Verbrechen der Liebe (Part 9)

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Magnus

Ich weiß nicht woher dieser Mann plötzlich kam. Oder was er hier suchte. Er hatte mich nur unsanft aus meinen Gedanken gerissen. Erst jetzt, nach mehreren Minuten stummen Betrachtens, erkannte ich das es Victor Aldertree sein musste. Ich hatte ihn auf ein Foto gesehen, welches auf der Kommode stand.

"Was haben sie mit meiner Frau zu schaffen gehabt?", wiederholte er die Frage, nur noch aufbrausender. Wäre er ruhiger, hätte er vielleicht schon eine Antwort von mir erhalten. Dieser Mann roch ätzend nach After Shave. Ich konnte nichts anderes mehr riechen. Sofort fühlte ich mich angewidert. Es war nichts, was ich gerne roch.

"Vielen Dank, das sie angeklopft haben. Das wäre nicht nötig gewesen. Spazieren sie einfach herein." Deutlicher konnte ich die Ironie nicht hervor heben. Dieser Mann war unhöflich. Seine Stimme war viel zu laut und ich selbst hatte Kopf schmerzen, was nicht zu meinem Gemüts Zustand beitrug.

"Sie waren heute bei meiner Frau und ich will wissen warum? Ein Bewährungshelfer hat nichts bei mir verloren." Ich schnaube und bin sogleich wütend auf ihn. Seine Stimme ist nichts anderes als herablassend. Dennoch hat sie etwas einprägendes. Ich könnte darauf schwören, noch Wochen später seine Worte in meinem Kopf hören zu können. "Ich habe mich mit ihr nur etwas unterhalten. Und das ist meines Wissens nach nicht verboten."

Aldertree kam mir näher. Sein Geruch hatte sich mittlerweile im ganzen Raum verteilt. Ihm sollte mal jemand sagen, das er nicht so viel von diesem Zeug verwenden sollte. Meine Geruchsnerven würden wahrscheinlich dauerhaft beschädigt werden. "Und worum ging es da?"

Ich fragte mich, ob er jemals ein Danke oder Bitte gegenüber jemand verwand. Kannte er diese Worte überhaupt? "Wollen Sie das nicht lieber ihre Frau selber fragen?" Auch wenn ich Mrs. Aldertree nicht einschätzen konnte und schon gar nicht die Ehe, die die beiden führten, erklomm in mir kurz die Sorge um seine Ehefrau. Vielleicht wurde sie unter Druck gesetzt?

"Es gehören immer zwei dazu, Mister." Ich zog meine Augenbraue nach oben. Das war keine konkrete Antwort auf meine Frage. "So wie bei der Körperverletzung vor einem Jahr?" Seine Augen wurden groß. Wild gestikulierte er herum. Er war überzeugt von sich selbst. Das war auffälliger als sein protziges Haus. "Dieser Junge kann froh sein das ich mich von meinen Verletzungen erholt habe und zugleich Psychiater bin. Ich weiß wie man mit Traumata umgeht. Sonst wären die Folgen viel schlimmer gewesen."

Ich unterdrückte mir ein erneutes schnauben. Der wollte mich wahrscheinlich wirklich auf den Arm nehmen. Zugleich stellte ich mir die Frage, ob er sich damals nicht gegen Alexander wehren konnte? Er schien mir gerade so betrunken vor Wut. Mich würde es nicht wundern, wenn er ein Choleriker wäre. Dabei hatte ich einen ausgeglichenen Mann erwartet. So wie es mein Schützling war.

"Sie sollen gut sein. Das habe ich zumindest gehört." Unhöflich wie er war, verschränkte er seine Arme. Die Hände waren zu Fäusten geballt. Bei Alexander erschien das viel attraktiver. "Ich bin nicht gut. Ich bin der Beste." Menschen konnten genau so wie Medikamente Nebenwirkungen verursachen. Bei meinem Schützling war es zum Beispiel Herzklopfen. Dem Mann dem ich jetzt gegenüber saß war es eher Brechreiz.

"Ist das so?" Mr. Aldertree setzte ein gehässiges Grinsen auf. In meiner Illusion griff ich bereits zu einer Spucktüte. "Ja. Ich habe als einziger das Studium mit einem Einser Schnitt beendet. Meine Weiterbildungen habe ich immer mit Auszeichnungen abgeschlossen. Haben Sie das je geschafft?"

Ich zog mich etwas näher an den Schreibtisch heran. "Nein. Aber man muss im Leben auch nicht alles richtig machen. Auf Grabsteinen stehen keine Noten." Cat' Mum hat mir das von Anfang an mit auf den Weg mit gegeben. Oft neigte ich dazu, mich selbst zu sehr unter Druck zu setzen. Es half mir, nicht alles so verbissen zu nehmen.

"Das würde ich auch sagen, wenn ich nicht so gut wäre." Ich verengte meine Augen. Ihm war klar, das er mich damit provozierte. Aber ich wollte mir das nicht anmerken lassen. Nicht ihm diese Seite zeigen, die er sehen wollte.

"Aber das werden sie sicherlich nicht verstehen. Ich meine, wir beide sind gar nicht auf Augenhöhe. Sie helfen Knastis wieder in die Welt. Das sagt ja schon alles." Ich vergaß meine gute Erziehung für einen Augenblick. "Kompliment, Ihren schrecklichen Charakter sieht man Ihnen gar nicht an."

Seine Augen wurden groß. Es war schon lustig wie manche Menschen reagierten, wenn man genau so zu Ihnen war, wie sie es selbst zu einem sind. Ich bereute nicht die Worte, die ich benutzt hatte. Nein, es waren eher die Worte die ich bereute, welche ich herunter schlucken musste. Sonst würde er mich wahrscheinlich auch noch anzeigen.

"Was fällt Ihnen.." Selbst gefällig lächle ich meinen Gegenüber an, lasse ihn somit wieder verstummen. "Lassen Sie einfach meine Frau daraus. Sonst lernen Sie mich von einer anderen Seite kennen. Verstanden?" Mr. Aldertree stand galant auf und ich freute mich auf den Moment, wo ich die Fenster öffnen konnte.

"Und das, Sir, war eine Drohung. Ich wünsche Ihnen einen wundervollen Tag." Wutentbrannt sah er mich an. Sein Gesicht war gerötet. Kurz bevor er endgültig den Raum verließ, hielt ich ihn nochmal kurz auf. "Ach und vergessen sie ihr angekratztes Ego bitte nicht. Ich würde es sonst entsorgen und das wollen sie sicherlich nicht."

Seine Hand formte sich wieder zu einer Faust. Ich ließ mich nicht einschüchtern, das sollte er merken. Ich stützte meinen Kopf auf meine Hände, atmete mein Adrenalin aus. Als mir wieder sein Geruch in die Nase stieg, stand ich jedoch auf und lüftete diesen Raum lange und großzügig.

Nach einer halben Stunde und jetzt nur noch mit angelehnten Fenstern, versuchte ich mich durch das schreiben eines Berichtes von einem ganz anderen Fall abzulenken. Es gelang mir tatsächlich und so vertiefte ich mich in die Worte, die durch das tippen der Tastatur zustande kamen.

Es war ein Klopfen, welches mich aus dem Bericht schreiben riss. Alexander stand lächelnd in der Tür. Gerade jetzt wurde mir seine Höflichkeit nochmal deutlich. "Hey. Entschuldigen Sie, das ich nicht vorher angerufen habe. Aber ich war gerade unterwegs und dachte, ich schau auf gut Glück mal vorbei."

Aufrichtig lächelte ich diesen jungen Mann an. Ich mochte ihn. Sehr. "Es gibt nichts zu entschuldigen. Kommen Sie doch herein." Alexander konnte nur einen Schritt machen, bevor er sofort wieder stoppte. Sein Gesicht wurde ungesund blass. Ich sah das pulsieren seiner Halsvene. Zum wiederholten male an diesem Tag, sah ich dabei zu wie sich Hände zu Fäusten formten. "Alexander? Ist mit Ihnen alles in Ordnung?"

Vollkommen abwesend starrte er mitten in den Raum. Unmerklich schüttelte er den Kopf. Besorgt ging ich auf ihn zu. "Er war hier, oder?" Etwas ratlos sah ich ihn an. "Aldertree war in diesem Büro? Richtig? Hat er dir weh getan? Ich schwöre, wenn ich diesen Mann in die Finger..." Er stoppte sich selbst. Kritisch begutachtete er mich. Seine Reaktion ließ die Sorge köcheln. Was war damals nur vorgefallen?

"Mir geht es gut. Wirklich. Mach dir um mich keine Sorgen." Der nahtlose Übergang zum Du fiel nicht weiter auf. Ich fand es sowieso angenehmer. "Das mach ich aber. Er war hier. In deiner Nähe. Das reicht mir." Überzeugt sprach er diese Sätze aus. Mir wurde klar das Alexander in die Hölle gehen würde, um mich vor Mr. Aldertree zu beschützen.

Er hat ihn allein durch seinen starken Geruch erkannt. Nichts, was jemand konnte der wahllos auf ihn eingeschlagen hätte. Der Duft musste sich fest gesetzt haben in Alexander und das bereitete mir ungute Gedanken.

Ich war berührt von diesen Worten und versuchte selbst die richtigen zu finden. Ohne groß darüber nachzudenken nahm ich sein Gesicht in meine Hände. Umrahmte es wie ein teures Gemälde. Es war das schönste, was ich je gesehen habe.

"Alexander? Ich versuch es zu verstehen. Aber ich sehe absolut keinen Zusammenhang. Woher kennst du diesen Mann?....Bitte, erklär es mir." Seine eisblauen Augen blickten in meine, suchten nach etwas was ihn davon abhielt. Doch das würde er nicht finden. Nicht bei mir, wo doch allmählich mein Herz nur noch für ihn schlug.

"In Ordnung."

...Fortsetzung folgt

Gegenfrage, was sind/waren die unschönsten Fächer in der Schule?

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