57. Kapitel

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Das Joe's war rappelvoll und eine penetrante Mischung aus Bier, Schweiß und Zigaretten hing in der Luft. Aimee versuchte alles um sich herum zu ignorieren, während sie sich durch die Menschenmassen drängte. Der alte, schmutzige Ausschankraum wurde von rotem Licht erhellt, dass dem Ganzen eine düstere, unheimliche Aura verlieh. Alles in ihr schrie sie an umzudrehen und zu flüchten. Doch sie konnte nicht. Sie war aus einem bestimmten Grund hier und würde erst wieder verschwinden, wenn sie hatte, was sie wollte.

Eine Hand legte sich auf ihren Hintern und Aimee musste sich zusammenreißen, sich nicht umzudrehen und dem Schwein eine zu verpassen. Seufzend erreichte sie die Theke und ließ sich auf einem der abgesessenen Hocker nieder. Der Barkeeper schenkte ihr ein anzügliches Lächeln und genoss für einige Sekunde den Ausblick ihres tiefen V-Ausschnitts. „Was darf's sein?"

„Ein Bier", sagte sie, zog ein paar Scheine aus dem Dekolleté und reichte sie ihm. Der Mann schüttelte den Kopf. „Passt schon."

„Ich suche El Hombre?"

Jetzt sah er ihr ins Gesicht. „Was will eine hübsche Frau wie du von El Hombre?"

„Geschäfte machen."

Ungläubig sah er sie an, nahm dann das Geld und stopfte es sich in die Hosentaschen. Er nickte mit dem Kopf in Richtung des Toilettenflurs. „Er sitzt im Lagerraum .. Mach keine Dummheiten in meinem Laden, Süße. Haben wir uns verstanden?"

Aimee nickte dem Barkeeper ernst zu, glitt von dem Stuhl und durchquerte den Raum zu dem Toilettenflur. Vor dem Lagerraum hielt sie inne, atmete tief durch und klopfte dann an. Noch bevor ihre Hand die Türklinke berühren könnte, wurde diese auch schon aufgerissen und ein kleiner Chinese starrte finster aus seinen dunklen, mandelförmigen Augen an. „Was willst du?!"

„Ich brauche eine Waffe."

Der Mann musterte sie kritisch. „Ich verkaufe keine Waffen."

Gloria schickt mich." Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Obwohl der Mann einen halben Kopf kleiner war als sie machte er ihr Angst. „Sie sagte, du wärst mein Mann."

„Gloria", wiederholte der Mann und dachte einen Moment nach.

„Wenn nicht, gehe ich woanders hin." Aimee machte einen Schritt zurück und die Augen des Mannes weiteten sich. Er streckte einen Arm aus und bedeutete ihr zu warten. „Nein. Nein. Nein. Ich denke, ich kann helfen."

Er trat einen Schritt zur Seite und bedeutete ihr einzutreten. Aimee schob ihre Hand in die Jacke und umfing den Griff des Küchenmessers fest, während sie vorsichtig eintrat und sich in dem geräumigen Lager umsah. Der Chinese schloss die Tür hinter ihr ab und verschwand dann im hinteren Teil des Raums. Argwöhnisch sah Aimee sich um, betrachtete die Regale und suchte mögliche Waffen.

Der Chinese tauchte wieder auf und warf ihr einen finsteren Blick zu. „Komm!"

Aimee folgte ihm, zog ein Stück weit das Messer aus der Jacke und blickte vorsichtig um jede Ecke. Im hinteren Teil des Lagerraums stand ein Schreibtisch. Darum schirmten ihn mehrere Kartons ab. „Was für eine Waffe brauchst du?", fragte er frei von jedem Akzent. Er hob einen Karton von einem Stapel und stellte sie vor sich auf den Boden.

„Eine Glock."

Er wühlte in der Kiste und reichte ihr die Waffe. Aimee wog sie in der Hand, zielte auf einen der Kartons und nickte dann zufrieden. „Munition und eine Weste."

„Wenn du eine Bank ausrauben willst, dann wäre eine Maske noch hilfreich." Aimee warf ihm einen finsteren Blick zu, woraufhin er verstummte. Rasch sammelte er die übrigen Sachen zusammen. „War es das?"

„Ja", antwortete Aimee knapp und zog ein Bündel Scheine aus ihrem BH. „Reicht das?"

Der Chinese zählte durch und nickte dann. „Wir sind quitt."

„Gut." Aimee verstaute die Weste in der mitgebrachten Tasche, lud die Waffe und steckte sie in ihren Hosenbund. Der Mann begleitete sie zu einer Seitentür, öffnete sie und verabschiedete sich knapp. „Richte Gloria meinen Dank aus."

„Werde ich." Die Tür fiel hinter ihr zu und sie atmete tief durch. Sie hatte wirklich Glück gehabt, dass ihre redselige Friseurin die Tante von dem Chinesen gewesen war und ihr davon erzählt hatte. Andernfalls wäre Aimee noch immer schutzlos der Situation ausgeliefert.

Am Ende der Seitenstraße klapperten Flaschen und lautes Männerlachen drang an ihr Ohr. Sie bekam eine Gänsehaut und fror leicht. Jetzt da sie alles hatte, konnte sie Nachhause gehen.

Aimee machte auf dem Absatz kehrt und bog auf die Straße vor den Pub ein. Mit gesenktem Kopf und starr auf den Boden gerichteten Blick umrundete sie die betrunkenen Männer und zählte die wenigen Meter hinab bis sie eine sicherere Gegend erreichte. Sie stieß mit einer Schulter zusammen und geriet ins Straucheln. Aus dem Augenwinkel erhaschte sie einen Blick auf zwei große, dunkelhaarige Männer, die zielstrebig den Pub ansteuerten. Einer von ihnen drehte sich zu ihr um und knurrte ein Sorry.

Aimee erstarrte und hatte das Gefühl, als würden ihre Beine gleich unter ihr nachgeben. Das Gesicht war ihr vertraut. Sie hatte den Mann schon mal gesehen. Auf einem Bild, als sie den Hintergrund von Conner durchleuchtet hatte. Blake Phoenix.

Ihr Blick glitt zu dem Mann neben ihm und ihre Welt geriet ins Wanken. Sie sah ihn zwar nur von hinten, erkannte ihn dennoch. Conner. Er war hier und sie suchten nach ihr. Sie durfte jetzt nicht geschnappt werden. Nicht solange Parker noch hier draußen rumlief. Reiß dich zusammen, ermahnte sie sich, machte auf dem Absatz kehrt und dann rannte sie.

Bleib doch wo der Pfeffer wächst, Arschloch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt