Kapitel 5

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Pov. Lion

Seelenruhig schließt der Ältere sein Auto auf. Thomas fährt einen flachen schwarzen Mercedes mit dunklen Ledersitzen und Sitzheizung. Nervös knibbel ich an meinen Fingerkuppen herum, während er den Motor startet. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob das wirklich eine gute Idee ist, da ich Thomas eigentlich kaum kenne. Aber der Nervenkitzel lenkt mich von den leisen Zweifeln in meinem Kopf ab. Jana und Malte würden mich für verrückt erklären. Sie hatten ja schon Skrupel gehabt, mich allein im Restaurant zurückzulassen. Immer wieder musste ich ihnen versichern, dass ich es allein in einem Stück nach Hause schaffen würden. Geschickt lenkt er den Wagen auf die Straße, als ich mich ein Stück weit zurücklehne.

Thomas behält die Straße fest im Blick, während er mich nach Hause kutschiert. Er kennt sich verdammt gut aus in der Gegend, denn als ich ihm mitgeteilt habe, wo ich wohne, wusste er sofort, wie er fahren muss, ganz ohne Navi. Immer wieder sehe ich zwischen Straße, Feld und ihm hin und her, lasse meine Gedanken schweifen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich tatsächlich noch einmal mit ihm ins Gespräch komme, geschweige dennoch, dass er mich sogar nach Hause fährt. Nach Hause.  Dieser Gedanke lässt mich plötzlich schaudern. Ma ist heute Nacht bei einer alten Freundin, um sich endlich auch mal ein bisschen Ablenkung von der Arbeit, Haus, Kind und Garten zu verschaffen, daher wird das Haus dunkel und leer sein, wenn wir ankommen. Allein werde ich dort die Nacht verbringen. Auch, wenn ich eh nur schlafen würde, schreckt mich dennoch der Gedanke ab, ganz allein in diesem großen Haus zu sein.

"Du starrst." Schmunzelnd sieht Thomas weiterhin auf die Straße. "Sorry", entschuldige ich mich sofort. Ich hatte gar nicht bemerkt, ihn länger angesehen zu haben. "Schon okay. Meinetwegen kannst du mich die ganze Fahrt lang anstarren." Ich muss lachen. "Na dann tue ich dir gern diesen Gefallen", witzel ich und reiße absichtlich weit meine Augen auf, was ihn nun auch zum Lachen bringt. Schon zum zweiten Mal an diesem Abend. Mein Herz macht einen Satz, da es plötzlich so leicht ist, sich mit ihm zu unterhalten. Die Angst, er könnte mich abweisen, schwindet langsam ein kleines Stück. Er fährt mich nach Hause, redet mit mir, es wirkt nicht so, als würde er mich verurteilen oder wegstoßen wollen. Er wirkt einfach nur warmherzig und nett und das tut ausgesprochen gut. 

Ein herber Kontrast zu der Stille und Dunkelheit, die mich gleich empfangen wird. Schon allein bei dem Gedanken an mein kaltes Bett, lässt all meine Nackenhaare aufstellen. Ich will nicht nach Hause, ich will nicht allein sein. Ich will mich weiter mit Thomas unterhalten, doof herumwitzeln und einen Lacher nach dem nächsten aus ihm herauskitzeln. Keine Kälte, keine Einsamkeit, sondern bloß die Lachfalten um seine Augen, die ihn wunderschön sympathisch wirken lassen und seinem Gesicht eine ausgesprochene Wärme verleien. Die Autofahrt wird schon bald vorbei sein.
"Ich will gar nicht nach Hause", platzt es plötzlich ungehalten aus mir heraus. Mit hochgezogener Augenbraue sieht Thomas kurz zu mir.

"Und wohin willst du dann?" Schulterzuckend blicke ich auf die Straße. "Okay. Ich halte fest: du willst nicht nach Hause, aber wohin du sonst willst, weißt du nicht."
Genau genommen weiß ich genau wo ich hin will, aber es ist kein Ort als solches. Ich will bei ihm sein, nicht allein sein. Thomas sagt nichts weiter, fährt weiter Richtung zu Hause, was mich immer nervöser werden lässt. Wenn wir erst einmal vor meinem Haus stehen, werde ich auch aussteigen müssen. Für einen kurzen Moment ziehe ich es in Erwägung, ihm ins Lenkrad zu greifen, lasse es aber sein, da ich darin nicht sonderlich geübt drin bin. Ich will bloß den Kurs wechseln und nicht gleich im Graben landen. Unruhig rutsche ich auf dem Sitz hin und her und wippe mit dem Knie, was ich immer mache, wenn ich etwas sagen möchte, mich aber nicht traue. Ich bleibe stumm, obwohl ich reden will.

Plötzlich lenkt Thomas den Wagen rechts an den Straßenrand und hält abrupt an. Mit einer gezielten Handbewegung schaltet er die fordere Innenleuchte ein. Fragend mustere ich ihn, sein Blick wirkt angespannt. "Was ist los?" Ich sage nichts, weiß nicht so recht, was ich ihm sagen soll. Ob er mich verstehen würde. "Du machst mich total nervös mit deiner Nervosität", führt Thomas weiter aus. "Tut mir leid", entschuldige ich mich sogleich automatisch, aber er winkt schleunigst ab, nimmt keine Entschuldigung an. Nicht dafür. "Ich will bloß wissen, was dich so nervös macht." Ich hole einmalntief Luft, entscheide mich schließlich für die Wahrheit. Wenn ich verstanden werden will, sollte ich meinem Gegenüber auch eine faire Chance geben, mich verstehen zu können, ganz egal, ob es ihm zu viel sein könnte. Sonst wird niemals irgendjemand für mich da sein können.

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