Der Abend kam über die weite Berglandschaft Gusus. Während der Himmel sich dunkelblau färbte wurden Papierlaternen angezündet und in den Ästen der Bäume befestigt, jede davon bemalt mit einem anderen Motiv und Glückwünschen für Lan WangJi und Wei WuXian.
Nachdem sich das Publikum von den Rängen verabschiedet hatte, blieb nur der engste Kreis übrig, bestehend aus den Mitgliedern des Gusu Lan Clan und des Yunmeng Jiang Clan, mit ein paar wenigen Ausnahmen, wie Wen Ning und Nie Huaisang.
Sie alle standen um Lan WangJi und Wei WuXian versammelt, als sie gemeinsam eine Laterne in den Himmel steigen ließen.
Anschließend nahmen alle an dem langen Tisch Platz, der speziell für den heutigen Abend vorbereitet worden war. Der Gusu Lan Clan hatte dafür eine Reihe außergewöhnlicher Spezialitäten aufgereiht, die normalerweise nicht zum täglichen Menu gehörten. Sogar Jin Ling war begeistert.
Nach dem Essen verstreute sich die Gesellschaft in Hof und Garten, um Wein zu trinken und sich im goldenen Schein der Laternen zu unterhalten. Ein Duft von Blumen und Sommer lag in der lauen Luft.
Lan WangJi und Wei WuXian standen bei Nie Huaisang, Jiang Cheng und Jin Ling.
„Die Hochzeit war wirklich fabelhaft!", schwärmte Nie Huaisang. „Ich bin schon bei einigen Hochzeiten zu Gast gewesen, aber diese wird mir immer in Erinnerung bleiben! Besonders die Rede von Zewu Jun und Jiang Wanyin! Ich habe immer noch Gänsehaut!"
Wei WuXians Blick wanderte vorsichtig zu Jiang Cheng, während Lan WangJi sein Weinglas zwischen den Fingern drehte.
„HanGuang Jun, ich bin so erleichtert, dass Ihr Euch nicht auf der Bühne übergeben habt!", rief Jin Ling und hob sein Glas. „Lasst uns darauf anstoßen!"
Lan WangJi warf ihm einen verärgerten Blick zu, denn wie konnte Jin Ling es wagen ein so peinliches Detail vor allen anderen zum Gespräch zu machen?
Wei WuXian drängte sich dazwischen „Oh, nein, nein, nein! Es ist besser, wenn er nicht trinkt!" Er nahm Lan WangJi das Glas aus der Hand und trank es in einem Zug aus. „Du musst wissen er wird merkwürdig sobald er betrunken ist.", raunte er Jin Ling zu.
„Noch merkwürdiger?"
„Lan Zhan, nun schau nicht so böse! Bist du jetzt sauer, weil ich deinen Wein getrunken habe?", lachte Wei WuXian. Lan WangJi wirkte tatsächlich etwas beleidigt. „Na schön, es ist unser Hochzeitsabend! Jin Ling, wieso holst du meinem Ehemann nicht ein neues Glas Wein?"
Jin Ling sah Wei WuXian entrüstet an. „Bin ich HanGuang Jun's Diener?!"
„Ich hole ihn mir selbst.", sagte Lan WangJi kühl, kaum hatte er dies ausgesprochen wehte sein transparenter Umhang an ihnen vorbei.
„Andererseits ist mein Glas fast leer...", stellte Jin Ling fest. „HanGuang Jun, warte auf mich!"
Nie Huaisang war bereits zu Lan XiChen gegangen und so kam es, dass Wei WuXian und Jiang Cheng auf einmal allein nebeneinanderstanden und peinliche Stille eintrat. Jiang Cheng weinte nicht mehr, doch er sah angeschlagen aus und bemühte sich es zu verbergen. Wei WuXian hingegen wippte nervös von einem Fuß zum andern und überlegte, wie er ein Gespräch beginnen sollte. In Wahrheit wartete er bereits seit einer Weile auf eine Gelegenheit...
„Deine Rede...", sagte er dann. „Sie hat mich... sehr bewegt."
Jiang Cheng beobachtete schweigend wie Jin Ling und Lan WangJi sich Wein einschenken ließen.
„Hast du das alles ernst gemeint? Deine Worte über mich und... dass du Lan Zhan und mich... mit allen Mitteln beschützen willst?"
Jiang Cheng schlug die Augen nieder. „Du solltest mich lang genug kennen, um zu wissen, dass ich so etwas nicht einfach so dahinsage."
Wei WuXian blickte ihn vorsichtig an; seine röteten Augen, das markante Gesicht, die verzierte violette Uniform...
„Was ich gesagt habe zu dir... vor ein paar Monaten auf dem Hof... was ich getan habe... es tut mir leid.", sagte er leise. „Ich weiß ich habe viele Fehler gemacht und dich oft verletzt, aber... du bist mein Bruder und..."
„Wei WuXian", raunte Jiang Cheng, nun bildete sich ein leichtes Grinsen auf seinen Lippen. „Du bist sentimental geworden, seit du in Gusu lebst... mir wird gleich schlecht!"
Wei WuXians Gesicht erhellte sich. „Du hast es so gewollt!"
Er warf sich auf Jiang Cheng und begann mit ihm zu raufen, wie sie es getan hatten, als sie jünger waren.
„Wei WuXian!", rief Jiang Cheng überrumpelt, doch er hatte keine andere Chance, als sich freizukämpfen.
„HanGuang Jun, seid Ihr wirklich noch seltsamer, wenn Ihr betrunken seid?", fragte Jin Ling, als er Lan WangJi ein Glas Wein reichte.
„Nein.", knurrte Lan WangJi.
„Ich meine welche Art Betrunkener seid ihr? Der Aggressive, der Weinerliche, oder der Anhängliche?"
Lan WangJi sah ihn verwirrt an und überlegte. „Anhänglich.", sagte er, doch sicher fühlte er sich bei der Aussage nicht. Er hatte sich schließlich nie selbst erlebt und an die wenigen Male seines Alkoholkonsums erinnerte er sich nur dunkel.
Jin Ling lachte. „Genau wie Onkel! Ihr wisst ja, normalerweise ist er ein Drache, aber wenn er etwas getrunken hat sagt er mir immer, wie sehr sich um mich sorgt und wie stolz er auf mich ist! Das ist richtig peinlich, vor allem, wenn noch andere dabei sind! Er fängt an mich zu bemuttern! Ich glaube er hält mich manchmal für seinen Sohn."
Auf Lan WangJis roten Lippen bildete sich ein seltsames Lächeln. „HanGuang Jun, Ihr seht jetzt schon ein betrunken aus. Ihr habt doch nur einen Schluck genommen...!?"
„Mehr erzählen.", forderte Lan WangJi.
„Über Onkel? Oh, da gibt es viele Dinge, die ich Euch besser nicht erzähle...!"
„Über das Kaninchen.", schnurrte Lan WangJi. „Das braune."
Da erinnerte sich Jin Ling. Das braune Kaninchen namens Huli. Jiang Cheng hatte es in einem seiner Briefe an Lang WangJi erwähnt.
„Ihr habt also alles gelesen...!"
„Ich will das Kaninchen!", forderte Lan WangJi und rüttelte an Jin Lings Ärmel. Jin Ling versuchte ihn abzuschütteln.
„HanGuang Jun! Lasst das! Ihr seid wirklich seltsam! Wenn Onkel Euch das Kaninchen geben soll müsst Ihr es selbst holen! Aber ich glaube nicht, dass das eine gute Idee wäre...! Onkel ist gerade nicht in der Verfassung Euch zu empfangen! Dass er das heute alles mitgemacht hat, ist ein Wunder...!"
Lan WangJi schien traurig zu werden. Tränen bildeten sich in seinen Augen.
„Die Art 'weinerlich' seid Ihr also auch! Bitte tut mir den Gefallen und haltet es noch ein wenig zurück, sonst schieben sie es auf mich und ich kann mir gerade keinen Ausrutscher mehr erlauben! Ich bin froh, dass mich Onkel überhaupt bei sich wohnen lässt...!"
Auf einmal schien Lan WangJis Aufmerksamkeit von etwas abgelenkt zu werden. Er ließ Jin Ling los und starrte in den Waldabschnitt hinter ihnen.
„Was habt Ihr?" Jin Ling drehte sich um und erblickte gerade noch den Zipfel eines weißen Gewandes. Lan WangJi stellte das Weinglas auf den Tisch und lief davon. „Hey, wo wollt Ihr hin?! Bleibt hier!"
Jin Ling rannte hinterher, doch Lan WangJi war, trotz aufkommender Trunkenheit, viel schneller als er. Er hatte Probleme ihm zu folgen, als er blitzschnell von einem Baum zum nächsten huschte. Er verfolgte etwas. Erst auf einer Waldlichtung kam Lan WangJi zum Stehen.
Ein silbriger Mond erleuchtete das taufeuchte Gras. Jin Ling kletterte den Berg hinauf und hielt sich zunächst im Verborgenen.
Er rieb sich die Augen, als er die beiden Gestalten erblickte, die sich nun gegenüberstanden. Die eine, in Rot gekleidet, war eindeutig Lan WangJi, die andere in Weiß jedoch, sah ebenfalls aus wie Lan WangJi. Es wirkte als würde er in einen Spiegel schauen, doch das Spiegelbild bestand aus Fleisch und Blut.
Die beiden Gestalten waren außer Atem und zitterten merklich. Keiner sagte ein Wort, sie starrten sich nur an.
„Lei...!", brachte Lan WangJi hervor, er trat einen Schritt auf sein Spiegelbild zu, doch es wich vor ihm zurück. „Du... bist zu meiner Hochzeit gekommen...!"
Lan Lei schien zu überlegen, ob sie bleiben oder fliehen sollte. Etwas hielt sie zurück. Sie blieb stehen.
„Woher... wusstest du...?"
„Wei WuXian hat es mir gesagt."
Erst als Jin Ling ihre Stimme hörte, bemerkte er, dass die Person, die Lan WangJi so ähnlichsah, eine Frau war. Nun, da er sie genauer anblickte, konnte er kleine Unterschiede feststellen, die die Nacht zunächst verschleiert hatte.
„Ich traf ihn beim Turnier."
„Das Turnier...", wiederholte Lan WangJi. Jin Ling hielt diese zögerliche Konversation nicht mehr aus und sprang aus seinem Versteck.
„Meine Güte! Das kann man ja nicht mitanhören!", seufzte er. Er verbeugte sich vor Lan Lei, die ihn überrumpelt musterte. „Ich bin Jin Rulan vom Lanling Jin Clan... und Ihr seid offensichtlich HanGuang Jun's Schwester! Wieso wolltet Ihr nicht gesehen werden?"
Lan WangJi sah Jin Ling erbost an, doch Lan Leis Gesicht milderte sich. Sie senkte den Kopf.
„Ich... habe es nicht gewagt.", sagte sie langsam. „Viele Jahre sind vergangen seit... wir uns das letzte Mal begegnet sind."
„Bitte entschuldigt, Fräulein Lei, aber das ist ein dummer Grund! HanGuang Jun freut sich offensichtlich Euch zu sehen! Ist es nicht so? Sicher hätte er seine Schwester gern unter den engeren Vertrauten auf der Bühne gewusst."
Lan WangJis Augen funkelten bedrohlich. Würde Jin Ling noch ein Wörtchen sagen, wollte er ihn zum Schweigen bringen. Gleichzeitig konnte er diese Aussage vor seiner Schwester nicht unkommentiert lassen.
„Ja", sagte er mit gesenktem Kopf. „Schwester hätte da sein sollen..."
Er war noch immer angetrunken und ‚weinerlich', die Tränen in seinen Augen nur verdrängt. Nun kehrten sie zurück, doch Lan Lei, genauso unbegabt in zwischenmenschlichen Begegnungen, wie ihr Bruder, stand nur da und sah zu.
„Das darf doch nicht wahr sein...", murmelte Jin Ling genervt. „Als hätte HanGuang Jun wirklich einen Klon...!"
Er beschloss ihrem Glück nachzuhelfen und schubste Lan Lei in Lan WangJis Arme.
Lan WangJis Augen weiteten sich, als er die fremde Körperwärme spürte, seine Augen wanderten wutentbrannt zu Jin Ling, doch als Lan Lei die Arme um seine Schultern schlang, vergaß er alles andere. Dass seine Schwester ihm so nah gewesen war, musste Jahrzehnte zurückliegen. Sie mussten noch Kinder gewesen sein...
Er fühlte wie sein Körper schmolz und zu einer weichen, losen Masse zu werden schien, die in Lan Leis Armen versinken und wieder mit ihr eins werden wollte. Er schloss die Augen, klammerte sich an ihren Kragen und murmelte:
„Du hast mir gefehlt..."
Jin Ling feierte seinen Erfolg im Stillen und beschloss sich wieder in den Wald zurückzuziehen, um den beiden ihre verdiente Zweisamkeit zu gönnen. Nachdem er eine Weile gelaufen war, erreichte er den Hof des Gusu Lan Clan.
Als er eintraf saßen Wei WuXian, Lan XiChen und Jiang Cheng um einen Tisch und spielten ein Kartenspiel. Sie alle waren angetrunken und gut gelaunt. Erleichtert stellte Jin Ling fest, dass sein Onkel nun scheinbar endlich ein paar Minuten Ruhe vor seiner allgegenwärtigen Trauer gefunden hatte. Außerdem schien er seinen Streit mit Wei WuXian beiseitegelegt zu haben.
„Was spielt ihr da? Lasst mich einsteigen!" Jin Ling ließ sich neben sie auf die Bank nieder und bekam sogleich einen Stapel Karten zu geschoben.
„Es ist ganz einfach", sagte Wei WuXian. „Du musst die Karten der anderen übertrumpfen. Wenn du all deine Karten verspielt hast, gewinnst du! Wenn du nicht hinlegen kannst, musst du neu ziehen."
„Verstanden!"
Es begann eine Runde mit viel Gelächter, in der sich alle Anwesenden eifrig Wein nachschenkten. Jin Ling war jedoch nicht besonders erfolgreich. Nach zwei Niederlagen verlor er die Lust. Beleidigt verschränkte er die Arme vor der Brust.
„Was für ein blödes Spiel! Ich höre auf!"
Wei WuXian stieß Jiang Cheng in die Seite und lachte. „Dein Neffe ist ein genauso schlechter Verlierer, wie du!"
„Mit dem Unterschied, dass ich bisher nicht verloren habe!" Jiang Cheng grinste. „Komm schon, Jin Ling! Es macht mehr Spaß, wenn viele Leute daran teilnehmen!"
Vertieft in ihr Spiel bemerkten sie nicht, dass Lan WangJi sich näherte. Nun ließ er sich neben Wei WuXian auf die Bank sinken.
„Ich übernehme für Jin Rulan."
Alle Blicke wandten sich verwundert in Lan WangJis Richtung. Lan WangJi musste bereits ziemlich betrunken sein, wenn er sich freiwillig anbot bei etwas so 'Unsittlichem' wie einem Kartenspiel mitzumachen. Eigentlich mochte er keine Gesellschaftsspiele.
Lan WangJi bekam einen Stapel Karten zugeteilt und sortierte sie mit akribischer Sorgfalt. Wei WuXian beobachtete ihn amüsiert. Wie alles, was Lan WangJi tat, widmete er sich auch diesem Spiel mit höchster Ernsthaftigkeit.
„Gege...", flüsterte er sanft in Lan WangJis Ohr. „Es ist ein Spiel, kein militärischer Schachzug...! Versuch' Spaß zu haben!"
Lan WangJi blickte ihn kühl an, doch im nächsten Moment bildete sich ein unerwartetes Grinsen in seinem Gesicht. Gerade hatte er eine Karte auf den Tisch gelegt und Wei WuXian übertrumpft.
„Wei Ying ist reingefallen.", schnurrte er und Wei WuXians Mund klappte auf.
„Du... du kleiner... Teufel!"
Alle brachen in Gelächter aus.
„So war er schon immer", sagte Lan XiChen. „Ihr solltet euch vor ihm in Acht nehmen!"
Im nächsten Augenblick hatte Lan WangJi auch Lan XiChen aus dem Spiel genommen. Obwohl Lan WangJi sein Weinglas erneut ausgetrunken hatte, schienen die analytischen Funktionen seines Gehirns nicht nachzulassen.
Der letzte Teilnehmer war Jiang Cheng.
Es wurde einen spannende Runde. Jiang Cheng übertrumpfte Lan WangJi, Lan WangJi übertrumpfte Jiang Cheng. Jin Ling beobachtete alles in steter Sorge. Lan WangJis Verhalten gefiel ihm nicht. Neben anhänglich und weinerlich, war Lan WangJis betrunkenes Ich noch etwas anderes: Verführerisch. Die Art, wie er Jiang Cheng während des Spieles wie magisch zu sich zog, hatte etwas ganz und gar Beunruhigendes, doch niemand außer Jin Ling schien es zu bemerken. Am Ende hielten beide nur noch zwei Karten in der Hand.
„Jiang Cheng ist dran.", sagte Lan WangJi.
Jiang Cheng errötete bereits durch die Verwendung seines informalen Namens, doch Wei WuXian, der das ganze Hin und Her höchst unterhaltsam fand, flüsterte Lan WangJi etwas ins Ohr.
Daraufhin kicherten sie und Lan WangJi korrigierte sich: „Jiang Cheng Gege."
Es war offensichtlich, wie allumfassend Jiang Cheng aus dem Konzept geriet un die Karte, die er auf den Tisch legte, aus dem Fokus verlor. Lan WangJi übertrumpfte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Nur eine blieb übrig.
„Was ist los, HanGuang Jun?" Jiang Cheng klang plötzlich ein wenig erbost. „Hat 'Gege' dich aus dem Konzept gebracht?"
Lan WangJi spürte die Kälte, die plötzlich von Jiang Cheng ausging. Er legte seine letzte Karte auf den Tisch. Sie war niedrig, leicht zu übertrumpfen. Tatsächlich hatte er die ganze Zeit nur überlegen getan, ohne es wirklich zu sein.
Jiang Cheng betrachtete die Karte. Dann warf er seine letzte ebenfalls auf den Tisch. In dieser Geste lag eine Inbrunst, die den Anwesenden übertrieben vorkam.
Im gleichen Moment fuhr er vom Tisch auf. Wei WuXian, Lan XiChen und Jin Ling betrachteten verwundert die Karte. Sie war niedriger als Lan WangJis.
„Er ist tatsächlich ein schlechter Verlierer..." Lan XiChen blickte Jiang Cheng nach.
Lan WangJi fühlte, dass etwas grundlegend aus dem Ruder gelaufen war und stand wortlos auf, um Jiang Cheng nachzulaufen. Jin Ling vergrub den Kopf in den Händen und schnaufte.
„Jiang Wanyin...!" Während Lan WangJi hinter ihm hereilte, musste er seinen langen Rock anheben, um nicht draufzutreten. „Warte doch...!"
„Lass mich in Frieden!", entgegnete Xiang Cheng. „Bin ich ein Witz für dich?! Hältst du das alles für lustig?!"
Lan WangJi war schneller als er. Mithilfe seiner spirituellen Fähigkeiten erschien er plötzlich direkt vor Jiang Cheng, der abrupt stehen blieb. Konfrontiert mit Lan WangJis leuchtenden Mandelaugen, wandte er sich sofort in eine andere Richtung, doch wieder stand er direkt vor ihm.
„Hör auf!" Jiang Cheng kniff die Augen zusammen und hielt sich die Ohren zu. „Ich will dich nicht sehen und nicht hören...! Ich werde einfach so tun als wärst du nicht hier!"
Da fühlte er Lan WangJis zarte Hände an seinem Handgelenk. Ein Schauer ergriff ihn, ungewollt verloren seine Hände ihre Kraft und lösten sich von seinen Ohren.
„Es tut mir leid...", sagte Lan WangJi. „Ich bin zu weit gegangen..."
„Zumindest sehen wir das ähnlich!" Jiang Cheng konnte sich nun nicht länger vor Lan WangJis Anblick bewahren, seine Augen wanderten über sein reines Gesicht. „Du bist... wunderschön."
Lan WangJis betrunkener Blick hob sich, seine Fingerspitzen glitten über Jiang Chengs gerötete Wangen. „Du auch."
Jiang Cheng sah ihn verdutzt an. „Du bist betrunken...!"
„Wunderschöner Gege...", murmelte Lan WangJi. „Ständig höre ich wie schön ich bin, doch wie oft hörst du es...?"
„WangJi...! WangJi hör auf...! Ich werde nicht widerstehen können, wenn du so weitersprichst...!", rief Jiang Cheng. „Das alles geht viel zu weit...! Heute ist deine Hochzeitsnacht mit Wei WuXian!"
„Hochzeitsnacht mit Wei Ying und dir...", säuselte Lan WangJi.
Jiang Cheng zog ihn in die Arme. „Nein, ich werde dich vor diesem Fehler bewahren! Es wird nicht dazu kommen...! Du bist nicht Herr über dich! Ich bringe dich zurück...!"
„Ich habe die Briefe gelesen... so schön...", raunte Lan WangJi. „Gege hat so schöne Worte gefunden für mich."
„WangJi...!"
„Ich will das Kaninchen. Bekomme ich das Kaninchen?" Er hob hoffnungsvoll die Augen. „Gege muss mir helfen bei meinem neuen Buch. Dann komme ich Gege besuchen."
„Das Kaninchen... Ja, du kannst das Kaninchen haben...! Ich verspreche es... nur lass uns jetzt zurückgehen, WangJi!" Jiang Cheng drückte Lan WangJi von sich weg.
Er wirkte ein wenig beleidigt und drehte eine Haarsträhne zwischen den Fingern.
„Nicht mehr böse sein.", knurrte er.
„Nein, ich bin nicht mehr böse!"
Mit rasendem Herzen brachte Jiang Cheng den torkelnden Lan WangJi zu den anderen zurück. Als sie ankamen übergab er ihn in Wei WuXians Arme.
„Alles in Ordnung mit ihm?", fragte Wei WuXian besorgt. Lan WangJi kicherte und drückte sich an Wei WuXians Brust.
„Gege wollte nicht...!"
Jiang Cheng schluckte und hoffte Wei WuXian würde diese wenigen Worte nicht verstehen. „Er sollte wirklich nicht trinken! Er redet abstruses Zeug, am besten du nimmst ihn nicht ernst...!"
Wei WuXian nickte. „Es ist schon spät... Ich werde ihn ins Bett bringen."
Speziell für Wei WuXians und Lan WangJis Hochzeitsnacht hatte man einen noblen Pavillon hergerichtet.
Lan XiChen, Jin Ling und Jiang Cheng brachten die beiden, streng nach Tradition, bis zum Eingang, zu dem ein roter Teppich führte. Die Tür war mit Bändern und roten Rosen geschmückt.
„Gute Nacht.", sagte Wei WuXian. „Ihr habt uns einen unvergesslichen Tag beschert. Ich denke wir alle werden ihn nie vergessen."
Nachdem sich Lan WangJi einmal übergeben hatte schien er ein wenig nüchterner. Spuren von Müdigkeit zeigten sich auf seinem makellosen Gesicht. Er verbeugte sich dennoch in gewohnter Anmut.
„Onkel", raunte Jin Ling Jiang Cheng zu. „Einem anderen Paar würde man nun eine fruchtbare Nacht wünschen... aber was sollen wir zu ihnen sagen? Ich glaube es bringt Unglück ihnen keine Wünsche mit auf den Weg zu geben! Wem soll ich Fruchtbarkeit wünschen, HanGuang Jun, oder Wei WuXian...?"
„Jin Ling! Du bist unmöglich!", zischte Jiang Cheng und Jin Ling verstummte.
„Möge Eure Hochzeitsnacht eine gesegnete sein.", sagte Lan XiChen und fand damit die besten Worte für alle Anwesenden. Sie verbeugten sich und schließlich verschwand Wei WuXian mit Lan WangJi im Pavillon.
Ihre Augen schweiften begeistert über die wunderschön hergerichtete Umgebung. Alles schimmerte in roten und goldenen Elementen. Die Vorhänge, die Dekoration, selbst der seidene Bettbezug folgte diesem Farbschema. Kerzen erhellten den Raum und als Wei WuXian und Lan WangJi sich auf dem Bett niederließen schienen sie eins mit der Szenerie zu werden.
„Ein Jammer, dass er nicht angebissen hat...", raunte Wei WuXian verspielt. „Das wäre tatsächlich eine aufregende Hochzeitsnacht geworden... aber uns werden auch so schöne Dinge einfallen, nicht wahr, Ehemann?" Er stupste Lan WangJis Unterlippe zärtlich mit der Zunge. „Wir könnten ein Bisschen mit der Flöte spielen, die du mir zur Hochzeit geschenkt hast, Lan Zhan... Sie kribbelt so schön, wenn man sie in Händen hält, wie kribbelt sie erst wenn..."
„Wei Ying!" Lan WangJi errötete zutiefst. „Du... willst doch wieder auf dieser Flöte spielen...!"
Wei WuXian bettete Lan WangJi in die weiche Bettwäsche, seine Hand glitt sanft zwischen Lan WangJis Beine.
„Umso besser, wenn ich dabei immer deinen Geschmack auf den Lippen habe..."
Er küsste Lan WangJi, dem ein heiseres Seufzen entkam.
Obwohl ein langer Tag hinter ihnen lag, so war er doch von so viel Feuer und Leben erfüllt gewesen, dass sich alles in dieser Nacht entlud.
Sie kannten sich bereits seit vielen Jahren und seit einer Weile lebten sie zusammen, doch alles erschien so neu, wie am ersten Tag und so wusste Wei WuXian, dass ihm noch viele aufregende und erfüllende Jahre bevorstehen würden.
Als Mitglied des Gusu Lan Clan. Als Lan WangJis Ehemann.
ENDE
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The Secret
Fiksi PenggemarAls Wei WuXian um Lan WangJis Hand anhält, steht die Welt der Kultivierung Kopf. Um Jiang Cheng zu überzeugen, macht sich Lan WangJi auf eine beschwerliche Reise am Rande von Leben und Tod...