Das Geräusch meiner Liebe (Nr. 3)

515 71 75
                                    

Magnus

Mit einem kleinen schmunzeln lege ich das Telefon wieder an mein Ohr und ich glaube ein leichtes kichern zu hören. "Entschuldigen Sie, ich habe mich wahrscheinlich verwählt." Ich möchte gerade schon wieder schnell auflegen, denn mit einem Pannendienst möchte ich nicht telefonieren. Ich würde ja die ganze andere Kundschaft aufhalten, die vielleicht wirklich Hilfe brauchte. Doch ein deutliches "Halt" lässt mich inne halten. "Sie wollten sicherlich zu Mrs. Lovelace oder?" Meine Stirn fängt sich an zu runzeln. Ich kann es deutlich spüren. Die Verwirrung in mir.

"Ja eigentlich schon. Aber..." Mir hat es wahrlich die Sprache verschlagen. Etwas was ich nicht gewohnt bin. "Dann sind sie hier richtig. Mrs. Lovelace versteht nur leider die Menschen am Telefon nicht mehr. Ihre Hörgeräte sind spurlos verschwunden. Kann ich ihr etwas ausrichten?" Der Mann am Telefon klingt fröhlich und äußerst freundlich. Er schien sich nicht zu ärgern das die wahrscheinlich betagte Dame ihre Hilfsmittel verloren hat. Es klang auch nicht schadenfroh. Eher so, als würde er es so hinnehmen. Das alles überforderte mich und das gab ich nur ungern zu.

"Ich habe Ihnen die Sprache verschlagen." Empört wache ich aus meiner Starre auf. "Wer's glaubt" pampe ich in das Telefon. Schon jetzt steht fest das ich diesen Mann nicht mag. "Ich glaube das und diese durch aus lange Stille am anderen beweist es ja. Vielleicht werden wir gerade abgehört von irgendjemanden. Der glaubt das bestimmt auch. Oder?" Kurz ist Ruhe. Wieder entgleiten mir jegliche Gesichtszüge. "Ich höre ihn deutlich nicken. Es ist dieses kurze surren. Wenn sie genau lauschen, dann nehmen sie es auch wahr." Ohne groß zu überlegen drücke ich das Telefon näher an mein Ohr. Mein anderes halte ich mir zu. Ich konzentriere mich auf dieses Geräusch.

"Sie haben das Telefon näher an ihr Ohr gedrückt oder? Achten sie darauf das es noch genug durchblutet wird." Ich presse meine Kiefer aufeinander. Er hat mich rein gelegt. "Nein habe ich nicht." Es ist ein kläglicher Versuch mich dagegen zu wehren. "Wir kennen beide die Wahrheit. Mit wem habe ich eigentlich das Vergnügen? Sie hatten ja noch keine Zeit sich vorzustellen beziehungsweise war ihre Sprache ja kurz abhanden gekommen. Wahnsinn, wie schnell Dinge weg kommen."

Habe ich schon erwähnt, das ich diesen Mann nicht mag? "Ich bin Magnus und wenn sie jetzt genau hinhören dann werden sie vielleicht meinen genervten Unterton wahrnehmen." Ich höre ein leises lachen. Dieser Typ hat echt einen an der Waffel. "Oh ja. Ich kann es fast schon durch das Telefon riechen. Okay Magnus, was wollten Sie von Mrs. Lovelace sagen? Ich werde es ihr in Ihrem Namen versuchen mitzuteilen." Hätte ich diesen Kerl nicht sofort in die 'Diese- Menschen -mag -Magnus -nicht -Kiste' eingesperrt, würde mir vielleicht seine angenehme tiefe Stimme auffallen. Vielleicht auch die ganz eigene Melodie und die Art wie er seine Worte ausspricht.

"Warum sind Sie eigentlich mit diesem Spruch heran gegangen?" Ich war froh das mich jetzt niemand fragen konnte, wie ich genau darauf komme. Der Mann bestand aus Fragen. Warum war er bei dieser betagten Dame? Geht es ihr überhaupt gut? Hat er sie vielleicht als Geisel? "Oh das ist eine berechtigte Frage. Seitdem ich für diese Dame da bin, haben so viele Leute schon angerufen. Trickbetrüger, Banken die ihr einen Kredit andrehen wollten, Firmen die ihre Produkte los werden wollten oder noch besser, ein Abonnement mit ihr abschließen wollten. Sie wissen gar nicht wie viel ich kündigen musste. Deswegen gehe ich jetzt immer mit einem anderen Begrüßung heran. Viele legen dann einfach auf. Die Menschen die wirklich etwas wollen, bleiben dann auch dran und stammeln eine Entschuldigung."

Ich kann nur zuhören und für mich selbst feststellen das diese Taktik sehr gut ist. Nicht, das ich das jemals zugeben würde. "Und sie sind?" Ich höre das knarren von Parkett im Telefon. Er bewegt sich. "Ich bin der Nachbar von Mrs. Lovelace. Ich helfe ihr bei all den Sachen, die sie nicht mehr so gut schafft. Haushalt, Einkäufe, Körperpflege, Unterhaltung, Arzttermine, Essen zubereiten, so was eben so im Leben alles anfällt." Die Frage, ob sein eigenes Leben da nicht auf er Strecke bleibt verkneife ich mir. "Sie sind also ein Pfleger?" Kurz ist es still bevor er sich räuspert. "Nein nur der Nachbar." Ich runzle die Stirn, komme allerdings nicht dazu weiter darüber nachzudenken.

"Und was sind sie, Magnus? Sie scheinen weder ein Trickbetrüger noch ein Vertreter einer Firma zu sein." Ich mag diesen Mann immer noch nicht und frage sogleich warum ich überhaupt noch mit ihm telefoniere. "Ein Mensch." In mir jubelt ein kleiner blauer Schlumpf. Er hält ein Schild hoch. 'Die beste Antwort des Jahres'. Ich kann über mich selbst nur die Augen verdrehen. "Wow. Ich dachte schon, ich rede mit einem Roboter oder einer besonderes Spezies die sich Magnus nennt. Schade."

Ich habe mittlerweile schon ein dutzend Positionswechsel durchgeführt. Dabei schaffe ich es manchmal Stunden mich nicht zu bewegen. Gerade wenn eine Serie total spannend ist. Ich fiebere immer so mit. Das kann manchmal gar nicht gesund sein für meinen Puls. "Und warum haben sie die Nummer jetzt in Ihr Telefon eingetippt?" Da ich diesen Mann nicht mag, wird er auch keine vernünftige Antwort von mir bekommen. "Das verrat ich nicht." Ich muss wie ein eingeschnapptes Kind klingen und im inneren bin ich das wahrscheinlich auch. "Wow. So eine erwachsenen Antwort hatte ich gar nicht erwartet." Ich reiße meinen Mund auf und möchte ihn schon anpöbeln, das ich bereits dreizig bin. Schließe ihn dann allerdings wieder. "Und sie sind da besser als ich? Sie gehen mit einem nicht mal witzigen Spruch an das Telefon heran."

Dieser Nachbar weiß ja zum Glück nicht, das ich ebenfalls geschmunzelt habe. Diese Genugtuung gebe ich ihm sicherlich nicht. "Wer hat gesagt das ich besser bin? Außerdem kann ich mir vorstellen das sie ebenfalls ihre Mundwinkel gehoben haben." Ich bin wieder einfach nur empört und ärgere mich gleichzeitig, das er mich so oft aus der Verfassung bringt. "Wie ist eigentlich ihr Name?"

Kurz ist es wieder still. "Das verrate ich ihnen auch nicht. Vielleicht beim nächsten mal. Und sie haben so eben bestätigt das sie bei meiner Begrüßung gelächelt haben." Frustriert schlage ich mein Kissen. "Es wird sicherlich kein nächstes mal geben." Warum sollte ich ihn auch nochmal anrufen? Er nervt und ich mag ihn nicht. "Ich bin mir da ganz sicher." Und warum muss er auch immer das letzte Wort haben? "Tschüss, ein Nachbar" versuche ich mich zu verabschieden. Für immer. Aber natürlich muss er noch seinen Ketchup dazu geben. "Erst die Rechte, dann die Linke. Beide machen winke, winke. Tschüss, bis zum nächsten mal Magnus."

Schneller als ich reagieren kann höre ich den bekannten Ton das jemand aufgelegt hat. Argwöhnisch schaue ich auf mein Telefon und stelle mit großen Augen fest das ich mit diesem Kerl fast eine halbe Stunde telefoniert habe. Das hat er gar nicht verdient. Bestimmt geht er jetzt tänzelnd zu Mrs. Lovelace und erzählt ihr von diesem Vollidioten am Telefon. Dabei ist er das. Ein Idiot.

Ich lege das Buch und mein Handy beiseite und greife stattdessen zur Fernbedienung. Mehrmals gehe ich sämtliche Sender durch und hoffe auf etwas Ablenkung. Dieser Typ hat sich wie eine Krankheit in mir eingenistet und ich würde ihn gerne einfach nur vergessen. Aber auch als ich das fünfte mal den Nachrichtensprecher sehe, schwirrt er noch herum. Morgen sieht bestimmt alles besser aus.

...Fortsetzung folgt

Führt ihr ein Buch? Wenn ja, worüber? Wenn nein, worüber würdet ihr am ehesten ein Buch anfangen?

Ich habe einen normalen Schreibblock und meistens verfasse ich einfach meine Gedanken darin. Manchmal auch Gefühle die ich nicht sofort zuordnen kann. Oft auch Situationen die ich beobachtet habe oder die ich sehr inspirierend fand. In diesen Blick kritzle ich auch manchmal einfach herum und manchmal schreibe ich meine Gedanken auch in meine Geschichten hinein.

Das Haus der GeschichtenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt