16. Kapitel

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"Wo kommst du jetzt her?, "Wo warst du die ganze Nacht?", "Wer ist das zu dem du gestern ins Auto gestiegen bist?" - all diese Fragen brennen mir auf der Zunge. Doch ich will keinen Streit anfangen. Also sage ich stattdessen "Überraschung!" und schenke ihr mit ausgebreiteten Armen ein gewinnendes Lächeln.
Stocksteif steht sie einen winzigen Augenblick einfach nur da, schließlich kommt doch noch Leben in meine Frau und sie ist in wenigen Schritten bei mir. Ja, sie springt mir förmlich in die Arme und schlingt ihre eigenen um meinen Hals. Mit einem solch innigen Begrüßungskuss habe ich nicht gerechnet. Sieht ganz nach schlechtem Gewissen aus. Doch ich nehme was ich kriegen kann und erwidere den Kuss. Lang und intensiv. Als wir uns endlich voneinander trennen stehen wir händchen haltend voreinander und sehen uns an.
"Was tust du denn hier?" fragt sie atemlos.
"Ach, ich war gerade in der Nähe." lüge ich.
Su sieht mich mit ihrem typischen Susan Blick an. Dem mit dem sie mich durchleuchtet wie ein Röntgengerät. Es ist diese Art Blick mit dem eine Frau jede Lüge oder Fehlverhalten ihres Mannes aufdeckt.
"Quatsch." gebe ich zerknirscht zu und fahre mir mit beiden Händen durch das Haar. "Ich bin wegen dir hier. Ich wollte ... nein ich musste dich sehen! Ich ... ich ..."
Su sieht mich liebevoll an und ihre Augen beginnen verdächtig zu glänzen. "Oh Tony." seufzt sie. "Komm her!" Damit greift sie mich am T-Shirt und zieht mich zu sich ran. Wie zwei Magnete finden sich unsere Münder erneut.
"Ich hab' dich so vermisst!" keuche ich zwischen zwei Küssen.
Sie nickt stumm.
"Ich liebe dich, Su!" ich ziehe den Kopf etwas zurück um ihr in die Augen sehen zu können. Sie muss sehen können das ich die Wahrheit sage. "Ich liebe dich über alles, Darling!" sage ich mit der ernsthaftesten Stimme zu der ich in diesem Moment fähig bin. Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich wahnsinnigen bammel davor, dass sie mich nicht mehr liebt und gleich vor die Tür setzt.
"Und ich liebe dich, Tony! So wie immer. Daran wird sich nie etwas ändern. Es tut mir so leid!" wimmert sie. Mit einem Mal laufen ihr die Tränen in Ströhmen über die roten Wangen.
Was hat mein wunderschönes Mädchen nur?
"Hey Darling, was ist denn los? Es ist doch alles gut." Sanft ziehe ich sie in eine Umarmung. Ich halte sie ganz fest und wiederhole immer wieder. "Scht. Ich bin ja da. Jetzt bin ich ja da." während sie sich an meiner Brust ausweint.

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"Hey, was ist denn hier los?" Aufgeschreckt durch Ava's Stimme fahren wir auseinander. Erschrocken drehe ich mich zur Spüle und wische mir hastig mit dem Handrücken die Tränen von den Wangen.
Tony legt sanft seine warme Hand auf meinen Rücken.
Ava ist inzwischen ganz in die Küche gekommen, holt sich eine Flasche Mineralwasser aus dem Kühlschrank und setzt sich an den Küchentisch. Merkt sie denn gar nicht das sie stört?
"Oh warte, sagt mir jetzt nicht das ihr euch getrennt habt!" keucht sie plötzlich. "Mom war mit diesem Typen unterwegs. Über Nacht. Du." sie deutet auf ihren Vater. "Sie hat es dir gebeichtet und jetzt hast du Schluss gemacht."
Danke, Töchterchen das du es ansprichst!
Sie springt von ihrem Stuhl auf und wirft theatralisch die Arme in die Luft. "Oh Mom, wie konntest du nur?" Böse funkelt sie mich an.
Was geht denn hier ab?
Fassungslos sehen wir beide unsere Tochter dabei zu wie sie, ganz die Dramaqueen vor unseren Augen zusammenbricht.
"Bist du fertig?" fragt Tony irgendwann dazwischen. "Dein Leienschauspiel war ja ganz interessant, aber jetzt reichts." bringt er sie zum schweigen. "Halte den Mund und setz dich!" befiehlt er. Und sie gehorcht.
"Also erstens, deine Mutter hat mir mit nichten was gebeichtet. Das muss sie auch nicht, weil ja gar nichts geschehen ist. Stimmt's Schatz?" Er sieht zu mir herüber.
Ich nicke eifrig, sehe aber statt in seine Augen auf meine Fußspitzen.
Er scheint es nicht zu bemerken. "Und zweitens, geht es dich einen feuchten Kehrricht an, was für Probleme deine Eltern miteinander haben."
"Du gibst es also zu?" wirft sie dazwischen.
Überrumpelt sieht er sie an und fragt. "Was?"
"Du hast gerade zugegeben das ihr Probleme habt. Es ist ja auch offensichtlich das es so ist. Warum wäre Mom sonst hier her abgehauen."
Tony steht der Mund offen, während ihm seine Tochter mal die Meinung sagt.
"Du weißt ja wie ich dazu stehe, Dad. Du hast sie ..." Damit deutet sie mit dem Zeigefinger auf mich. "... scheiße behandelt. ..."
"Ava." weise ich sie zurecht. "Nicht fluchen!"
"Ach komm schon, Mom. Du hast ganz andere Probleme als meine Ausdrucksweise." Ihren Satz unterstreicht sie mit einem Augenrollen.
Was bitte?
"Dad, Mom ist in New York einsam, scheiße nochmal. Du behandelst sie wie Dreck. ..."
Tony macht einen Schritt auf sie zu und erhebt die Hand. Er wird doch nicht. Doch er besinnt sich seines Gebahren und bleibt abruppt stehen.
Ava spricht ungerührt weiter. "... Sie hat zu Hause niemanden. Und ja, ich weiß, gleich wirst du sagen, dass Aiden und ich ja auch nie zuhause sind. Das stimmt sogar. Aber wir haben es eingesehen. Wir vermissen Mom. Und haben beschlossen uns zu ändern. Aber du ..."
"Woher willst du wissen das ich es nicht auch begriffen habe und mich ändern will?" fragt er wütend und erntet dafür einen skeptischen Blick von seiner Tochter.
Sie schnaubt "Ja klar." und winkt ab.
Bisher konnte ich dem Schauspiel nur sprachlos zuschauen, doch nun reicht es. Laut sage ich. "Ava, ich finde es nicht gut wie du mit deinem Vater sprichst! Dazu hast du kein Recht."
"Ach Mom, du findest doch auch das es mal höchste Zeit war das alles auf den Tisch kommt. Sich heimlich davon stehlen und in einem anderen Land verkriechen macht es nicht besser."
"Ava ..." weiter komme ich nicht, da hat Tony seiner Tochter doch eine runter gehauen.
"Tony." entfährt es mir. "Was ..."
"Sie kann so nicht mit dir reden. Nicht mit dir. Ich habe es verdient." erklärt er halb wütend, halb traurig.
"Aber ..." traurig weil das alles ausartet sehe ich zu Boden. Irgendwie ist mir plötzlich schwindlig. Wieder muss ich mich um nicht umzukippen an der Spüle festhalten. Ava reibt sich die schmerzende Wange und funkelt durch tränenverhangene Augen ihren Vater und mich abwechselnd an.
"Schatz, ..." beginne ich und will ihr die Hand auf die Schulter legen, doch sie schubst sie weg und stürmt aus dem Zimmer. Ich will ihr hinterher eilen, doch er hält mich zurück.
"Lass sie! Die beruhigt sich schon wieder. Ein echtes Upper East Side Mädchen kommt damit schon klar." Aus ihm spricht die Lebenslange Erfahrung an der Upper East Side.
Ich nicke stumm.
"Das ist ganz schön ausgeartet oder?" meint er trocken. "So habe ich mir unser Wiedersehen eigentlich nicht vorgestellt." lacht er träge.
"Ich mir auch nicht." Müde lasse ich mich auf einen Stuhl fallen. "Und das schlimmste ist, sie hat recht mit dem was sie sagt."
Tony setzt sich auf den Stuhl neben mich, sieht mir in die Augen und ergreift meine Hände.
"Wir haben Probleme. Und anstatt das ich das mit dir wie eine Erwachsene kläre, haue ich heimlich ab. Ich hintergehe dich und zwinge sogar Jarvis dich zu belügen."
Ein Funkeln erglimmt in seinem Blick. "Ich wusste es. Dieser Schuft! Aber wenn es dich tröstet, ich glaube solch einen Spaß hatte er noch nie." lacht er angesäuert.
Sein schiefes Grinsen lässt mich lächeln.
"Sei ihm nicht böse." bitte ich leise.
"Was glaubst du würde ich machen?" meint er. "Denkst du ich würde ihn aus Wut auseinander nehmen?" Jetzt lacht er sogar ein ehrliches Lachen. "Jarvis ist um einiges schlauer als ich, er wüsste das zu verhindern."
"Du Spinner!" lache ich und lege ihm eine Hand auf den Unterarm. Wir wissen beide, dass es nicht gerade viele Menschen gibt die so schlau wie er sind. Jarvis zählt nicht dazu. Schließlich hat er ihn erschaffen. Und das als Teenager.
"Ich bin Ava eigentlich ziemlich froh das sie es mal so offen aufs Tapet gebracht hat!" gebe ich zu. "Und ich bin froh das du hier bist!" Damit beuge ich mich zu meinem Mann und küsse ihn. Ich lege so viel Wahrheit in den Kuss wie mir möglich ist und hoffe so mein Fehlverhalten wieder wett zu machen.

Stark - Für euch - Für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt