7- Träume und Realität

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Hochrot komme ich in meinem Zimmer an. Was war das denn? Oder besser gesagt, wer war das? Diese Augen, sie waren zum Dahinschmelzen. Ich gehe zu meinem Schrank, denn dort bewahre ich das Hundefutter für Diana auf. Gedankenversunken richte ich eine große Schüssel für meine Hundedame. Die Lehrer haben mir das Futter noch am selben Abend gegeben, als ich hier angekommen bin, nachdem sie entschieden haben, dass ich Diana behalten darf. Zum Glück. Ich wüsste nicht, was ich ohne sie machen würde.

In dem Moment klopft es an der Tür. Ich schrecke kurz zusammen. Diana frisst seelenruhig ihre Schüssel leer. Ich schaue kurz in den Spiegel. Okay, ich bin der laufende Zombie höchstpersönlich. Ich schüttle schnell meine Haare und gehe dann zur Tür. Larissa und Ludmilla stehen mit einem fetten Grinsen vor meiner Tür.

"Komm, Silver, es gibt Pizza. Ich will auch noch ein Stück. Ich liebe Salami Pizza", sagt Larissa und will schon meine Hand schnappen, um mich mitzuziehen.

"Warte, warte, es wird schon noch ein Stück für dich da sein. Jetzt lass mich erst mal was anziehen." Grinsend gehe ich zu meinem Schrank und ziehe mir meine Turnschuhe an. Danach gehe ich kurz ins Bad, um mir ein bisschen Wasser ins Gesicht zu spritzen. Endlich sehe ich nicht mehr aus wie ein Zombie. Naja, nun sieht es so aus, als ob ich 10 Tage nicht geschlafen hätte. Ach egal. Ich verabschiede mich von meinem Hund und knuddle sie noch einmal. Danach gehe ich zu meinen zwei neuen Freunden raus.

Zusammen gehen wir zum Speisesaal. Ich stelle mich bei der Essensausgabe an. Wow, hier muss man gar nicht so lange anstehen. Und sogar eine nette Frau ist an der Essensausgabe. Als wir an der Theke stehen, bekommt jeder ein oder mehrere große Stücke Pizza. Oh mein Gott, sie sieht mega lecker aus, ich glaube, ich habe mich gerade verliebt.

Ich suche mir mit den anderen zwei einen Platz und setze mich zu einer Gruppe Zweitklässler. Alle schauen mich neugierig und freundlich an. Schüchtern nicke ich allen zu, bevor ich mich hinsetze. Schnell komme ich mit den anderen ins Gespräch. Wir quatschen viel, und irgendwann lasse ich meinen Blick über die anderen schweifen. Mein Blick sucht grüne Augen. Warte nein, mein Blick sucht nichts Bestimmtes. Irgendwann fällt mir etwas auf.

"Sag mal, wo sind die Lehrer?" frage ich nach einiger Zeit.

"Nicht da, die wollen ungestört sein", antwortet Ludmilla grinsend. Entsetzt starre ich sie an. Oh nein, die roten Augen. Sie trinken Blut. Sie machen das, wovor ich Angst habe. Ich habe Angst vor Blut. Ich kippe echt manchmal um. Kein Scherz. Mir läuft der kalte Schweiß am Rücken runter.

"Die trinken doch kein Blut, oder?" frage ich leise und entsetzt. Larissa fängt an zu lachen. Ludmilla schaut sie böse an.

"Keine Sorge, die wollen nur allein sein", lacht Larissa. Ludmilla schaut sie wieder böse an.

"Was kann ich denn dafür, wenn sie so etwas fragt? Ach, außerdem. Keine Ahnung, wann sie Blut trinken, aber auf jeden Fall nicht jeden Tag", sagt Larissa dann. Ich schaue sie entsetzt an.

"Keine Angst. Menschenblut ist verboten", meint Ludmilla.

"Ach, hast du noch andere Fragen? Muss ja echt heftig sein, so viele neue Erlebnisse. Wir können das alle verstehen", fügt sie noch hinzu.

"Genau, stell bitte noch mal so eine witzige Frage, dann liegen wir alle am Boden vor Lachen." Larissa hält sich vor Lachen schon den Bauch. Kleine Tränen sind in ihren Augen, so sehr wie sie mich auslacht. Ich fühle mich schrecklich. War meine Frage so falsch?

Ludmilla scheint meine Betrübtheit zu spüren. Sie lächelt mir aufmunternd zu und sagt dann. "Du hast auch nicht bessere Fragen gestellt, und ich finde diese Fragen sinnvoller als deine." Larissa muss wieder lachen. Sie kann sich kaum auf ihrem Stuhl halten. Viele schauen schon zu uns rüber.

"Ich habe nie blöde Fragen gestellt", sie versucht ernst zu wirken, aber sie muss immer wieder lachen.

"Und was war mit der Frage, ob du dich nun in eine Fledermaus verwandeln kannst oder ob du in der Sonne glitzerst?" Nun wird Larissa rot.

"Das waren doch keine Fragen", erwidert Larissa empört. "Für mich schon", lacht Ludmilla, und ich muss nun auch lachen. "Sorry, ich hätte nicht so gemein sein dürfen. Manchmal bin ich leider so." Mit einem Schmollmund schaut mich Larissa an. Oh mein Gott, wie kann man da sauer sein.

"Kein Problem. Ich nehme dir nichts übel." Ich umarme sie, und gemeinsam verräumen wir das Geschirr. Danach gehen wir in den Aufenthaltsraum. Ich hole Diana aus meinem Zimmer und setze mich auf ein Sofa, auf dem schon Larissa und Ludmilla sitzen.

"Was läuft da zwischen dir und Will?" fragt Larissa und macht einen Kussmund. Eins habe ich jetzt an Larissa rausgefunden: Offener und direkter kann man nicht sein.

"Nothing, wir sind nur gute Freunde", sage ich. Larissa wackelt mit ihren Augenbrauen, aber ich verneine erneut. Nebenher kraule ich Diana, die sich neben mir auf dem Sofa gemütlich gemacht hat. Auf dem Sofa ist es nun sehr eng. Aber wer hat schon was gegen Kuscheln?

Larissa sieht ein bisschen enttäuscht aus, fängt sich aber schnell wieder. "Und sonst so?" Ich überlege kurz.

"Sag mal, wer ist dieser Alexander?" Die beiden schauen mich mit großen Augen an.

"Uhiii, der ist ein Sahneschnecken. Aber leider ein Geborener und hängt auch nur mit Geborenen ab. Anscheinend der totale Player und Arsch", erzählt Larissa. "Außerdem will er nichts mit uns zu tun haben. Er ist in unserer Parallelklasse und hat dort seine Geborenen Freunde", sagt Ludmilla traurig. Es scheint so, als ob sie es schon versucht hat.

Wir reden noch eine Zeit lang, bis ich mich entschuldige, weil ich nochmal mit Diana raus will. In der Eingangshalle treffe ich Will. Er sieht immer noch super aus, ich dagegen laufe in einer Jogginghose und einem verwaschenen T-Shirt rum. Aber aus irgendeinem Grund ist es mir egal, dass Will mich so sieht. Gemeinsam gehen wir eine kleine Runde in dem Park. Überall sind kleine Lampen, und alles ist wunderschön. Kleine Glühwürmchen fliegen über den Teich. Eine wunderschöne Stille breitet sich aus, umso mehr es dunkel wird.

Als wir wieder zurückkommen, will ich mich gerade von Will verabschieden, als eine Person auf uns zukommt. Mist, jetzt ist es doch unpassend, dass ich mir nichts Besseres angezogen habe. Ich erkenne die fremde Person zunächst nicht, doch als Will ihn mit "Hey Alex" begrüßt, ist es mir klar, dass das Alexander ist. Auch dieses Mal bekomme ich kein Wort raus. Scheiße, hätte ich mir nicht wenigstens eine anständige Hose anziehen können, als die ausgeleierte, verwaschene Jogginghose, ja, ich nenne Jogginghosen so, die ich im Schrank finden konnte.

Also gehe ich einfach schnell weiter und hoffe, dass er mich nicht erkannt hat. Ich winke Will zum Abschied noch und verschwinde dann mit meinem Hund endgültig. In meinem Zimmer angekommen, legt sich Diana auf mein Bett und schläft augenblicklich ein. Ich will auch schlafen, doch ich muss doch Hausaufgaben machen. Ich erledige noch den Teil der Hausaufgaben, den ich verstehe. Mal ernsthaft, erwarten die echt von mir alles zu wissen? Ich bin neu, ich erwarte wenigstens Verständnis, dass ich nicht alles machen kann. Den Geschichtsaufsatz verschiebe ich auf das Wochenende, da ich einfach keine Lust mehr dazu habe.

Anschließend packe ich meine Tasche für den nächsten Tag und mache mich fürs Bett fertig. Ich lege mich neben Diana, die schon tief und fest schläft und ab und zu grunzt. Bevor ich das Kissen mit meinem Kopf berühren konnte, bin ich schon eingeschlafen.

Ich sehe ein Baby, nicht mal ein Jahr alt. Es sieht aus wie ich selbst als Baby. Woher ich das wusste, keine Ahnung. Ich sehe es aus den Augen von jemand anderem. Eine Frau hebt die Kleine auf und drückt sie fest an sich. Sie lächelt, und das Baby gluckst. Die Frau scheint das Baby sehr zu lieben. Danach legt sie die Kleine wieder in ihr Bett. Anschließend, als sie das Baby zugedeckt hat, geht sie auf mich zu und hebt mich hoch. Ich fühle mich sicher und merke in dem Moment, dass ich auch ein Baby bin und alles aus kleinen Kinderaugen mitverfolge.

Die Frau nimmt mich in eine Umarmung. Sie gibt mir einen Kuss auf die Stirn und legt mich zurück in das Bett. Sie lächelt immer noch, doch diesmal traurig. Sie sagt: "Meine kleine Silver, pass immer gut auf deine Schwester auf."

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