und er empfand eine tiefe Verbundenheit mit Lan WangJi, während sie in ihn überfloss. Als Lan WangJi schließlich neben ihm einschlief, betrachtete er ihn, bis die unendliche Macht des Schlafes auch über ihn kam. Dann träumte er in klaren, lebendigen Bildern, von all den wundervollen Dingen, die Lan WangJi in ihm auslöste...

Sein Traum erschuf eine warme, sommerliche Welt. Der Lotus Pier war in helles, goldenes Licht getaucht. Rosafarbene Blüten bedeckten das Ufer der Steges. Dort saß eine weiß gekleidete Gestalt, den Kopf in den Nacken gelegt, die Augen geschlossen. Lan WangJi reckte den Kopf zur Sonne. Seine Füße bewegten sich langsam im türkiesen Wasser.
Jiang Cheng kam leise näher, in seinem Arm saß etwas, dessen braune Ohren sich aufmerksam nach dem Vogelgezwitscher drehten. Als Jiang Cheng neben ihm stand, hob Lan WangJi gemächlich die Augen. Jiang Cheng setzte sich neben ihn. Lan WangJis Blick fiel auf das Kaninchen in seinen Armen. Ein kaum merkliches Lächeln legte sich auf sein ruhiges Gesicht.
„Willst du es halten?", fragte Jiang Cheng und schon hatte Lan WangJi die Hände um den weichen Körper gelegt und es in seine Armen genommen. Er kraulte es sanft an den Ohren und sofort schmiegte es sich eng an ihn. „Es mag dich..."
„Wie heißt es?", fragte Lan WangJi und wog das Kaninchen hin und her.
„Such dir einen Namen aus.", sagte Jiang Cheng. „Es gehört dir."
„...gehört mir?", wiederholte Lan WangJi.
„Ich habe noch etwas gutzumachen...", erwiderte Jiang Cheng, bei der Erinnerung senkte sich sein Kopf. Er betrachtete die Stelle, wo sich seine Hände festhielten. Genau hier war Lan WangJis weißes Kaninchen durch sein Schwert gestorben. Wenn man genau hinsah, konnte man noch Blutspuren erkennen, mittlerweile tief ins Holz eingezogen.
„Leidian...(=Blitz)", sagte Lan WangJi. „Ich nenne es Leidian..."
Da legte sich seine Hand auf Jiang Chengs, sein Zeigefinger fuhr an Zidian auf und ab und Jiang Cheng verstand ihn ohne Worte. „D-Du... benennst ihn nach mir...?", brachte er hervor, seine Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich werde mich gut um ihn kümmern...", murmelte Lan WangJi und lehnte den Kopf an Jiang Chengs Schulter, während seine Hand sich inniger mit Jiang Chengs verflocht. Im Spiegel von Lan WangJis Augen schimmerten die Reflexionen der Wellen. Seine Lippen hatten die gleiche Farbe wie der Lotus und als Jiang Cheng sich zu ihm beugte, öffneten sie sich.

Während er Lan WangJi im Traum küsste, schlang sein wirklicher Körper die Arme um ihn, und als sie am nächsten Morgen aufwachten, hatte sich alles miteinander vermischt. Ihre Haare, ihre Gewänder, ihre Gliedmaßen...
Jin Ling, der früher zu Bett gegangen und daher früher wach war, stand vor ihrem Bett und betrachtete die Szene Kopfschüttelnd.
Was machen sie da? Ist HanGuang Jun nicht mit Wei WuXian verlobt...? Ich verstehe das alles nicht!
Ein wenig erbost beschloss er, einen spontanen Hustenanfall zu bekommen, der Jiang Cheng und Lan WangJi aus dem Schlaf schreckte. Müde rieben sie sich die Augen und setzten sich allmählich auf. Beide schienen irritiert über die Nähe, die sich während des Schlafens zwischen ihnen gebildet hatte, und wichen ein wenig auseinander, doch nicht weit genug, um sich wirklich voneinander entfernen zu wollen. Jiang Cheng warf einen verärgerten Blick zu seinem Neffen.
„Meine Güte, Jin Ling! Kannst du nicht rausgehen, wenn du husten musst?!"
„Tut mir leid, Onkel, es kam so plötzlich über mich...!", log Jin Ling. „Ich glaube ich habe mir eine Erkältung eingefangen."
Lan WangJi stand aus dem Bett auf und sagte „Ich mache dir einen Tee."
Jin Ling nutzte die Gelegenheit sich für einen Moment an Jiang Chengs Bett zu setzten.
„Onkel, was machst du da eigentlich?!", flüsterte er. „Du weißt doch, dass er Wei WuXian liebt! Was meinst du was Wei WuXian sagen wird, wenn er herausbekommt, dass du und HanGuang Jun-!"
„Es ist nichts passiert!", raunte Jiang Cheng und griff nach seiner Wasserschüssel. „Wieso belästigst du mich mit so etwas, wenn ich noch nicht einmal wach bin...?!"
„Nichts passiert?!", wiederholte Jin Ling. „Meinst du ich merke nicht, wie ihr euch anseht?! Bisher dachte ich HanGuang Jun sei immun gegen dich, aber scheinbar hast du ihn mit deiner Mitleidsnummer um den Finger gewickelt...!"
„Mitleidsnummer?!" Jiang Cheng packte Jin Ling am Kragen. „Ich war über eine Woche krank, unfähig aufzustehen, unfähig überhaupt irgendetwas allein zu erledigen! Ich habe das nicht gemacht, weil ich ihn um den Finger wickeln wollte! Ich war auf ihn angewiesen, genau wie er auf mich! Wer hatte denn den Auftrag HanGuang Jun vor dem Fluch zu retten...?"
„Du bist so unfair!" Jin Ling riss sich los. „Ich wusste, dass du mir diese Sache mein Leben lang unter die Nase reiben würdest!"
Lan WangJi kehrte mit dem Tee zurück. Mit beiden Händen reichte er ihn Jin Ling, der so außer Atem war, dass Lan WangJis ausgeglichene Gestalt nicht konträrer hätte erscheinen können.
Er bemerkte, wie sich sein Puls allmählich wieder beruhigte. Er nahm den Tee und ließ sich mit finsterem Blick am Tisch nieder, während Lan WangJi sich aufs Bett niederließ.
„Wie fühlst du dich?"
Jiang Cheng wusste, dass seine Antwort darüber entschied, ob sie heute das Gasthaus verließen und sich auf den Rückweg nach Gusu machten, oder ob sie noch ein paar Tage blieben.
Jiang Cheng wäre gern noch geblieben. Die vergangene Woche kam ihm wie ein wahrgewordener Traum vor. Nie hatte er so viel gemeinsame Zeit mit Lan WangJi verbringen dürfen. Wenn er in der Vergangenheit zu ihm gekommen war, dann höchstens für einen Tag, nie war er über Nacht geblieben und dazwischen hatten Wochen der Trennung gelegen.
Der Gedanke all das hinter sich lassen zu müssen, machte ihn melancholisch und doch wusste er, dass sie nicht ewig so weiterleben konnten...
„Es geht mir gut", sagte er schließlich. „Ich bin voller Energie! Vielleicht brauche ich gar keinen goldenen Kern, vielleicht bin ich auch so stark genug!" Er rollte den Ärmel nach oben und spannte spielerisch die Armmuskeln an. Das brachte Lan WangJi zum Lächeln.
„Du bist tapfer, Jiang Wanyin."
„Cheng...", sagte Jiang Cheng. „Sag Jiang Cheng, so wie neulich."
Lan WangJi wurde rot. Wann hatte er Jiang Cheng gesagt? Er erinnerte sich nicht. Es musste im Affekt geschehen sein...
Jiang Cheng betrachtete ihn sanftmütig. „Lass uns in einer Stunde aufbrechen. Ich kenne eine Abkürzung. Wir könnten in einer Woche in Gusu sein, wenn nicht wieder etwas dazwischen kommt..."
„In einer Woche?!" Lan WangJis Augen leuchteten. Das war schneller, als er es für möglich hielt. „Ist es sicher auf den unbekannten Wegen zu wandern...?"
„Hab' keine Angst, WangJi... Ich kenne diese Wege gut! Wei WuXian und ich haben sie früher ständig genommen...", sagte Jiang Cheng. Lan WangJis Vertrauen schien gesteigert, als der Name ‚Wei WuXian' fiel und so nickte er.
„Er muss dir sehr fehlen...", sagte Jiang Cheng, seine Stimme klang nun ein wenig traurig. Lan WangJi nickte schweigend, doch im gleichen Augenblick schob sich seine Hand in Jiang Chengs.
„Ich bin froh, dass du mich begleitest." Jiang Cheng hob die geröteten Augen.
Wäre ich nicht bescheuert... diese letzten... kostbaren Minuten mit dir wegzuwerfen? dachte Jiang Cheng.
Lan WangJi hingegen empfand wieder diesen unbestimmten Schmerz tief in seiner Brust, doch ein lautes Räuspern riss ihn aus seiner Gedankenwelt.
„HanGuang Jun, könnt Ihr mir noch etwas Geld geben? Ich würde gern etwas frühstücken bevor wir aufbrechen!"
Lan WangJi holte seinen Geldbeutel hervor und legte Jin Ling ein paar Goldmünzen in die Hand. „Kauf auch ein wenig Proviant für die Reise.", sagte er. Jin Ling nickte und verschwand nach draußen.

Dann machten sich Jiang Cheng und Lan WangJi abreisebereit.
Jiang Cheng stand seit Tagen zum ersten Mal aus dem Bett auf, doch sein Körper fühlte sich nicht so steif an wie erwartet.
Nachdem er sich ausreichend gestreckt und ein paar Liegestütze gemacht hatte, bemerkte er, dass er die Transplantation des goldenen Kerns gut überstanden hatte. Hoffnung erwachte in ihm. Womöglich wäre er tatsächlich in der Lage seinen Körper zu optimieren und so die Defizite des goldenen Kerns mit seinen Fäusten auszugleichen. Genauso wie sein Bruder würde er sich andere Bereiche suchen, in denen er meisterhaft werden konnte. Vielleicht musste er dafür kein Kultivist sein. Dennoch behielt er Zidian an seinem Ringfinger. Selbst wenn Zidian keine Funken mehr versprühte, wollte er das Andenken seiner Mutter bewahren.
Er machte das Bett und schlüpfte in seine Uniform, die mittlerweile ebenfalls von Lan WangJi gewaschen worden war. Es fühlte sich merkwürdig an den Waffengürtel anzulegen. Er zog Sandu aus der Schneide. Es wog schwer in seiner Hand, nicht wie ein Schwert, eher wie eine Axt. Er schwang es ein paar Mal durch die Luft, um zu sehen, ob er noch damit umgehen konnte. Die Bewegungen erforderten plötzlich eine große Anstrengung.
Es geht noch, ich kann Sandu benutzen, beruhigte er sich. Es fühlte, dass schwer werden würde das Schwert einen ganzen Kampf lang zu beherrschen, doch er wollte sich nicht entmutigen lassen. Vertieft in seine Schwertübung, bemerkte er das Eintreten von Lan WangJi nicht, doch als er ihn schließlich erblickte, fiel das Schwert aus seiner Hand. Er hielt den Atem an.
Der Anblick war mit Worten kaum zu beschreiben.
Langes offenes Haar fiel über Lan WangJis Schultern, an der Stirn mit einem dünnen silbernen Haarreif fixiert, der aus feingliedrigen Blättern bestand. Mit Perlen verzierte Stickereien schlängelten sich über das enganliegende Oberteil, das Teile seiner Haut hervorschimmern ließ und an seinem Handgelenk endete. Um seine schmale Taille begann ein weiter Rock, der bis zum Boden fiel.
Während er Lan WangJi mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, bebte Jiang Cheng am ganzen Körper. Er trat einige wenige Schritte auf Lan WangJi zu, dann sank er vor ihm auf die Knie.
Lan WangJis dunkle Mandelaugen senkten sich auf Jiang Chengs Zopf. „Was hast du...?"
Heiße Tränen brachen aus Jiang Chengs Augen. Ein unsäglicher Schmerz drückte ihm die Kehle zu. Die ganze Zeit hatte er ihn einigermaßen überspielen können, doch nun prasselte er wie Regenfluten auf ihn nieder.
„Wo hast du... das her?", brachte er hervor. „Diese Kleidung...! W-Wie kannst du sie besitzen...?!"
„Jin Ling hat mir dieses Gewand gegeben.", antworte Lan WangJi, ohne zu ahnen, was das bedeutete.
„Jin Ling?!", rief Jiang Cheng und blickte für einen Moment auf. „Dieser Junge... wie konnte er... wie konnte er nur...?!"
Lan WangJi ertrug den Anblick Jiang Chengs auf Knien nicht länger und beugte sich zu ihm hinunter. Der Lichteinfall vom Fenster schien nun in seiner gesamten Erscheinung zu reflektieren. Seine Haare glänzten wie Seide, seine Haut wie Samt und die Edelsteine an seinem Körper machten ihn mehr als königlich. Jiang Cheng konnte es kaum ertragen und drehte den Kopf in eine andere Richtung.
„Dieses... dieses Gewand stammt aus meinem Gewölbe... Ich habe Jin Ling dort hingeschickt, scheinbar hat er es von dort entwendet... D-Du hättest es niemals zu Gesicht bekommen sollen...!"
„Ich wusste nichts davon", entgegnete Lan WangJi sorgenvoll. „Wenn es so ist, werde ich mich wieder umziehen."
„Nein!" Jiang Cheng ergriff sein Handgelenk, noch bevor Lan WangJi sich erheben konnte. Lan WangJi traf in sein tränenverschmiertes Gesicht.
„Ich habe es für dich anfertigen lassen.", sagte Jiang Cheng auf einmal. „Für den Moment... wenn ich es eines Tages über mich bringen würde, dir die Wahrheit zu sagen...! Es sollte ein Geschenk sein..."
„D-Die Wahrheit...?", brachte Lan WangJi hervor.
„... und jetzt stehst du einfach so vor mir und trägst es... weil dieser dumme Junge uns einen Streich gespielt hat... oder das Schicksal es so wollte! Wie soll ich das alles noch weiter ertragen, WangJi...?!" Verzweifelt ergriff er Lan WangJis Hand und begann sie zu küssen.
„N-Nicht...!", rief Lan WangJi, seine Hand zuckte zurück, doch er hatte nicht die Kraft sich vollständig zu entziehen. Etwas in ihm rebellierte.
„Ich liebe dich... Ich liebe dich so sehr...!", flüsterte Jiang Cheng, doch Lan WangJi erhob sich.
„Wir... sollten das nicht tun...!" Jiang Cheng stand ebenfalls auf und so befanden sie sich wieder auf Augenhöhe.
„Küss mich noch einmal...!", flehte Jiang Cheng und nahm Lan WangJis Gesicht in beide Hände. „Ein letztes Mal, damit ich davon zehren kann wenn du zu ihm zurück gehst. Du willst es doch genauso...! Ich erinnere mich an deine Worte... Du empfindest dasselbe für mich, WangJi...!"
Lan WangJis Augen füllten sich mit Tränen. Er schüttelte den Kopf.
„Es gibt keinen solchen Weg, Jiang Wanyin.", sagte er und biss die Zähne zusammen. „Ich kann nur mit einem Menschen zusammen sein. Und ich wähle Wei Ying!"
Er riss sich los. Mit zitternden Schultern standen sie sich gegenüber, beide Gesichter hochrot und feucht von Tränen. Es war Lan WangJi der sich als erstes bewegte. Er ergriff BiChen, das in unmittelbarer Nähe, aufbruchbereit, an der Wand lehnte und stürmte hinaus. Jiang Cheng sah die Böen seiner Haare vorbeiziehen, dann war er verschwunden.
Er raufte sich die Haare. „Was habe ich getan?! Ich Idiot...!"
Ich habe ihn bedrängt. Wie konnte ich dermaßen die Kontrolle verlieren?! Wieder habe ich alles zerstört...! Und wofür? Es hat keinen Zweck... Es hat alles keinen Zweck.

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