2- Die Begegnung im Park

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Verschlafen wache ich auf und schlage mit der Hand auf mein Handy alias Wecker. Kurz darauf springt Diana auf mein Bett und leckt mir einmal quer über das Gesicht. Diana ist meine Hündin, eine Labradormischung, die viel zu fett ist. Als ich mich dann bewege, gibt Diana es endlich auf und legt sich auf meinen Bauch.

"Blöder Hund, erst will sie, dass ich aufstehe, und jetzt komme ich nicht hoch", murmele ich. Ich muss lachen. Ja, ich spreche mit einem Hund, aber ich rede ja auch mit meiner inneren Stimme, quasi mit mir selbst. Nach 3 Minuten habe ich es endlich geschafft, Diana runterzuschieben und aufzustehen, um ins Bad zu gehen. Ich putze mir die Zähne und ziehe mir eine Laufhose an, um mit Diana in den Park zu gehen.

Nach weiteren 10 Minuten habe ich mir einen französischen Zopf mit meinen widerspenstigen Haaren geflochten und bin zufrieden mit dem Ergebnis. "Mhh... okay, so können wir uns sehen lassen."

"Warte mal, uns? Auf einmal..."

Ich schaue auf die Uhr, halb sieben. Um 7 muss ich zurück sein, um rechtzeitig in die Schule zu kommen. Diana hüpft schon ungeduldig um mich herum. Ich habe Diana vor einem Jahr zum 15. Geburtstag geschenkt bekommen, und seitdem kann ich mir ein Leben ohne Diana nicht vorstellen. Ich streiche das Halsband schnell über Dianas braunes Fell und nehme sie an die Leine. Wir wohnen nicht sehr weit vom Park entfernt, etwa 400 Meter. Auf dem Weg schalte ich meine Playlist an und stecke mir die Kopfhörer in die Ohren. Als ich den Eingang des Parks erreiche, jogge ich los.

Nach wenigen Metern muss ich schon anhalten, denn Diana muss mal für kleine Welpen. In dem Moment sehe ich ihn. Der Vampir hat die typischen roten Augen von Gebissenen. Ich entspanne mich sofort wieder, ich bin ja schon 16 Jahre alt. 

"16 Jahre alt und dennoch Niveau wie eine 10-Jährige."

"Ärgere mich selbst über... ähm, mich selbst, also die, ach egal." Doch etwas beunruhigt mich schon an der Anwesenheit des Vampirs.  Obwohl Vampire kein Menschenblut trinken und dies ein Vampir mit roten Augen ist, kann er keinen anderen Menschen verwandeln.

"Buuhh, pass vor dem bösen Vampir auf, er will doch beißen."

"Arg, gibt es da keinen Ausschalter?"

Ich ziehe Diana näher an mich und laufe weiter. Keinen Augenblick lasse ich den Vampir aus den Augen. Das scheint auch er zu bemerken und schaut in meine Richtung. Ich bekomme eine Gänsehaut. Der Vampir schaut mich durchdringend an. Die roten Augen sehen aus wie Feuer. Lava trifft auf Feuer. Ein ewiger Kampf um die Macht, obwohl sie ein und dasselbe sind.

"Gefährlich und wunderschön", flüstert eine Stimme in meinem Kopf. Ich starre zurück. Ich nehme alles wahr: seine blonden Haare, seine blasse Haut, das Feuer in den Augen und das perfekt symmetrische Gesicht. Alle Vampire sehen gut aus, nur das Rot verstört den Anblick, doch ich finde es faszinierend. In dem Moment tritt eine Person zu dem blonden Vampir. Er hat schwarze Haare und auch eine blasse Haut. Ich bleibe nun stehen, weil ich die beiden beobachten will.

Ausnahmsweise kommt kein Kommentar von meiner inneren Stimme. Ich hatte noch nie zuvor einen Vampir gesehen, außer in den Nachrichten, und wie es aussieht, ist der andere auch ein Vampir. Ich habe zwar seine Augen noch nicht gesehen, aber so wie er sich elegant bewegt, muss er einfach einer von ihnen sein. Sie bewegen sich wie Engel, wohl eher Engel des Bösen.

Die beiden begrüßen sich, der Blonde scheint Respekt vor dem Schwarzhaarigen zu haben. "Seltsam", denke ich mir. In dem Augenblick denke ich an Ludmila. Hatte sie auch rote Augen? War sie noch schöner als zuvor? Wo ist sie? Warum meldet sie sich nicht? Diese Fragen stelle ich mir schon lange.

Ich bin so in Gedanken versunken, dass ich Diana nicht bellen höre. Ich bin alleine in meinen Gedanken. Keine Stimmen, nur ich. Erst als vor mir eine Person erscheint, erwache ich aus der Starre. Er hat blaue Augen. Das schönste und durchdringendste Blau der Welt. Der Ozean trifft auf den Himmel, und sie vermischen sich.

"Warte mal, Blau?" denke ich. "Shit, der Typ ist ein geborener Vampir, fuck und Scheiße." Ich stolpere rückwärts und falle dabei über Diana, die sich hinter mir versteckt hatte. Als ich auf dem Boden aufschlage, realisiere ich die Situation und bekomme Panik.

"Ich bin doch schon 16, oder gibt es Ausnahmen? Vielleicht wollen die ja nur nach dem Weg fragen. Quatsch, Vampire können sich überall zurechtfinden, besonders ein Geborener." Auf einmal vermisse ich meine innere Stimme, sie hat mich noch nie im Stich gelassen. Ich habe jetzt zu der Panik noch schreckliche Angst. Ich schaue mich im Park um, keine Menschenseele außer mir. Diana bellt nutzlos die beiden an.

Der Geborene macht eine Handbewegung, und Diana verstummt und versteckt sich wieder hinter mir. In dem Moment bekam ich meine Stimme wieder und schrie die beiden an: "Lasst meinen Hund in Ruhe, ihr Idioten" Der Schwarzhaarige muss schmunzeln und streckte mir eine Hand entgegen, doch ich nehme natürlich das Angebot nicht an und stehe selbst auf. "Arsch! Wie kann er nur?", dachte ich.

"Guten Tag", sagte der Geborene mit einer tiefen, aber angenehmen Stimme. "Ich heiße Tobias, aber alle nennen mich Toby, und das ist Frederik." Er zeigte auf den blonden Vampir. Ich war nun vollkommen durcheinander. Ich hatte noch nie erlebt, dass Vampire sich bei einem normalen Menschen vorstellen. Oh nein, was passiert hier? Schnell zog ich Diana wieder an mich und ging einen Schritt zurück. In dem Moment piepste mein Handy, und ich wusste, ich musste umkehren und nach Hause gehen.

"Ich muss jetzt leider gehen", stotterte ich und drehte mich um. Doch sofort legte mir Toby eine Hand auf die Schulter. Ich zuckte zusammen. Seine Hand war nicht eiskalt, wie ich es vermutet hatte. Ich versuchte, nach unten zu entkommen, doch er hielt mich fest. Frederik kam nun neben Toby und legte auch eine Hand auf die andere Schulter von mir. Mein Herz raste, und ich umklammerte Dianas Leine. Panik stieg in mir auf. Was passiert hier? Soll ich um Hilfe rufen? Ich habe so Angst.

"Du kannst nicht gehen", sagte Toby. "Du bist nun eine offizielle Schülerin der Moonshine Akademie." Im Nachhinein hätte ich gerne ein Foto von mir, denn meine Gesichtszüge entglitten mir, und ich stand sprachlos da. In dem Moment sprach Frederik etwas auf einer anderen Sprache, und mir wurde schwarz vor Augen. Ziemlich schnell wurde meine Sicht weniger, bis sie ganz weg war. Mein letzter Gedanke war: Ciao, Leben.


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