Magnus
Es sind die Zahlen in der Akte die meine volle Aufmerksamkeit bekommen, als ich wenige Wochen später in meinem Büro sitze. Ich runzle die Stirn als mir ein Fehler auffällt. Es ist ein erheblicher, der sofort einem in das Auge springt. Aus dem Protokoll kann ich erlesen das Aline vorher diese Mappe in ihrer Kontrolle und Durchsuchung hatte. Ich bin froh das sie heute ebenfalls da ist. Auch wenn sie die Bank wieder verspätet betreten hat. Das hat mich nicht zu interessieren, nur das alles rechtzeitig und korrekt bei den Klienten vorliegt. Wahrscheinlich etwas grimmig schauend stehe ich mit der Akte in der Hand auf und laufe zu dem Büro.
Ich klopfe kurz an und nach einem gedämpften "Herein", trete ich ein. "Wow, heute ist der sechzehnte September und nach was weiß ich wie vielen Jahren hat Magnus Bane mal angeklopft. Das ist sonst noch nie passiert. Hast du heute mal einen guten Tag?" Jeder andere hätte wahrscheinlich gesagt, das ich immer noch unfreundlich drein schaue. Aber Aline kennt mich besser. "Willst du es dir lieber im Kalender notieren? Da können wir nächstes Jahr ein Jubiläum feiern." Meine neutrale Stimme lässt sie trotzdem lächeln und tatsächlich schreibt sie es sich in ihren überfüllten Kalender und markiert es sogar in einem neon pink. "Es ist dir also so wichtig, das du sogar zum Textmarker greifst."
Ich setze mich auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Dieser ist unordentlich. Immer wieder bestaune ich sie, das in diesem ganzen Chaos durch sieht und nichts vertauscht. Obwohl wir das auch schon hatten. In dieser Zeit hatte sie eine Beziehungskrise mit ihrer Freundin Helen. Ihre privaten Probleme beeinflussen die sonst so gewissenhafte Aline immer. Und als mir dieser Gedanke durch den Kopf rauscht, lege ich die Akte vorerst auf meinen Schoß und betrachte meine Kollegin mit einem musternden Blick.
Sie schaut müde aus und trotz dem lächeln erkenne ich die Sorge, die sie wie einen Lippenstift trägt. "Womit habe ich eigentlich die Ehre verdient das der Halbchef vor mir sitzt?" Aline möchte mich nicht ansehen und kritzelt deswegen kleine Bildchen auf ihre Schreibtisch Unterlage. Das macht sie auch beim telefonieren. Unweigerlich schweife ich kurz zu Alexander. Wir haben uns aus beruflichen Gründen länger nicht mehr gesehen. Dafür aber dennoch immer gehört. Es gab keinen Tag wo wir nicht telefonierten oder uns Textnachrichten schrieben. Zwischen uns hatte sich absolut nichts verändert.
"Du sollst mich nicht so nennen." Wir Finanzanalysten waren ein Team, welches ich leitete. Allerdings musste unser oberste Chef alles absegnen. Ohne seine Unterschrift ging nichts. Deswegen fühlte ich mich auch gar nicht so wichtig. "Und du sollst mich nicht so ansehen." Ich verändere meinen Blick nicht. "Wie denn?" Laut seufzte sie. "Ach Magnus. Ich weiß auch nicht was ich noch machen soll. Helen und ich schütten uns zu mit Arbeit. Dadurch haben wir gar keine richtige Zeit mehr für uns. Ich habe das Gefühl das mir die Liebe entgleitet." Sie redet darüber definitiv mit den falschen. Ich habe zwei Beziehungen geführt und diese dann auch zum scheitern gebracht. Schon lange habe ich mir vorgenommen so etwas nicht mehr zu machen. So wie mein Onkel. Und auch Dad war irgendwo glücklich als Single. Zumindest glaubte ich das.
"Weißt du manchmal triffst du einen Menschen und es ist einfach offensichtlich das ihr zusammen gehört. Als Freunde, Familie, Liebende oder was auch immer. Aus dem nichts und unter den seltsamsten Umständen. Sie lassen dich lebendig fühlen und schenken dir einen glauben, das da irgendetwas ist." Leicht lächelt sie. "Mit Helen war es genau das." Ich kann nicht verhindern das zwei undefinierbare Augen und dieses bekannte Gesicht in meinen Kopf auftauchen. "Warum sagst du das ihr nicht einfach." Aline zuckt mit ihren Schultern. "Wir wollen heute Abend reden. Dann werde ich es ihr verklickern. Ich lasse sie nicht gehen. Kennst du das? Wenn du eine Person anschaust und dir einfach so denkst, 'es wird verdammt weh tun, wenn du gehen solltest'?"
Ich räuspere mich. "Nein und damit bin auch ganz glücklich." Jetzt war es Aline die mich musterte. "Hast du jemals an die Liebe geglaubt? Nur ein einziges mal?" Ich schaue auf die graue Mappe. "Du weißt das ich Beziehungen geführt habe." Meine Kollegin zieht ihre Augenbraue hoch. "Das hat nichts zu sagen. Wie viele Menschen sind zusammen, die sich nicht lieben? Einfach aus Bequemlichkeit und Alltag. Es passt, dieses Leben aneinander vorbei. Aber weißt du was ich fast noch seltsamer finde? Wie viele sich lieben aber nicht zusammen sind."
Eigentlich möchte ich jetzt gar nicht über mich reden. "Ich kenn nicht deine Beweggründe, warum du damals diese Menschen hast ziehen lassen. Aber ich weiß, das du kein schlechter Kerl bist und gerade in den letzten Tagen hast du dich verändert. Ich kann nur vermuten. Und ich kann dir auch nur einen Rat geben." Alien zieht sich näher an den Tisch heran. "Wer nicht zeigt was er fühlt, läuft Gefahr zu verlieren, was er liebt."
Unmerklich schüttle ich den Kopf. Alec und ich haben zusammen geweint. Das sind Gefühle genug. Warum sollte ich jetzt darüber nachdenken wie ich zu diesem Mann stehe, wenn es doch schon so lange fest steht. Und warum denke ich überhaupt sofort an ihn. Ich mag ihn nicht. "Du solltest diese Akte korrigieren. Aber vorher solltest du das mit Helen klären. Ich wünsche dir einen schönen Feierabend."
Damit verlasse ich das Büro. Ich komme nicht weit, denn ich stoße mit jemanden zusammen. Der Geruch von Vanille schwappt in meine Nase und wenig später sehe ich in Alexander' Augen. "Das ist so ein Ding zwischen uns oder? Du läufst in mich herein und siehst mich dann ganz verdattert an." Ich verdrehe meine Augen. "Wenn du deine Augen rollst, suchst du dann dein Gehirn?"
Mit meiner flachen Hand haue ich ihm auf den Oberarm. "Kannst du kurz bis zehn zählen. Ich brauch ne Stunde ruhe." Leise lacht er und bevor Alec zu einem neuen verbalen Schlag ausholen kann, kommt Aline aus dem Büro. Als sie diesen Idioten sieht, bleibt sie wie angewurzelt stehen. "Hallo, sie sind bestimmt Aline." Er reicht ihr die Hand, die sie verdutzt schüttelt. "Und sie sind ein gut aussehendes etwas, wessen Name ich noch nicht kenne." Meine Kollegin sieht verwirrt zu mir. "Es war klar das die Prinzessin aus dem Lande Zickig nichts von mir erzählt hat. Ich bin Alec. Freut mich sie kennen zu lernen." Seit ein paar Tagen nennt er mich Prinzessin. Es ist schlimm. "Nenn mich nicht immer so." Ich klinge wahrscheinlich wie ein bockiges Kind. "Ok, Hildegard."
Aline fängt natürlich an zu lachen und auch Alec grinst mich unverhohlen an. "Zieh jetzt bitte nicht so ein doofes Gesicht. Ich muss immer lachen, wenn ich so etwas sehe." Ich verschränke meine Arme. "Stört dich das nicht beim rasieren?" Mit offenen Mund sieht er mich an, bevor wir beide anfangen mit lachen. Dabei geben wir uns ein High Five. Beobachtet werden wir von meiner Kollegin die nicht weiß wie ihr geschieht.
"Wie lange seit ihr schon zusammen?" Unser Lachen verstummt. Gleichzeitig sagen wir "Wir sind kein Paar." Aline zieht ihre Augenbrauen bis zu ihrem Haaransatz. "Ach kommt schon. Ihr könnt ruhig zugeben das da etwas ist." Alec und ich schütteln den Kopf. Aus einem Munde sagen wir wieder gemeinsam. "Wir mögen uns nicht." Dieses mal ist es meine Kollegin die ihre Augen verdreht. "Alles klar Jungs. Ihr mögt euch nicht und ich bin eigentlich Mutter Theresa, die jeden Menschen liebt und nie etwas schlechtes tun würde." Diese Beschreibung passte so gar nicht zu Aline.
"Ich lass euch zwei mal allein." Damit ging sie und ließ uns wirklich allein. "Ich hatte Lust etwas zu kochen und wollte dich dafür abholen." Ich konnte nur nicken. Nachdem ich mir meine Sachen geschnappt habe, laufen wir los. Dabei sehen wir uns immer wieder an und da ist er. Dieser Gedanke.
Es wird weh tun wenn dieser Idiot gehen sollte.
...Fortsetzung folgt
Beherrscht ihr das Chaos oder liebt ihr die Ordnung?
Ich liebe die Ordnung. Komme allerdings auch mit einem Chaos zurecht. Auch wenn ich das dann relativ schnell aufräumen möchte.
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Das Haus der Geschichten
FanfictionAlexander und Magnus. Wir schicken sie auf Reisen. Durch Höhen und Tiefen. Immer wieder lernen sie sich neu kennen und das auf unterschiedlichster Art. Das Haus der Geschichten ist eine Sammlung von OneShots und Kurzgeschichten.