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„Ihr habt nur noch zehn Minuten. Schaut nochmal, ob ihr Rechtschreib- oder Grammatikfehler findet und korrigiert sie", informiere ich meine Schüler und drehe mich auf meinen hohen Schuhen um und schweife mit meinem Blick durch die Reihen.

Langsam laufe ich durch die Reihen und prüfe, dass auch jeder brav auf sein Heft schaut und nicht bei seinem Nachbar abschreibt.

Seit einem Jahr bin ich schon offiziell die Klassenlehrerin dieser vierten Klasse, da ihre vorherige Lehrerin in Mutterschutz gegangen ist. Ich selbst bin seit ungefähr eineinhalb Jahren Lehrerin, aber auch nur, weil diese Schule unterbesetzt war und immer noch ist. Bei mir haben sie eine Ausnahme gemacht und schon eingestellt, weil ich damals erst dreiundzwanzig geworden bin und mein Referendariat noch nicht ganz abgeschlossen habe. 

Hätte man mir vor sechs Jahren gesagt, dass ich jetzt hier als Grundschullehrerin stehen wurde, hätte ich wahrscheinlich diese Person ausgelacht. Jetzt würde ich die Person, die ich früher mal war auslachen. 

Mein Wunsch war es früher auf jeden Fall nicht Lehrerin zu werden, aber ich brauche das Geld und irgendwie fange ich an den Job zu lieben. Zwar helfe ich der Menschheit nicht und suche das Heilmittel gegen Alzheimer oder HIV, rette aber die Menschheit vor einem weitaus schlimmeren Problem. 

Der Dummheit.

Nach den besagten zehn Minuten sammle ich alle Klassenhefte ein und entlasse meine zwanzigköpfige Klasse in die heißgeliebte Pause. 

Erschöpft setze ich mich an mein Pult. 

Erschöpft greife ich nach meiner Kaffeetasse, muss aber feststellen, dass diese schon leer ist. Seufzend hieve ich mich wieder hoch, um mir neuen zu holen. 

Elegant laufe ich den Flur runter ins Lehrerzimmer. Auf dem Weg dort hin, schicke ich noch ein paar Kinder raus, die sich versteckt haben, um drinnen zu bleiben. 

Manchmal kann ich mir selbst in den Arsch beißen dafür, dass ich Lehrerin geworden bin. Trotzdem können Kinder auch niedlich sein, aber in diesem Alter sind die anstrengend und nervig.

Im Lehrerzimmer hole ich aus dem Schrank meine eigene Tasse raus und koche mir neuen Kaffee, da die Person, die ihn geleert hat, sich nicht die Mühe gemacht hat, neuen zu kochen. 

Ich vermeide ein Gespräch mit meinen Kollegen aufzubauen. Freunde zu finden vermeide ich grundsätzlich, aber trotzdem fällt es mir schwer vor diesen Menschen auf freundlich zu tun. 

Im Gegensatz zu meinen Kollegen hab ich nicht das Bedürfnis über meine Besitztümer  oder irgendeinen anderen Quatsch zu prallen. Meistens nicke ich und höre ihnen erst recht nicht zu.  

Mit frischem Kaffee flüchte ich wieder zurück, da ich aus dem Augenwinkel schon eine Kollegin auf mich zulaufen gesehen habe.

Am Ende des Schultages setze ich mich müde ins Auto. Der Parkplatz ist schon leer, da ich extra gewartet habe, bis alle Schüler abgeholt wurden. In der Zeit habe ich schon ein paar Englischarbeiten korrigiert. 

Leider sind schon um diese Uhrzeit die Straßen von San Francisco recht voll. Schon im ersten Stau schalte ich das Radio an und suche einen passablen Radiosender. 

„So Leute, jetzt kommt wie versprochen der neue Hit von  der Boygroup Hellbound. Enemy. Darin singen die fünf Jungs über ihre Ängste, ihre inneren Feinde. Also dreht das Radio lauter und zieht euch diesen kranken Hit rein, viel Spaß", ertönt die Stimme des jungen Radiosprechers, weshalb ich nur die Augen verdrehe. 

Vielleicht bin ich auch schon zu alt, um sowas zu hören. In der Schule höre ich pausenlos nur deren Namen und die Schwärmerei der Schülerinnen. Auch im Radio wird noch über diese Jungs geredet. 

HellboundWo Geschichten leben. Entdecke jetzt