Teil 33 - Schock

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Eine weitere Woche war vergangen, welche ich fast ausschließlich mit Atsumu, Machi oder bei meiner Großmutter verbrachte. Mein Großmutter freute sich wahnsinnig, als ich ihr erzählte, dass Atsumu nun mein fester Freund ist.

Dafür habe ich diese Woche wohl eher Pech. Ich liege seit ein paar Tagen krank im Bett, weshalb ich meine Oma nicht besuchen kann.
Abends erzählt Shinsuke mit zwar immer, wenn er aus dem Krankenhaus kommt, ob es was neues gibt, doch ich würde meine Großmutter natürlich dennoch lieber selber besuchen.
Außerdem ist mir den ganzen Tag einfach nur langweilig, wenn alle in der Schule sind.
Um so mehr freue ich mich also, wenn Atsumu zu Besuch kommt.

In weniger als einer halben Stunde, müsste das Training für heute vorbei sein und dann sehe ich meinen Bruder und Atsumu wieder.
Voller Vorfreude, darüber, dass die Beiden bald wieder hier sein würden und über die Tatsache, dass ich nur noch zwei Tage krankgeschrieben bin und dann meine Großmutter wieder besuchen kann, sprang ich aus meinem Bett und zog mir ein paar frische Sachen an.
Danach ging ich ins Wohnzimmer, um dort auf die Jungs zu warten.

Als diese dann allerdings nach Hause kamen, war ich nicht mehr voller Vorfreude.
Der Trainer, Atsumu und auch Shinsuke - blass, als hätten sie einen Geist gesehen.
Ängstlich begutachtete ich die drei Gesichter und ging langsam auf sie zu.
„Ist irgendwas passiert?" fragte ich vorsichtig, doch niemand sagte etwas.
„Ist was mit Oma?" fragte ich dann fast schon panisch an meinen Bruder gerichtet, woraufhin er allerdings nur traurig den Kopf schüttelte.
„Ist sie Tod?" hakte ich vorsichtig nach und konnte spüren, wie mir ein paar Tränen die Wange runterliefen.
Shinsuke nickte leicht und schloss mich in seine Arme. „Ihr Körper hat das einfach nicht mehr mitgemacht." flüsterte er in mein Ohr, bevor er sich löste.

Überfordert, traurig und einfach nur am Boden zerstört, öffnete ich die Haustür und ging, an den Jungs vorbei, nach draußen.
Ich lief, wie in Trance, die schwach beleuchtete Straße hinab und spürte nicht, wie meine Socken nass wurden, als ich durch die vielen Pfützen lief. So nahm ich auch die Stimmen kaum war, die nach mir riefen.
Mit Tränen in den Augen, lief ich einfach immer weiter, ohne überhaupt ein Ziel zu haben.
Ich nahm nur noch die Gedanken, die durch meinen Kopf schwirrten, wahr.

Ich konnte mich nicht verabschieden.
Ich sehe sie nie wieder.
Sie ist weg.
Sie kommt nicht wieder.
Ich werde nie wieder mit ihr reden können.
Ich werde sie nie wieder lachen hören.
Ich werde sie nie wieder um Rat bitten können.
Nie wieder kann ich sie in den Arm nehmen.
Sie ist Tod.

Erst, als ich von hinten umarmt wurde, kehrte ich wieder in die Realität zurück.
Es tut mir so schrecklich leid. Ich weiß, dass du sie geliebt hast." flüsterte mir eine sehr vertraute Stimme zu.
Ich drehte mich in seinen Armen zu ihm um und sah Atsumu dann, mit Tränen in den Augen, an.
Er drückte mich an seine Brust und streichelte mir mit seiner einen Hand über den Rücken, während er seine andere Hand in meinen Haaren vergrub.
„Ich weiß, dass du gerade am verzweifeln bist und sie wieder haben möchtest, aber bitte irr nicht planlos und ohne Schuhe abends durch diese dunklen Straßen."
Ich nickte leicht und wurde im nächsten Moment hochgehoben.
Wie ein Koala, klammerte ich mich an meinen Freund und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge.
Er trug mich stumm zurück nach Hause, wo Shinsuke mit Tränen in den Augen auf dem Sofa saß.

Ich wünschte mir, als ich ihn so sah, mehr als alles andere, dass ich stärker wäre. Ich wollte stark genug sein, um meinen Bruder jetzt trösten zu können. Ich wollte ihm so sehr helfen, doch ich konnte nicht und wusste auch nicht wie.

Norimune, der Trainer der Jungs und seit neusten auch Teil meiner neuen Pflegefamilie, rief alle in die Küche.
Niemand hier wirkte glücklich. Alle setzten sich, mit den Tränen ringend, an den Küchentisch.
„Ich habe für euch drei eine Kleinigkeit zu essen gemacht. Auch, wenn ihr jetzt vielleicht lieber nichts essen möchtet, tut es bitte trotzdem." sagte er und stellte Shinsuke, Atsumu und mir einen Teller mit angebratenen Reis hin.
Stumm stocherte ich ihm Reis rum und aß letztendlich vielleicht einen Löffel voll Reis.

„Na komm, du könntest ein wenig Schlaf vertragen." sagte Atsumu in einem ruhigen und mitfühlenden Ton.
Ich nickte nur und stand auf.
„Kannst du heute über Nacht bei mir bleiben?" fragte ich ihn dann. Er bejahte meine Bitte und wir gingen gemeinsam nach oben, während Shinsuke zu Norimune ging.

Ich zog mich kurz um und legte mich dann mit Atsumu zusammen in mein Bett.
Ich kuschelte mich an ihn und versuchte einzuschlafen, allerdings weinte ich bloß sein Oberteil voll und bekam langsam Kopfschmerzen vom vielen Geheule.
Atsumu schien das nasse T-Shirt allerdings nicht zu stören. Er streichelte mir sanft über den Rücken und passte auf mich auf, bis ich nach Stunden voller Geheule einschlief.

Ich wachte beinahe ein Dutzend mal auf, doch jedesmal, wenn ich mit Tränen in den Augen aufwachte und daran dachte, dass meine Großmutter tatsächlich nicht mehr da ist, war auch Atsumu wach und beruhigte mich sofort wieder.

In dieser Nacht, realisierte ich, dass Atsumu etwas besseres verdient hat und er bewies mal wieder, dass er ein wundervoller Mensch ist. Erfüllt von Trauer, war ich nun also umso dankbarer, dass er bei mir blieb und mich tröstete. Er hätte mich verlassen können, hätte einfach gehen können und sich das alles ersparen können, doch er blieb und das war sicherlich nicht selbstverständlich.

Lückenlos - Haikyuu FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt