Kapitel 9 - Geheimnisse

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Die ganze Nacht hatte ich kaum ein Auge zugemacht und war dementsprechend mies gelaunt.
Auch die darauf folgenden Tage beschäftigte mich dieses Thema.
Allerdings gab mir weder meine Großmutter noch Shinsuke eine richtige Antwort, wenn ich fragte, ob irgendwas sei.
Es bedrückte mich natürlich schon, zu wissen, dass sie mir scheinbar irgendwas nicht sagen möchten, allerdings mache ich mir auch Sorgen, schließlich machen sie das sicher nicht grundlos.
Daher hatte ich das Thema nun auf sich ruhen lassen, ich wollte weder Shinsuke noch meine Großmutter unnötig in Verlegenheit bringen, wenn sie es mir nicht sagen möchten.

Nichtsdestotrotz ist das leichter gesagt als getan.
Es fiel mir schwer, an etwas anderes zu denken und das viel Machi scheinbar auch auf.
Ich verbringe mit ihr viel Zeit. Sie und Suna sind mittlerweile meine besten Freunde, wobei man das bei Suna wohl nicht so richtig merkt, schließlich verbringen wir eher online Zeit miteinander.
Dennoch bin ich froh, wenn ich mit ihm zusammen irgendwas spielen kann. Er lenkt mich immer von meinen Sorgen ab und das ohne, dass ich ihm etwas erzählen oder erklären müsste.
Er ist einfach nur für mich da, so auch jetzt.
Es ist Freitagabend und wir spielen schon seit Stunden ein Spiel und geben dabei keinen Laut von uns. Ich bin mir nichtmal sicher, ob er sein Headset überhaupt noch trägt und bemerken würde, wenn ich was sagen würde, aber das ist auch egal, denn wir müssen gar nichts sagen.

Als wir anfingen, war es noch hell draußen, doch mittlerweile ist es schon stockfinster draußen.
Ich beschloss also mich zu verabschieden und das Spiel zu verlassen.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es tatsächlich schon sehr spät ist, weshalb ich wohl mal nachsehen sollte, was die anderen Beiden machen.

Auf dem Weg nach unten, blieb ich allerdings auf der Treppe stehen. Ich konnte ein Gespräch belauschen, welches wohl einiges erklärt.

„Shinsuke, ich kann dir das nicht zumuten. Du machst doch jetzt schon viel zu viel."

„Mich um meine Großmutter zu kümmern, ist wohl kaum zu viel."

„Aber aber... du machst alles alleine, ich kann dir nicht helfen, ich bin einfach zu alt und Sakiko ist einfach ein kleiner Tollpatsch und auch noch Jung und nicht so Verantwortungsbewusst, sie ist nicht wie du, sie kann sich doch kaum um sich selbst kümmern und das sollte sie auch nicht müssen, ebenso wie du."

„Ich kümmere mich doch um sie und um mich muss sich niemand kümmern, ist nicht notwendig."

„So viel Verantwortung solltest du aber nicht tragen, du bist doch selber noch ein Kind. Ich werde in ein Altersheim ziehen, ich möchte nicht, dass du dich um mich kümmern musst. Du brauchst jemanden, der sich um dich kümmert, nicht andersrum und du solltest dich auch nicht alleine um deine Schwester sorgen müssen. Ihr seid vielleicht keine Kleinkinder mehr, aber sicher auch nicht erwachsen."

„Nicht doch, ic-"

„Hör zu. Ich möchte, dass ihr jemanden habt, der sich um euch kümmert, ihr seid noch nicht erwachsen, doch ich kann mich nicht kümmern und andere Verwandte habt ihr nicht. Ich weiß nicht, was ich tun soll."

„Ruh dich erstmal aus, wir reden morgen nochmal darüber."

Meine Großmutter verließ das Wohnzimmer und ging in ihr Zimmer, Shinsuke blieb auf dem Sofa sitzen und ich ging zu ihm.

„Wieso habt ihr mir nichts gesagt?" Platze es unüberlegt aus mir raus. Ich war mir keineswegs sicher, ob ich es ansprechen sollte, doch die Sorgen meiner Oma zu hören und dass sie hier ausziehen will, kann ich nicht stillschweigend hinnehmen und auch nicht die Lasten, die meinem Bruder auferlegt werden, wegen mir.
Leicht besorgt sah mich mein Bruder an und klopfte auf den Platz neben sich.
Nachdem ich mich gesetzt hatte, schien es so, als würde er nach dem richtigen Worten suchen.
„Du hast ja gehört, wie sie denkt. Sie macht sich Sorgen, weil sie schon alt ist und nicht mehr viel machen kann und sie diejenigen ist, die Hilfe braucht. Es bereitet ihr Kummer, dass niemand für uns sorgt, aber mach dir keine Sorgen, Sakiko. Ich kümmere mich um unsere Großmutter und ich kümmere mich um dich. Mach dir keine Sorgen."
Liebevoll tätschelte er mir den Kopf und lächelte leicht, doch dieser Anblick zerbrach mir das Herz und mir kamen die Tränen. Was dachte er sich bloß?
„Und was ist mit dir? Ich möchte auch nicht, dass sie hier auszieht und sich Sorgen macht, aber was ist mit dir? Ich kann dich das nicht alles alleine machen lassen. Ich bin kein kleines Kind mehr, ich werde dir helfen!"
Ohne weiter nachzudenken, stürzte ich mich über meinen Bruder und schloss ihn in meine Arme. Ich wollte weder ihm noch meiner Oma Kummer bereiten, doch es scheint mir so, als wäre ich für sie momentan nur ein Dorn im Auge und das will ich ändern, ich will helfen.

Noch eine ganze Weile redete ich mit Shinsuke.
Als er schlafen ging, war es schon nach Mitternacht, doch es gab so viele Dinge, die in meinem Kopf umher schwirrten, dass ich gar nicht ans schlafen denken konnte.
Ich wollte hier weg, brauche Abstand von hier, um einen klaren Kopf zu bekommen.
Doch Machi schläft wahrscheinlich schon, aber vielleicht Suna nicht.
Ich beschloss ihm eine Nachricht zu schicken.

Sakiko:
Bist du wach?

Suna:
Ja, ist was?

Sakiko:
Kann ich bei dir übernachten?

Suna:
Ich schicke dir die Adresse. Bis gleich.

Ich war froh, dass Suna kein Problem damit hatte. Nachdem ich ein paar Sachen zusammengepackt hatte, schlich ich mich vorsichtig raus. Shinsuke sollte nichts merken, er wäre Stocksauer, weil es schon so spät ist.
Sunas Zuhause war etwa fünfzehn Minuten Fußweg entfernt, was gar nicht mal so weit weg ist.

Als ich vor der Adresse stand, die er mir gesendet hatte, schrieb ich ihm, dass ich da bin.
Ich wollte nicht klingeln, weil ich nicht wusste, ob ich dadurch jemanden aufwecken würde. Er hatte die Nachricht sofort gelesen und einige Sekunden später wurde mir die Tür geöffnet, allerdings nicht von Suna.

„Osamu?" murmelte ich ungläubig, als ich den grauhaarigen vor mir stehen sah.
„Ja, Suna ist oben. Einfach nur die Treppe hoch und rechts die letzte Tür." erklärte er monoton und trat ein Stück zur Seite, damit ich reinkommen konnte.
Ich nickte kurz und ging dann den eben erklärten Weg, während Osamu im Wohnzimmer blieb.
Nach einem kurzen Klopfen, betrat ich dann vorsichtig Sunas Zimmer.

„Ah, Sakiko. Setzt dich ruhig." Suna deutete auf sein Bett.
„Danke, dass ich herkommen durfte, aber ich wusste nicht, dass Osamu hier ist, störe ich?"
Ich hätte vielleicht nachdenken sollen, bevor ich Suna schreibe.
„Nicht doch, er ist nur hier, weil er nicht alleine Zuhause sein wollte, aber sag Mal, wie kommt es, dass du mitten in der Nacht herkommen wolltest? Stimmt etwas nicht?"
Sein Blick durchbohrte mich beinahe, ich erzählte ihm also, was passiert war und er hörte aufmerksam zu.
„Ah, verstehe. Du solltest erstmal eine Nacht darüber schlafen und dann vielleicht nochmal das Gespräch zu deiner Familie suchen. Mach dir keine Sorgen, das wird schon." ermutigend klopfte er auf meine Schulter, bevor er aufstand.
„Du solltest jetzt besser schlafen, du siehst ziemlich fertig aus." lachend musterte er mich.
Ich nickte kurz und musste gähnen, weshalb er wieder lachte.
„Schlaf ruhig in meinem Bett, ich gehe runter zu Osamu."
„Warte, wo schlaft ihr denn dann?"
Ich fühlte mich schlecht, ich wollte ihm keine Umstände bereiten.
„Mach dir deswegen mal keine Gedanken. Gute Nacht." und schon war er durch die Tür verschwunden.

Viele Gedanken konnte ich mir allerdings tatsächlich nicht mehr machen, ich war völlig ausgelaugt und ich konnte meine Augen kaum noch offen halten.

Lückenlos - Haikyuu FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt