25. Kapitel

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Conner trat aus der Dusche, schlang sich ein Handtuch um die Hüften und griff dann nach seinem Handy auf dem Waschbecken. Grummelnd starrte er die lange Liste verpasster Anrufe an. Er war doch nur drei Tage weg gewesen. Wieso hatten seine Schwestern ihn in der Zeit so oft angerufen?

Wahrscheinlich hatte Gabriel ihnen erzählt, dass er ihre Anwesenheit am Wochenende in Frage gestellt hat, um von ihm abzulenken.
Wunderbar. Er konnte sich lebhaft vorstellen wie die Mädels die Köpfe zusammensteckten und einen Plan ausheckten, um sich an ihm zu rächen.

Unter diesen Umständen wäre ihm ein Wochenende mit der Analystin lieber als achtundvierzig Stunden mit fünf, nein
sechs Frauen - immerhin gab es da noch seine liebreizende Nichte Jamie, die er zwar liebte, aber bei Frauen wusste man nie. Früher oder später würden seine Schwestern das Nesthäkchen auf ihre Seite ziehen und dann wäre es vorbei mit seinem Titel als Lieblingsonkel.

Conner legte das Handy wieder zurück und ging dann in sein Ankleidezimmer, wo er sich ein schwarze Boxershorts anzog. Er war gerade erst aus seinem Außendienst zurück und musste sich von den vergangenen vierundachtzig Stunden erholen. Seine Schwestern waren dabei keine Hilfe.

Mit einer Flasche Bier in der Hand ließ er sich auf seinen Sessel fallen, schaltete den Fernseher an und brummte zufrieden, als die Berichterstattung der vergangenen Footballspiele begann.

Conner nahm einen Schluck und hielt abrupt inne. Zum Teufel. Diese Familie verfolgte ihn. Der Sportmoderator schwenkte zu einem ehemaligen Profispieler über und begann eine lebhafte Diskussion über die Spielzüge. Sein älterer Brüder Maddox grinste in die Kamera und startete seinen Auftritt mit einem albernen Anekdote aus seiner Zeit als Starquaterback, bevor er auf den Moderator einging.

Was war denn jetzt los? Als er drei Monate undercover in Sankt Petersburg ermittelt hatte, hatte er sogar zwei Wochen nach seiner Rückkehr kein Wort von seiner Familie gehört. Jetzt war er gerade einmal drei Tage verschwunden und er hatte das Gefühl, dass sie neben ihm auf dem Sofa saßen, ihn anstarrten und sich spitzbübisch darüber freuten, ihn in seiner Ruhe zu stören.

„Nicht einmal ein Bier kann man genießen", sagte er, schaltete den Fernseher wieder aus und ging zurück in die Küche. Mit wenigen Zügen leerte er das Bier, schob die Flasche in den Kasten und griff dann nach seinem Handy. Gedankenverloren scrolle er durch seine Kontaktliste. Call me, Betthany stand auf seinem Display und er musste einen Moment nachdenken. Betthany. Eine kleine, zierliche Blondine mit straffen Beinen und einer sehr üppige Oberweite fiel es ihm wieder ein. Sofort tippte Conner eine Nachricht und hoffte, dass seine Clubbekanntschaft noch immer Interesse an ein wenig Spaß hatte. Das war wohl im
Augenblick die einzige Sache, die seine Geschwister ihm nicht kaputt machen konnten.

Conner zog eine Schublade auf und wollte gerade sein Handy hineinwerfen, da klingelte es. Sofort nahm er den Anruf entgegen.

„Ja?"

„Hallo Lieblingsbrüderchen", trällerte es durch die Leitung.

„Was willst du, Leigh?"

„Wieso sollte ich etwas wollen? Kann ich nicht einfach so anrufen und dich fragen wie es meinem Lieblingsbruder geht?"

Conner seufzte. Langsam bekam er Kopfschmerzen. Wenn es so weiter ging, dann hatte er am Ende des Tages mit all seinen neun Geschwistern gesprochen. „Erstens rufst du nur an, wenn du etwas möchtest. Und zweitens ist jeder dein Lieblingsbruder, wenn du etwas haben möchtest. Also spar dir diese Leier und
komm zum Punkt. Zeit ist kostbar."

„Einen Augenblick", rief Leigh ins Telefon. Dann war es still. „Sorry, ich musste mich vergewissern, dass ich auch wirklich mit dir und nicht doch mit Gabriel spreche. Hat Gabriel dir seinen Stock per Gedankenübertragung in den Arsch gesteckt?"

„Leigh."

„Mein Gott. Langsam wirst du zum Spießer."

Conner kniff sich in die Haut zwischen seinem
Augenbrauen. „Wieso fragst du nicht einfach Gabriel, sondern belästigst mich?"

„Du bist ätzend, aber gut. Ich brauche ein Ersatzteil für mein Motorrad aus der Stadt. Einen Keilriemen, um genau zu sein. Kannst du mir den bitte mitbringen? Dad und ich kommen nicht weiter."

„Wieso ich und nicht Gabriel oder ein anderer deiner Brüder?"

Leigh seufzte. „Weil ich angenommen hatte, dass du der Coolste von allen wärst. Und um deine Frage zu beantworten: Gabriel will, dass ich mich auf meine Schule konzentriere und mich auf ein Studium bewerbe. Er meinte, er lässt mir dieselbe Unterstützung wie euch erst zukommen - wenn ich einen für ihn akzeptablen Plan fürs Leben habe, der nicht mein Motorrad und einen Rucksack beinhaltet."

„Das klingt ganz nach Gabriel."

„Ja. Mein Gott. Ich hänge ein Jahr hinterher, weil ich statt zu lernen mit Dad an diesem Bike für den Wettbewerb geschraubt und trainiert habe. Aber .."

„Ich habe schon verstanden", unterbrach Conner sie barsch. „Schick mir die Daten und ich bringe es mit."

Leigh atmete erleichtert auf der anderen Seite auf. „Du bist der beste Bruder auf de-"

„Spar es dir, Leigh. Ich mach das nur aus Gründen, die ich dir nicht nennen werde. Außerdem habe ich etwas Gut bei dir."

„Ich habe gehört, dass es hier Leute gibt, die mit dir noch ein Hühnchen zu rupfen haben. Hühnchen ist dabei ein gutes Stichwort. An deiner Stelle würde ich am Wochenende auf die Keule verzichten und genau auf Eimer und Türen achten. Man greift tief in die Trickkiste der alten Schule. Wenn du verstehst, was ich meine."

„Verstanden", antwortete Conner und musste unwillkürlich lächeln. Er hatte es doch geahnt. Blöd für die Mädels, dass in ihrer Familie ein Geheimnis nie lang ein Geheimnis blieb.

„Dieses Telefonat hat nie statt gefunden", murmelte Leigh zum Abschied und dann war die Leitung tot. Conner verdrehte die Augen. Es überraschte ihn nicht, dass Leigh das Gespräch mit diesen Worten beendet hatte. Seine jüngste Schwester hatte eine Affinität zu allem, was irgendwie Böse und Geheimnisvoll klang. Vor nicht allzu langer Zeit hatten sie noch gemeinsam Cop und Bösewicht gespielt. Es war beängstigend wie clever seine kleine Schwester als Bösewicht war, immerhin hatte sie ihn und seinen Bruder Blake einige Male ganz schön ausgetrickst und auf die falsche Fährte geführt. Hoffentlich lebte sie diese Seite niemals im echten Leben aus.

Es klingelte an der Tür. Rasch warf er einen letzten Blick auf sein Handy und grinste zufrieden, als er die letzte eingegangene SMS aufleuchten sah.

Bin da, Babe

Schnell ging er zur Tür, riss sie auf und lehnte sich dagegen. „Schön, dass du da bist."

Betthany trat auf ihn zu, schmiegte sich an ihn und warf ihren Kopf in den Nacken. „Mach, dass es sich gelohnt hat in diesem Aufzug durch die Stadt zu fahren."

Mit ihren langen Fingern öffnete sie langsam die Knöpfe ihres Trenchcoats und Conner konnte sich sehr gut vorstellen, was sich darunter verbarg. Er warf die Tür ins Schloss. Noch bevor der Knall der Tür durch sein Appartement hallte, hatte er sie an die Wand gedrückt und ihre vollen Lippen erobert. Das brauchte er jetzt ganz dringend.

Bleib doch wo der Pfeffer wächst, Arschloch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt