Kapitel 2

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„Abendessen!“, hörte ich die Stimme unserer Köchin durch die Gänge trällern.

Ich sah kurz auf. Na endlich. So langsam fiel es selbst mir schwer, Alexandras Gekreische zu ignorieren. Vor allem, da sie sich mal wieder ihren Fanclub zur Unterstützung geholt hatte.

Erleichtert stellte ich fest, dass ich hören konnte, wie ein Großteil der Gruppe davon stapfte.

„Freu dich nicht zu früh, Harriot!“, fauchte die aggressive Stimme, die ich die letzten drei Stunden durchgehend hören musste. „Irgendwann musst du ja rauskommen!“

Und damit wurde es leise. ENDLICH. So langsam hatte ich doch Angst bekommen, dass meine Tür ihren Tritten nicht standhalten konnte.

Ich schob mein Buch wieder unter das Bett und sprang auf die Beine. Drei Stunden waren diese Hobbylosen vor meinem Zimmer gewesen und hatten das ganze Heim unterhalten. Drei Stunden! Und hatte es irgendeinen der Betreuer gejuckt? Nein. Natürlich nicht. Ich schnaubte.

Wie ich diesen Ort doch hasste. Alles war grau, dunkel und dreckig. Aber ich würde hier nicht wegkommen. Nicht, ehe ich volljährig war. Und das würde noch dauern. Schließlich würde ich gerade mal in drei Monaten elf werden. Ich seufzte. Die Zeit verging für meinen Geschmack viel zu langsam.

„Robyn?“, ertönte plötzlich erneut eine Stimme vor meinem Zimmer. Miss Wright.

Ich reagierte nicht.

„Ich weiß, dass du da bist, Robyn. Du hast Besuch.“

Besuch.

Na großartig.
Genau das, was ich gerade brauchte. Noch ein Gespräch mit einem Ehepaar, das der Meinung war, in einem dreckigen, heruntergekommenen Schuppen ihr Traumkind zu finden.

Ich verdrehte die Augen. „Schieb den Befragungsbogen einfach unter der Tür durch“, antwortete ich.

„Nein, es ist kein...“, setzte meine Betreuerin an. „Oh, verdammt! Nick, nein! Nicht in den Mund nehmen! Entschuldigen Sie mich bitte, Professor, ich ähm... Nick! Ich sagte doch, hör auf!“

Schritte eilten von mir weg. Ich verdrehte die Augen. Ein Professor stand also vor meiner Tür.

Klar. Warum auch nicht. Vielleicht hatte sie sich wndlich dazu durchgerungen, mein Gehirn tatsächlich der Wissenschaft zu spenden. Das wäre ein würdiges Vermächtnis.  Ein cooler Grund, abzutreten.

Verarschen konnte ich mich auch selbst.

Ohne ein weiteres Wort zu der draußen stehenden Person zu sagen, öffnete ich meinen Kleiderschrank.
Es war ein alter Schrank. Alt und garantiert von einigen Holzwürmern befallen.

Ich zog eine kleine Schachtel zwischen meinen Hosen hervor. Vor meinem Zimmer hört ich jemanden fröhlich pfeifen. Dieser Professor war also noch da.

Ja, warum hätte er denn auch nach einer Minute gleich gehen sollen? Ich seufzte. Am Ende hatte doch mein Gewissen gesiegt. Und meine Neugier. Von einem Professor hatte ich bisher noch keinen Besuch bekommen.

Ich stellte die Box auf meinem Nachttisch ab und nahm den Schlüssel wieder aus der Schublade.

Zögernd öffnete ich die Tür.

Ein alter Mann stand vor mir.
Er sah aus wie Santa Claus. Er hatte lange silberne Haare, einen Bart, der mindestens genauso lang war und die leuchtend blaue Augen strahlten mich freundlich durch seine Halbmondbrille an.
Doch damit nicht genug: er trug eine grau-lila Robe mit unauffälligen weißen Stickereien an Ärmeln und Kragen. Er war ein Inbegriff der Extravaganz. Ein Besucher aus einer anderen Welt. Oder ein alter Narr mit Schwäche für Mittelaltermärkte.

Ich blinzelte überrascht. Zu welcher Faschingsparty war er unterwegs, war die hartnäckige Frage, die in meinem Kopf dominierte.

„Hallo Robyn“, sagte er ruhig und lächelte mich freundlich an.

„Äh... hey?“, gab ich völlig überumpelt zurück.

Hoffentlich kam Miss Wright bald wieder. Ich hatte absolut keinen Plan, wie ich mich zu verhalten hatte.

„Was wollen - wie kann ich Ihnen helfen?“, verbesserte ich mich schnell.

Der alte Herr spähte an mir vorbei in mein Zimmer. „Wie ich sehe, hast du gleich mehrere Sitzgelegenheiten. Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir unser Gespräch dort hin verschieben?“

Ja. Eigentlich hatte ich nicht wirklich Lust dazu, einen vollkommenen Fremden in mein Zimmer, meinen einzigen, mehr oder weniger ruhigen, Rückzugsort zu lassen.

Aber etwas an diesem Mann machte mich neugierig. Vielleicht war es die Tatsache, wie er aussah, vielleicht aber auch, weil ich bisher nur Besuch von total verknallten, nervigen Turteltäubchen bekommen hatte.

Also nickte ich und schloss hinter dem Mann wieder meine Zimmertür.

„Wie ich sehe, hast du dich darauf vorbereitet, das Zimmer heute nicht mehr zu verlassen“, stellte er fest und deutete erst auf den Schlüssel, den ich noch immer in meiner Hand hielt und dann auf die kleine Box, die auf meinen Nachttisch stand und in der mein heutiges Abendessen verstaut war.

Ich nickte langsam. „Möchten Sie etwas?“, fragte ich dann, aber der Mann lehnte freundlich ab. Eine andere Antwort hätte mich auch aufgebracht.

„Du fragst dich bestimmt, wer ich bin und was ich hier mache“, begann er, nachdem er es sich auf dem Stuhl neben meinem Fenster bequem gemacht hatte.

Ich nickte langsam.

„Nun, mein Name ist Professor Dumbledore und ich bin Schulleiter an einer Schule."

„Tatsächlich?“, erwiderte ich und musste mich beherrschen nicht das zu sagen, was ich dachte. Ein Schulleiter an einer Schule. Wo gab es denn so was?

„Tatsächlich. Es ist keine normale Schule. Es ist ein Internat für...“

„...Menschen wie mich?“, beendete ich seinen Satz. Na danke auch. Jetzt bekam ich auch schon Anfragen von Sonderschulen. Warum wollte man mir so unbedingt sagen, wie scheiße ich war? Das wusste ich auch selbst.

„Mit Art und Wesen von der Mehrheit abzuweichen, ist nichts Negatives“, erwiderte Dumbledore. „Im Gegenteil. Ich bin sicher, du wirst es verstehen, wenn du erst einmal in Hogwarts bist.“

„Hogwarts? Ihre Schule?“

Der Mann nickte und hielt mir einen sauberen Papierumschlag hin.

Zögernd nahm ihn ihm aus der Hand. Vorsichtig durchtrennte ich das Siegel und zog den Brief heraus.

Sehr geehrte Miss Robyn Harriot,

wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei aufgenommen wurden. Beigelegt finden Sie eine Liste aller benötigten Bücher und Ausrüstungsgegenstände. Das Schuljahr beginnt am 01. September. Wir erwarten Ihre Eule spätestens am 31. Juli.

Mit freundlichen Grüßen


Minerva McGonagall

Stellvertretende Schulleiterin

Tales of a marauders daughter | Robyn Harriot | In Love With A WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt