Kapitel 7

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Pov. Thomas 

Arbeiten. Sophie. Haushalt. Arbeiten. Sophie. Haushalt. Arbeiten. Sophie. Haushalt. Arbeiten...    Daraus bestehen all meine Tage. Immer die gleiche Routine. Aufgeweckt erzählt mir das hübscheste Mädchen der Welt von ihrem Schultag, dessen Höhen und Tiefen. Gespannt höre ich ihr zu, doch gelegentlich driften meine Gedanken ab. Als würde mein Körper automatisch den Nervenkitzel suchen, erinnert er mich ständig an diese eine kurze Nacht mit Lion. Es ist nicht viel passiert und doch ist viel zu viel passiert. Während ich also gemütlich mit meiner Tochter zu Mittag esse, beginnen meine Lippen zu kribbeln, als würden sie Lions Berührungen sehnlichst vermissen. Es ist tagelang her und doch spüre ich immer noch seine Hände in meinen Haaren, wie sie sich darin festgekrallt haben. Hastig trinke ich einen kräftigen Schluck aus meinem Wasserglas, um das Kribbeln auf meinen Lippen umgehend zu erfrieren. Sophie scheint nichts von meinen inneren Gefühlswallungen mitzubekommen und erzählt unbeirrt von der schrecklichen Mathestunde, die sie hatte durchstehen müssen und beinahe nie zu Ende gehen wollte. 

Erleichtert lasse ich mich in den dunkelblauen Sessel fallen, nachdem ich das Mittagessen heil überstanden habe und endlich wieder Zeit für mich allein habe, auch wenn ich es hasse, allein zu sein. Die voranschreitende Zeit fühlt sich seit Lions Abgang an, wie eine unendliche Wartezeit, dabei weiß ich noch nicht einmal auf was genau ich warte. Schließlich war ich es, der ihn von mir gestoßen und ihm unmissverständlich klargemacht hat, dass das mit uns nicht mehr als diese eine Nacht sein würde. Trotzdem sehnt sich jede Faser meines Körpers nach einer Wiederholung. Danach, dass diese eine Nacht in viele weitere mündet. Kopfschüttelnd erhebe ich mich wieder. Nein, diese Gedanken müssen verschwinden. Lion. Das geht nicht. Er ist ... er ist verdammt nochmal minderjährig, männlich und verdammt noch mal ... fuck, er könnte mein Sohn sein. 

Ohne anzuklopfen, öffne ich die Tür von Sophies Zimmer. "Hast du vielleicht Lust, mit deinem alten Herrn die schon längst verstaubten Brettspiele hervorzukramen?" Überrascht sieht sie von ihren Schreibsachen auf. "Ich muss Hausaufgaben machen." Frech grinsen gehe ich zu ihr, ziehe ihren Schreibtischstuhl nach hinten, wobei ihre schwarzen Locken ihr über die Schulter fallen. "Unwichtig. Komm, spiel mit mir!" Lachend schüttelt sie den Kopf. Ihre Augen haben die Gabe, so hell zu leuchten, wie alle Sterne des Firmaments, wenn sie lacht. Nur allein dieses Lachen hat die Wirkung, die zehn Antidepressiva niemals haben könnten. Sie macht mich wunschlos glücklich. "Hausaufgaben sind also unwichtig? Dir ist klar, dass dich das zum schlechtesten Vater der Welt macht", scherzt sie verspielt. "Nein, zum coolsten Vater aller Zeiten." In nur einer fließenden Bewegung drehe ich ihren Schreibtischstuhl und ziehe sie auf ihre Beine. "Also, los. Du musst jetzt Zeit mit mir verbringen!" 

"Paps, du bist manchmal so bedürftig, wie ein kleines Kind", neckt sie mich, folgt mir aber aus dem Raum. "Ich weiß, das ist ja gerade das Liebenswürdige an mir." Überschwänglich klatsche ich in die Hände und öffne die kleine Abstellkammer neben dem Treppenaufgang, wo wir all die Sachen stapeln, die wir nicht täglich brauchen. Im hintersten Eck, finde ich schließlich zwei, drei alte Brettspiele, die wir früher ständig zusammen gespielt haben. Warum hört man automatisch damit auf, wenn die Kinder älter werden? "Uhh, wie cool! Du hast das Raupenspiel gefunden." Begeistert nimmt sie mir den modrig riechenden Karton aus den Händen und betrachtet diesen vergnügt. Das Raupenspiel. Ihr absolutes Lieblingsspiel, als Sophie acht Jahre alt war. Es ist ein gewöhnliches Würfelspiel, bei dem man mit seinen kleinen Schmetterlingsfiguren eine lange Raupe vom Start ins Ziel würfeln muss. Bei jeder Würfelzahl muss man eine Karte mit derselben Nummer ziehen und die Aufgabe, die dort steht, erfüllen. 

Sophie wollte bei jedem einzelnen Spieleabend nur dieses Spiel spielen, sodass wir schon bald alle Karten durchgespielt hatten und uns eigene Aufgaben ausdenken mussten. Ich weiß noch, wie wir gemeinsam stundenlang dasaßen und über weitere Aufgaben nachgedacht haben. Wir hatten einen riesengroßen Spaß! Wir kamen beinahe aus unserem Lachen nicht mehr raus. "Wir werden nie wieder ein anderes Brettspiel spielen?" Eingeschnappt reckt sie das Kinn und geht voraus zum Esstisch. "Pah, wenn du unbedingt etwas spielen willst, dann darf ich wenigstens entscheiden, was wir spielen." Mit diesen Worten packt sie den Karton aus, besieht sich dabei lächelnd unsere selbstgeschriebenen Karten an. "Ein Glas Senf essen", lese ich über ihre Schulter sehend vor. "Den Nachbarn davon überzeugen, seinen kläffenden Hund zu verkaufen. Einen Eiswürfel essen. Kekse backen. Den Kühlschrank abknutschen. Unter Papas Bett saugen. Hundert Meter sprinten." Laut lachend unterbricht Sophie mein Vorlesen. 

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