Kapitel 3

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Pov. Lion

Frau Schöller redet, redet und redet, aber keiner hört ihr zu. Also ein ganz normaler Montagmorgen, der mit einer gewöhnlichen Mathestunde beginnt. Gedankenverloren sehe ich aus dem Fenster, beobachte die grünen Blätter in den Bäumen, die sich vom Wind bewegt, hektisch drehen und biegen, als würden die tanzen wollen. Währenddessen male ich sinnlose Kreise auf meinen Collegeblock und warte, bis die Zeit endlich vorüber geht. Mit aller Kraft versuche ich nicht an diesen Abend im Restaurant zu denken, aber Thomas schleicht sich immer wieder leise in meine Gedankenwelt. Und immer wieder verbanne ich ihn daraus. Mir wird immer noch schlecht, wenn ich an diese eigens verpraktizierte Peinlichkeit denke.

Nach einer endlos scheinenden Ewigkeit, befreit uns schließlich die Schulglocke aus unserem Gefängnis der Zahlen und Rechenmethoden, sodass wir alle ungehalten hinausstürzen, ganz gleich, was Frau Schöller noch zwischen dem Einpacken und lautem Getratsche zu sagen hat. In der Pause gehe ich zusammen mit Malte, meinem besten Freund, auf den Pausenhof in eine hintere Ecke, wo Malte ungestört kiffen kann. Immer wieder habe ich versucht, ihm diese länglichen ekelhaften Joints auszureden, aber er hat stets unbeirrt weitergekifft. Er meint, das würde ihn fantastisch runterbringen und sei nur halb so schädlich wie Alkohol und Zigaretten, was ich stark bezweifle. Malte erzählt mir angeregt von seinem glorreichen Wochenende mit seiner neuen Freundin Jana, wobei seine grünen Augen immer wieder hell aufleuchten, was seine blassen Sommersprossen gut betont. Jana und er sind seit ungefähr zwei Monaten ein paar und total ineinander verliebt. Irgendwie süß.

Malte war vor Jana immer eher gleichgültig gewesen, was Gefühle betrifft. Er war nie sonderlich aus dem Häusschen gewesen, wenn ein Mädchen Interesse bei ihm angemeldet hat und hat sich auch nur gelegentlich mal mit einer von ihnen getroffen. Aber seitdem es Jana gibt, ist mein bester Freund auf Frauen bezogen, wie ausgewechselt. Ständig redet er von ihr und wenn sie in seiner Nähe ist, wird er ganz ... überschwänglich fröhlich, als würde mit Jana gemeinsam die Sonne aufgehen. Das klingt verdammt kitschig, beschreibt seinen Zustand allerdings perfekt. Dieses kleine naturblonde Mädchen, hat diesen blonden Idioten mit viel zu langem Haarschnitt in einen liebeskranken Trottel verwandelt. Ich freue mich für meinen besten Freund, das Mädchen seines Herzens gefunden zu haben und wünsche mir dabei, ebenfalls irgendwann genauso kitschig verknallt zu sein.

Während Malte also sein Wochenende im Detail erläutert, driften meine Gedanken wieder einmal ab. Thomas' lässt mich einfach nicht mehr los. Szene für Szene gehe ich das Ereignis auf der Männertoilette nach, versuche mir jedes noch so kleine Detail ins Gedächtnis zu rufen. Ja, das muss ich wohl. Seine Stimme hallt in meinem Kopf wider. Das muss ich wohl? Muss? Muss. Erst jetzt fällt mir wirklich auf, was der Koch da gesagt hat. Er muss. Nicht, er will. Er nannte mich ein Jugendlicher. Jugendlich. Er ist ein älterer Mann...

Langsam aber sicher baut mein Kopf eine irrwitzige Idee auf, die mir plötzlich erstaunlich plausibel erscheint. Er musste mich korben, nicht er wollte mich korben. Hätte er gleichermaßen reagiert, wenn ich in seinem Alter wäre? Hat ihn mein direktes Zugehen geschmeichelt? Vielleicht fand er mich doch ganz ansprechend, hielt sich nur zurück, weil ich so viel jünger bin. Somit hätte ich doch eine kleine Chance bei ihm.
Kopfschüttelnd verbanne ich, mich wieder besinnend, diese Idee aus meinem Kopf. Schwachsinn, ganz großer Schwachsinn und eine ganz ganz blöde Idee. Das mit dem Koch ist vorbei, hat nie wirklich angefangen. Er ist ein älterer Mann, wahrscheinlich hetero hoch zehn und keinerlei Option für mich. Innerlich rufe ich mich wiederholt zur Vernunft, bete, dass ich keine weiteren Dummheiten anstellen werde, während Malte weiter über Jana quasselt. Er bekommt von meinem inneren Zwiekampf nichts mit. Besser so.

Nach weiteren zwei langweiligen Schulstunden, einer holprige Heimfahrt mit dem Bus und einem kurzen Fußweg, schließe ich erschöpft dir Eingangstür auf. Meine Mutter nimmt mich zur Begrüßung fröhlich in die Arme. Ihr langes dunkelbraunes Haar fällt ihr dabei wild ins Gesicht, das ihre strahlendblauen Augen wunderschön einrahmt. Pa ist ein riesen Idiot, sie gehen gelassen zu haben.
Eine Schüssel Suppe steht auf dem Tisch. Das ist das einzige Gericht, was sie kochen kann. Schmunzelnd stelle ich meine Sachen im Flur ab und setze mich an den Tisch neben Ma. "Wie war dein Tag?", fragt sie ehrlich interessiert, während sie noch kurz Brot zur Suppe schneidet und auf den Tisch stellt.

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