47. Kapitel

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Einmal mehr starrte Aimee die Zeitanzeige auf ihrem Handy an, als wenn das etwas ändern würde. Die Aussicht gleich wieder für ein paar Stunden mit Parker und Conner in einem Raum gefangen zu sein, stimmte sie nicht glücklich. Am Liebsten würde sie ganz weit weggehen und erst wiederkommen, wenn der Spuk vorbei war. Doch so leicht würde sich dieses Drama nicht lösen lassen.
Kopfschüttelnd stopfte sie ihre Sachen in die Tasche und blickte ein letztes Mal prüfend in den Spiegel.

Die Tür zur Damenumkleide wurde geöffnet und jemand trat ein. Aimee wand sich mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen um, um die eintreffende Frau zu begrüßen, und erstarrte.

Der Schlüssel im Schloss wurde umgedreht.
Scheiße.

Parker lehnte sich mit dem Rücken an die Tür und kostete die Sekunden aus, um sie in aller Ruhe zu mustern. „Du bist noch hübscher als vor einem Jahr, Liebling."

Aimee erschauerte. Liebling. So hatte er sie damals immer genannt. „Was willst du von mir, Parker?"

„Wir haben bisher kaum ein Wort miteinander gewechselt. Das sollte so nicht sein, nach allem was wir gemeinsam erlebt hatten." Er sah sie an.
„Deinetwegen wäre ich beinahe gestorben. Wieso sollte ich dich begrüßen, als wenn nie etwas gewesen wäre?"

„Wenn man sich liebt, dann geht man gemeinsam durch Dick und Dünn. In guten wie in schlechten Zeiten heißt es doch, oder nicht? Vor einem Jahr war es eine schlechte Zeit und du hattest beschlossen, sie alleine zu überstehen. Ich habe akzeptiert, dass du etwas Zeit brauchtest -"

„Du nennst das eine schlechte Zeit? Das war eine Katastrophe und ein Wendepunkt in meinem Leben. Wir haben Schluss gemacht, Parker."

„Du solltest nicht die guten Zeiten vergessen, die wir miteinander erlebt haben. Wir waren ein perfektes Team, haben gut miteinander harmoniert und unsere Beziehung war voller Leidenschaft, Liebe und Lust. Wir waren fantastisch, Aimee, und haben gemeinsam viel Spaß gehabt", redete er unbeirrt weiter.
Fassungslos starrte sie ihn an. Seine Worte verschlugen ihr beinahe die Sprache. „Was redest du denn da? Wir waren kein gutes Paar. Wir hatten nie Spaß."

„Das stimmt nicht. Was war mit unserer Kontinententrip? In dem Sommer vor sechs Jahren als wir in vier Wochen jeden Kontinent bereist haben. Oder als wir vor fünf Jahren die Savanne erkundet und eine Woche mit den Ureinwohnern gewohnt haben? Was ist mit unserem Kulturausflug nach Venedig gewesen? Oder mit unserem Abenteuerurlaub in Spanien? Wir hatten eine Menge Spaß gemeinsam."

„Das waren Dinge, die dir gefallen haben", sagte sie und schüttelte den Kopf. „Wir haben nie etwas gemacht, was mir gefallen hat. Du kennst mich überhaupt nicht, Parker."

„Bullshit!" Er stieß sich von der Tür ab und kam langsam auf sie zu. „Ich kenne dich sehr wohl und wir hatten Spaß. Wieso sonst hättest du meinen Heiratsantrag sonst angenommen?"
Aimee umklammerte die Gurte ihrer Tasche fester und presste die Lippen aufeinander, während sie über diese Frage nachdachte. Wieso hatte sie damals Ja gesagt, als er in Paris vor ihr auf die Knie ging? Sie war dreiundzwanzig Jahre alt gewesen und Parker war ihre erste, richtige Liebe. Damals war sie in ihn verliebt gewesen, hatte alles durch eine rosarote Brille gesehen und davon geträumt, die perfekte Familie mit ihm zu gründen. Doch der Zwischenfall vor einem Jahr hatte ihr die Augen geöffnet und schlagartig war ihr klar geworden, dass alles falsch war. Es war ein riesiger Fehler gewesen. „Du warst mein erster Freund. Man denkt immer bei seinem ersten Freund, dass er der eine Mann fürs Leben ist. Dabei ist er einfach nur der Erste in einer Reihe Liebhaber bis man dem Richtigen begegnete."

Seine Nasenflügel blähten sich auf und der Ausdruck in seinen Augen wurde hart. Er wurde wütend. Das war nicht gut. „Ich war nicht nur ein Liebhaber."

Je näher er kam, umso weiter wich sie vor ihm zurück. Ihr Rücken stieß gegen einen Spind. Panisch flog ihr Blick zu der verschlossenen Tür. „Du hast keine Ahnung, wer ich bin, Parker."

„Natürlich weis ich, wer du bist. Du bist Aimee Farrell, die gottverdammte Liebe meines Lebens."
Aimee zuckte bei seinen Worten zusammen. Liebe seines Lebens? Um Himmelswillen, was ging nur in seinem Kopf vor? „Nein. Du kennst mich nicht."

„Bullshit!"

„Wann habe ich Geburtstag, Parker? Und welches ist meine Lieblingsfarbe?"
Er blieb stehen. Es vergingen einige Sekunden, in denen niemand etwas sagte. Er sah sie einfach nur an. „Was soll das, Aimee? Inwiefern ist das von Bedeutung in unserer Beziehung? Der Geburtstag ist einfach nur ein Datum, eine Zahl. Und Lieblingsfarben. Das ist albern. Es gibt wichtigere Aspekte."

„Siehst du, du kennst mich nicht. Selbstverständlich ist es wichtig zu wissen, wann jemand Geburtstag hat und welches seine Lieblingsfarbe ist. Eine Beziehung kann nur existieren, wenn man einander kennt, vertraut und liebt. Das mit uns hätte niemals funktioniert."

Parker ballte die Hände zu Fäusten. „Das ist nicht wahr, Aimee."

„Doch. Das ist die Wahrheit. Komm damit klar, Parker", sagte sie und rannte dann zur Tür. Sie drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf.

„Aimee, unser Gespräch ist noch nicht vorbei."
Aimee schüttelte den Kopf. „Doch. Unser Gespräch ist beendet. Lass mich endlich in Ruhe, Parker."

Ohne einen Blick zurück zu werfen, verließ sie zügig die Umkleide und eilte zu den Fahrstühlen. Nervös betätigte sie den Rufschalter und hechtete herein, sobald die Türen sich einen Spalt breit öffnete.
Aimee erlaubte sich erst erleichtert aufzuatmen, als der Fahrstuhl sich in Bewegung setzte und wenigstens für ein paar Minuten von Parker fern hielt. In ihrem Kopf ging sie ihre Unterhaltung durch. Es war noch schlimmer als sie gedacht hatte.

Bleib doch wo der Pfeffer wächst, Arschloch!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt