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Gähnend stelle ich den Motor ab. Die Sonne ist fast hinter dem Horizont verschwunden, wodurch der Himmel in den verschiedensten Farben leuchtet.

Mein Blick löst sich nur schwer von der wunderschönen Aussicht. Doch irgendwann schaffe ich es und blicke zu Kaiden rüber, der vor ungefähr einer halben Stunde eingenickt ist.
Leise löse ich meinen Gurt und nehme eine der zwei Decken, die auf dem Rücksitz liegen und decke vorsichtig Kaiden zu. Ich selbst nehme eine aber steige mit dieser aus.

Ich bin vom Highway runter und an die Küste gefahren. Hier fahren deutlich weniger Auto und es ist sicherer für uns. Irgendwann bin ich in einen kleinen Wald gefahren und kurz vor dem Strand, der dahinter liegt, geparkt. 

Obwohl San Francisco eine Insel ist und ich auch recht nah am Wasser wohne, hatte ich nie wirklich die Gelegenheit dazu weder schwimmen noch am Wasser spazieren zu gehen gehabt.

Ich liebe das Meer, eher den Anblick von ihm, als tatsächlich drinnen zu sein. Boot fahren ist gar nicht meins und schwimmen tue ich nur so weit, dass ich noch den Boden unter mir sehen kann.

Vorsichtig versuche ich die Autotür anzulehnen, damit ich weitere Geräusche beim Schließen und später bei Öffnen vermeiden kann. 

Mit der Decke laufe ich auf den Strand und setze mich irgendwann hin. Schnell ziehe ich meine Schuhe aus, um den kalten Sand zu spüren.

Meine Gedanken schweifen zu meiner Schwester. Ich hoffe, dass Dexter sie nicht findet und ihr was antut. Ich könnte mir es niemals verzeihen, wenn ihr etwas meinetwegen zu stößt. Ob sie schon mal am Strand war? Bestimmt hat ihre Pflegefamilie Urlaub mit ihr gemacht.

Ich selbst war noch nie wirklich im Urlaub. Generell war ich noch nie außerhalb der Vereinigten Staaten. Die kostbare Zeit für mich und das Reisen habe ich nie wirklich genutzt. Für mich gab es nie Vergnügen und Entspannen. Seid Dexter mich mit vierzehn aufgelesen hat, hatte ich immer Angst um mich und vor allem um die Menschen, die ich liebe.

Plötzlich bemerkte ich eine Bewegung neben mir. Erschrocken schaue ich nach rechts und sehe wie Kaiden sich neben mich setzt. Unsere Blicke treffen sich kurz, dann aber schauen wir wieder auf den Sonnenuntergang.

Niemand redet. Wir genießen die Ruhe und hören dem entfernten Rauschen der Wellen. Dann stehe ich urplötzlich auf. Lege die Decke beiseite und ziehe meine Sachen aus, bis zur Unterwäsche

Kaiden verfolgt schweigend jede meiner Bewegungen.

Mit langsamen Schritten laufe ich aufs Meer zu.

Als ich plötzlich das kalte Wasser berühre, hinterfrage ich meine Aktion. Ich zische laut auf und weiche der nächsten Welle nach hinten aus.

Hinter mir ertönt ein raues Lachen. Mit zusammen gekniffenen Augen funkle ich Kaiden böse an. Dieser zieht sich weiter lachend sein Hoodie über den Kopf, dann seine Hose und läuft auf mich zu. Mein Blick haftet auf seinem durchtrainierten Oberkörper und ich versuch zwanghaft nicht zu sabbern. 

Wie konnte ich nur vergessen, wie göttlich manch männlicher Körper sein kann?

Anscheinend hat Kaiden mich beim Starren erwischt und fängt an schelmisch zu grinsen. Klar, zu so seinem unglaublichen Körper gehört auch ein unglaubliches Ego. 

Die Entfernung zwischen uns wird schnell kleiner. Ich jedoch bleibe trotzig stehen und schaue ihn abwartet an, um meine leichte Überforderung zu überspielen.

Kaiden greift auf einmal beim letzten Meter nach meiner Taille und wirft mich, ohne mit der Wimper zu zucken, über die Schulter. So schnell, dass ich erst gar nicht realisiere was passiert ist.

Mit mir auf der Schulter läuft Kaiden ins Wasser und zuckt noch nicht mal zusammen, als er auf die Kälte trifft. Langsam dämmert es mir was er vorhat. Sofort fange ich an mich zu winden, aber merke schnell, dass ich gefangen bin, denn egal es ich versuche, ich werde auf jeden Fall ins Wasser müssen.

Als Kaidens Hände sich auf meine Hüfte legen und mich hochheben, klammere ich mich sofort um Kaiden Oberkörper und schlinge meine Beine um sein Becken, das sich schon im Wasser befindet. Erschrocken zucke ich zusammen.

Den Fakt, dass ich mich noch enger an ihn drücke, ignoriere ich gekonnt. 

So ein Kontakt mit seinem Körper ist mir nicht peinlich, mir gefällt er auch in irgendeiner Art und Weise.

Nachdem sich meine Beine an die Kälte gewöhnen, löse ich mich langsam von ihm. Ich schaue kurz nach oben, was sich sofort zu einem Fehler rausstellt. 

Sein Blick ist schon auf mich gerichtet und ich verfalle den schokobraunen Augen. Wie schon bei unserem ersten Treffen beeindrucken mich seine Augen, aber der Unterschied zu diesem ist, dass seine Augen leuchten, was definitiv nicht an der Sonne liegt, denn sie ist schon längst verschwunden.

Ich weiß nicht wie lange wir uns so anstarren, aber es müsste lange gewesen sein, denn wir beide fangen langsam an zu zittern.

„Ich glaube, wir sollten langsam raus", raune ich leise. Wieso meine Stimme auf einmal so leise ist, weiß ich nicht. Schnell räuspere ich mich und löse mich augenblicklich von Kaiden.
Mit schnellen Schritten gehe ich aus dem Wasser und decke mich zu, um mich zu wärmen. Meine Lippen zittern und meine Wangen erröten, was wahrscheinlich nicht an der Kälte liegt. 

Gott, ich verhalte mich wie ein Teenager.

Als wir beide wieder getrocknet im warmen Auto sitzen, versuchen wir uns auszuruhen. Niemand redet über das was passiert ist. Verzweifelt versuche ich einzuschlafen und suche nach einer gemütlichen Schlafposition.

Irgendwann bin ich wohl eingeschlafen, dann das nächste Mal, als ich meine Augen öffne, strahlt mir die Sonne in Gesicht. Müde räkle ich mich. Leise versuche ich aus dem Auto zu steigen, um mich kurz zu strecken und hole dann die Tasche vom Rücksitz.

Mit der Tasche unter dem Arm steige ich wieder vorne rein. Vorfreudig öffne ich eine Chipspackung und schalte währenddessen den Motor ein.

Kaiden schlummert noch leise neben mir und wacht nicht bei jedem erzeugtem Geräusch auf.
Fröhlich summe ich die Melodie aus dem Radio mit. 

In diesem Moment fühlt es sich nicht wie eine Flucht an. Die Ereignisse von gestern sind wie vergessen. Die Stimmung wirkt ausgelassen und irgendwie fröhlich. Als würden Kaiden und ich nur einen Roadtrip machen.

Plötzlich bewegt sich etwas neben mir und gähnt auf.

„Guten Morgen", brummt mein Komplize neben mir. Schmunzelt schaue ich zu ihm und beobachte ihn dabei, wie er sich über sein Gesicht fährt. Lachend wende ich mich von ihm ab und schaue wieder auf die Straße. Ohne meinen Blick davon abzuwenden, reiche ich ihm die Chipstüte hin.

In der nächsten Stadt suche ich nach einem Diner. 

Hungrig steigen wir beide aus und ich hole mein Geld aus der Tasche.

Das Diner ist recht leer, was auch nicht überraschend ist um diese Uhrzeit. 

Wir haben freie Wahl bei den Plätzen und entscheiden uns einen Tisch am Fenster zu nehmen. Kaiden hat sich seine Kapuze übergezogen, um nicht erkannt zu werden.

„Was passiert eigentlich, wenn wir in Seattle sind?", bricht Kaiden die Stille. Mein Blick wandert von der Speisekarte zu ihm rüber.
„Wenn ich ehrlich bin, weiß ich das noch nicht", gestehe ich ihm und schaue mich kurz um. 

„Zuerst müssen wir mit den anderen Kontakt aufnehmen", erkläre ich ihm, als mein Blick bei ihm haften bleibt. 

Die Kellnerin taucht neben uns auf und fragt nach unsere Bestellung. Wir beide wählen einfache Pancakes und noch jeweils ein Glas Orangensaft. 

Plötzlich bemerke ich aus dem Augenwinkel, wie die Kellnerin den Fernsehe, der oben an der Wand hängt, anschaltet.

„Schon seit fast drei Tagen gelten die Mitglieder der Boybandgroupe Hellbound als vermisst. Der Manager konnte die fünf nicht erreichen, weshalb er sich an die Polizei wand. Die Frage ist nun, ob deren Verschwinden etwas mit der Schießerei und Verfolgungsjagd gestern auf den Central Freeway in San Francisco zu tun hatte..."

HellboundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt