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Stöhnend öffne ich meine Augen.

Meinen ganzen Körper durchzieht ein stechender Schmerz. Woher er eigentlich kommt, kann ich nicht sagen.

Nach und nach gewöhnen sich meine Augen an die Dunkelheit, trotzdem kann ich nichts wirklich erkennen.

Anscheinend befinde ich mich in irgendeinem Raum ohne Fenster, also vermute ich, dass ich in einem Keller bin. Es ist auch recht kalt hier unten da mir meine Jacke ausgezogen wurde.

Natürlich wurde ich an einem Stuhl gefesselt. Da ich Dexter kenne, versuche ich keinen erbärmlichen Fluchtversuch.

Trotzdem rutsche ich kurz auf dem Stuhl rum. Meine Waffe haben sie mit entnommen, klar und meine Wurfmesser waren unter meinen Ärmeln.

Kurz hege ich noch die Hoffnung, dass das eine Messer noch an meinem Knöcheln ist, aber als ich runterschaue, sehe ich, dass meine Schuhe aufgezogen wurden und meine Hose hochgekrempelt wurde.

Irgendwie wusste ich es, aber trotzdem hatte ich einen kurzen Hoffnungsschimmer.

Frustriert, lege ich meinen Kopf nach hinten.

Schreien bringt auch nichts, nur dass sie früher bemerken, dass ich wach bin, wenn sich hier keine Kamera befinden. 

Sofort mache ich mich auf die Suche nach einer, aber so auf die schnell kann ich kein rotes blinkendes Licht oder Umrisse einer Kamera erkennen.

Je länger ich hier still warte, desto langer kann ich meinen Tod hinauszögern. 

Also warte ich.

Mein Zeitgefühl ist so miserable. Es ist schon eine Ewigkeit vergangen, aber es können auch nur drei Minuten gewesen sein.

Irgendwann ertönen Schritte von außerhalb, die sich mir näher und auf einmal geht eine Tür auf.

Das Licht strahlt mir direkt ins Gesicht und ich kneife schnell meine Augen zusammen. Leichte Tränen bilden sich, aber kullern nicht raus.

„Dornröschen ist aufgewacht", trällert die fröhliche Stimme Dexters durch den Raum. Sein hässliches Grinsen kann ich mir nur zu gut vorstellen und könnte es ihm glatt aus dem Gesicht schlagen.

„Nicht mehr so gesprächig wie früher?", fragt er mich und hört sich bedrohlich nah an. „Oder schreist du viel lieber", haucht er in mein Ohr und vor ekel bildet sich eine Gänsehaut.

Zum ersten Mal nach Jahren sehe ich ihn und schon kommt mir das Kotzen. Kein anderer Mensch ekelt mich so an wie er. 

„Schon traurig, dass du Frauen nur zum Schreien bringst und nicht zum Stöhnen. Anscheinend genießen sie es nicht, sondern haben mehr Angst", kontere ich mutig. Natürlich ist mir bewusst, dass ich damit mein Todesurteil zur Hälfte unterschrieben habe. Das steht schon seit Jahren fest. 

Mein Kopf dreht sich abrupt nach rechts und ein weitere stechender Schmerz kribbelt auf meiner Wange.

„Dir hat es früher gefallen, Miststück", brüllt er mich an und zucke leicht zusammen. Die Wut und die Macht, die durch diese Worte ausgedrückt wird, lässt mich erschaudern. Aber ich war noch nie die Person, die sich herumkommandieren lässt und solche Sprüche auf sich sitzen lässt.

„Schade, dass du es nötig hast Frauen regelrecht dazu zu zwingen mit dir zu schlafen. Musst du jede Frau unter Drogen setzen, damit sie dich ansatzweise anziehend findet? Warte nein, auch in diesem Zustand bliebst du abartig außen und innen, mein Lieber", antworte ich Zucker süß und lächle ich breit an.

Eine Ader auf seiner Stimmt beginnt zu pulsieren und sein Gesicht nimmt die Farbe einer Tomate an. Wäre ich nicht einer so pikanten Situation würde ich es äußerst witzig finden und bleibe daher lieber Stille. Ich hab schon zu viel gesagt.

Zischend dreht er sich um und verschwindet aus dem Raum.

Erst als ich seine Schritte nicht mehr hören kann, atme ich beruhig aus. Der Stein, den ich mit diesem Gespräch ins Rollen gebracht habe, würd noch irgendwann heftig einschlagen.

Ich genieße den kurzen Moment der Stille und denke nach.

Kaiden müsste schon längst bemerkt haben das ich nicht mehr da bin. Vielleicht hat er noch schnell sich umgeschaut, aber müsste dann zurückgefahren sein. Dann würde es die anderen erfahren. Vielleicht suche sie schon nach mir.

Aber wenn Dexter eins kann, dann ist es unentdeckt bleiben. Wenn er nicht will, dass jemand gefunden wird, wird er auch nicht, bis seine Leiche in einem Wald abgeliefert wird und dort wartet von der Polizei gefunden zu werden.

Also stehen meine Chancen gefunden zu werden genauso hoch, wie die zu überleben. Hoffen wir mal auf ein Wunder. Sollte ich anfangen zu beten?

Wieder verliere ich mein Zeitgefühl.

Langsam merke ich wie müde mein Körper wird und ich langsam schlapp werde. Der Stuhl ist so ungemütlich, dass meine Hintern langsam taub wird.

Plötzlich geht wieder die Tür auf.

Ein recht junger Kerl betritt den Raum und hält in der Hand ein Tablett, soweit ich es von dieser Entfernung erkennen kann. 

Sein Gesicht kann ich nicht erkennen, da er eine Sturmhaube trägt. Seit wann ich das wieder im Trend? Verwirrt suche ich nach etwas, wodurch ich erkennen kann, wer das ist.

Schweigend läuft er auf mich zu, stellt das Tablett neben mir auf den Boden und entfesselt mich von Stuhl. Trotzdem bleibe ich darauf sitzen und bewege mich nicht. Dieser Kerl könnte mich trotzdem jeder Zeit umbringen.

Auf einmal schaltet er eine Öllampe an, die er wohl mitgebracht hat.
Erst jetzt kann ich mir das Zimmer genauer anschauen.

Der Kerl deutet auf etwas hinter mir und ich erblicke eine Matratze. Wie zuvorkommend. Aber in meiner Situation sollte ich mich nicht beschweren, dass ich schon richtiger Luxus für Dexter.

Langsam stehe ich auf und stütze mich noch schnell am Stuhl, da meine Beine noch ein bisschen wackelig sind.

Mit kleinen Schritten laufe ich auf die Matratze zu und lege mich vorsichtig aus diese.

Als ich wieder hochschaue, sehe ich, dass der Kerl weg ist. Nur noch das Tablett steht jetzt vor meinem neuen Bett und die Tür ist wieder geschlossen.

Erst jetzt bemerke ich das Essen, dass noch auf dem Tablet steht.

Sofort greife ich danach und verschlinge, es bin in Minuten. Vielleicht sollte ich damit sparsam umzugehen, da ich nicht weiß, ob das vielleicht meine letzte Mahlzeit sein wird. 

Diesen Gedanken lege ich sofort beiseite und esse munter weiter.

Nach dem endlich mein Hungergefühl verschwunden ist, lege ich mich hin und meine Muskeln entspannen sich sofort.

Trotzdem versuche ich nicht in den Schlaf zu fallen, da ich Angst habe. Angst vor Dexter, der was weiß ich in der Nacht mit mir anstellen kann. 

Ich kenne seine Methoden viel zu Gut, weshalb ich es ihm auch nicht leicht machen werde. Meine Methode, alles in die Länge ziehen, damit die Jungs mehr Zeit haben mich zu finden. 

Aber er kennt mich auch, was mir gerade die meisten Sorgen bereitet.

Er kennt meine Schwachstellen. Wenn er seine Spielchen beiseitelässt, könnte er mich in nur wenigen Minuten zerstören. Aber Dexter liebt das Spiel und wird es nicht beiseitelegen, ob es mich beruhigt, weiß ich noch nicht.

Langsam fängt mein Körper an zu zittern. Die Temperaturen hier im Raum sinken drastisch, also müsste es Nacht sein.

Da ich keine Decke habe, rolle ich mich zu einem kleinen Ball zusammen, in der Hoffnung, das würde mich ein bisschen warmhalte.

Zum ersten Mal fühle ich mich hilflos. Noch nie habe ich mich so allein, schwach und verängstigt gefühlt.

Und dieses Gefühl will ich nie wieder fühlen. 

Mir fehlt die Wärme, die Kaiden mir immer geschenkt hat.

Mir fehlt das Lachen der Jungs, als sie immer länger wach geblieben sind und zusammen im Wohnzimmer noch saßen. 

Mir fehlen die Jungs.

HellboundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt