Ich spurtete die Wendeltreppe nach oben. Und dennoch dauerte es eine gefühlte Ewigkeit, bis ich die Tür mit dem Adlertürklopfer erreichte. „Keine Fragen, mach einfach so auf!“, keuchte ich, aber meine Worte schienen dem Türklopfer ziemlich egal zu sein. „Etwas das alles und jeden verzehrt, Helm und Panzer, Axt und Schwert, Tier, Vogel, Blume, Ast und Laub, aus hartem Stein mahlt es Staub, stürzt Könige, verheert die Stadt, macht Grades krumm, walzt Berge platt.“ Oh man. Der wollte mich jetzt verarschen, oder? Warum nichts Offensichtliches? Wieder so etwas wie Gämsfedern wäre angenehm gewesen. Aber nein. Immer wenn ich es eilig hatte, wurde er besonders kreativ. Ich atmete tief ein und aus, versuchte meine Atmung zu beruhigen und mich zu konzentrieren. Alles eher weniger erfolgreich. Ich schloss die Augen und stützte mich auf meinen Knien ab. Nachdenken! Nachdenken, Robyn.... du kannst das! „Die Zeit?“
Das Schloss öffnete sich. Erleichtert richtete ich mich auf. War doch gar nicht so schwer gewesen. Ich stieß die breite Tür auf. Das Blut gefror mir in den Adern, als mir ein übler Gestank entgegen kam. Ich rümpfte die Nase.
E. K. E. L. H. A. F. T.Im Gemeinschaftsraum herrschte das reine Chaos: es war kaum etwas zu sehen, aber das laute Rumpeln, das Gefluche und der Geruch sprachen für sich: ich war zu spät. Ich schlug die Hände vor den Mund. Was hatten Fred und George nur angerichtet? Nichts Gutes, so viel war klar. Aber dennoch... es hatte etwas... Amüsantes...
„Harriot!“, fauchte eine Stimme aus dem stinkigen Nebel heraus und meine Mundwinkel rutschten sofort nach unten. Schadenfreude ließ das Ganze noch doof für mich ausgehen. Wenn sie es nicht schon getan hatte. Eine Drittklässlerin tauchte urplötzlich aus dem Nebel vor mir auf und stürmte auf mich zu. Ich richtete mich noch ein Stück mehr auf, um nicht einen Schritt zurück zumachen. Nicht, weil ich Angst hatte oder so, nein. Ich hatte einfach keine Lust, mich vor einer wild gewordenen Furie namens Edith Mao zu rechtfertigen, wohl wissend, dass sie mir eh nicht glaubte oder überhaupt zuhörte. Schwer zu glauben, aber wahr. Die schwarzhaarige Ravenclaw mochte mich nicht. Und damit war sie auch nicht die einzige. Vielleicht hätte ich diese Haustreffen zum gemeinsamen Lernen doch ein bisschen ernster nehmen und hingehen sollen, so, wie Cho es mir empfohlen hatte.
Tja, im Nachhinein war man immer schlauer. Und das so ein nerviges Treffen positiv auf meine Beziehung zu anderen Ravenclaws hätte Einfluss nehmen können, hätte ja niemand ahnen können. Obwohl, doch. Cho hatte genau das gesagt. Und Ruth hatte ihr zugestimmt. Sogar Grace hatte gesagt, dass mir das Schließen von Freundschaften nicht gerade schaden würde. Und das natürlich mit ihrem normalen spöttischen Unterton mir gegenüber. Na ja, ich hatte auf Hogwarts drei Freunde, warum sollte ich mehr haben wollen? Ach ja, Fred und George würde ich eigentlich auch zu meinen Freunden mitzählen. Sie hatten mich vorhin ihre beste Freundin genannt. Aber keine Ahnung, ab wann man wirklich befreundet war. Reichte da ein gemeinsam gespielter Streich aus? Wie gesagt, meine soziale Kompetenz war nicht wirklich so das Wahre...Mittlerweile hatte Edith mich erreicht. Von nahen sah sie gar nicht mehr so angsteinflößend aus. Mehr nach einer misslungenen Imitation eines Wachhundes.
„Na da hätten wir unseren Übeltäter“, zischte Edith und packte mich am Arm. „Hast dich wohl für eine ganz Schlaue gehalten, was Harriot?“ Ich versuchte, mich von ihr los zu machen. Erfolglos. Ich verzog das Gesicht, als sie mir den Arm umdrehte. „Erwischt würde ich sagen, du kleine Hexe! Sobald ein bisschen Gegenwind kommt, stolzierst du nicht mehr so herum, mh?“ „Erstens, dich hat es erwischt, wenn du mich ernsthaft verdächtigst, nur, weil ich zufällig nicht da war, als die Stinkbombe hochgegangen ist und zweitens: ICH STOLZIERE NICHT!“ Edith gab nur ein glucksendes Geräusch von sich. Wow, ich musste ja mal wieder meine Höchstform im Überzeugen angenommen haben. „Wer hat gesagt, dass es eine Stinkbombe war?“ „Stimmt. Könnte auch sein, dass du einfach mal pupsen musstest. Ich an deiner Stelle würde mal zu Madam Pomfrey gehen“, ich verdrehte die Augen. Dass es eine Stinkbombe gewesen war, lag doch auf der Hand. Aber ich bezweifelte nicht, dass sie das abstreiten würde, wenn ich dafür die Schuld bekommen könnte. „Du kommst, nachdem die Bombe hochgegangen ist zufällig rein und bleibst erst einmal grinsend in der Tür stehen! Ich würde sagen, das spricht für sich!“ Ich unterdrückte ein Seufzen. Mal ehrlich, wie schaffte sie es nur, sich selbst zu überzeugen? Ich versuchte erneut, ihr meinen Arm zu entreißen; wieder erfolglos. Sie war einfach stärker als ich. Und in der wesentlich komfortableren Position. „Lass sie los!“ Ich blinzelte Cho dankbar an, die nun aus dem Nebel getreten war und Edith anfunkelte. Nur schien diese heute nicht ihren besten Tag zu haben. Entweder hörte sie Cho nicht oder sie ignorierte sie einfach. Beides möglich. Letzteres schätzungsweise sogar noch ein bisschen mehr.
„Was ist hier los?“, ich atmete erleichtert aus, als Flitwick hinter uns auftauchte. „Miss Mao, lassen Sie Miss Harriot los und erzählen Sie mir lieber, wer dafür verantwortlich ist!“ Der Druck auf meinen Arm ließ nach. Endlich. Warum hatte ich nur immer so wenig entgegenzusetzen? „Sie hat eine Stinkbombe im Gemeinschaftsraum platziert!“ Ich stöhnte. Sie zog das Ganze also wirklich durch. Bei Merlins Unterhose... „Und das Ganze macht sie daran fest, dass ich nicht im Gemeinschaftsraum war“, gab ich zurück. „Ich kann das Gesicht eines Schuldigen erkennen, wenn ich es sehe!“ „Sehr überzeugend, nachdem du eine Unschuldige beschuldigst“, mischte sich Cho ein, aber, oh Wunder, Edith ignorierte sie. „Wer sollte die Bombe denn sonst platziert haben? Wir waren es jedenfalls nicht!“ Ich stöhnte. Welcher Mensch mit auch nur ein bisschen Grips schenkte ihrer lächerlichen Argumentation denn bitte Glauben? Flitwick hoffentlich nicht. Sonst sah es doof für mich aus. Aber mit einer Sache hatte Edith recht. Es war niemand aus Ravenclaw gewesen, der diese übelriechende Plage platziert hatte. Das waren Fred und George gewesen. Aber durch hinlegen ging eine Stinkbombe ja nicht hoch. Irgendjemand musste sie unbeabsichtigt aktiviert haben. Uff. Die Person konnte einem leidtun.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Hier reinzukommen ist jetzt wirklich nicht so schwer. Man muss ja nur das Rätsel draußen lösen. Und davon auszugehen, dass nur Ravenclaws dazu in der Lage sind, ist ziemlich hochmütig. Warum also jemanden von uns beschuldigen?“ Flitwick runzelte nachdenklich die Stirn. „Versuchen Sie uns etwas mitzuteilen, Miss Harriot?“ JA! Ich war es nicht gewesen. Es waren Fred und George. Aber ich sprach die Worte nicht aus, die durch meinen Kopf purzelten. Freunde verriet man nicht. Auch wenn es den beiden Gryffindors sicher mal nicht geschadet hätte. „Nein, Professor“, erwiderte ich also. „Ich versuche nur, klarzumachen, dass es jeder gewesen sein könnte und Anschuldigungen auch nicht dafür sorgen, dass der Gestank verschwindet.“
Edith schnaubte.
Ich verdrehte die Augen.
Cho sah zwischen uns hin und her.
Flitwick ließ seinen Blick an uns vorbeigleiten und nickte.
„Da haben Sie recht“, sagte er schließlich. „Ich werde mich darum kümmern, den Schuldigen zu finden. Und währenddessen...“, er deutete auf die ekelerregenden grünlichen Duftschaden, die immer noch den mittlerweile geleerten Gemeinschaftsraum zierten, „werden Sie und Miss Mao dafür sorgen, dass wir hier wieder atmen können, verstanden?“ Ich biss die Zähne zusammen. Danke, Fred. Danke, George. Aber dennoch: ich nickte brav. Edith brauchte deutlich länger. Ich sah ihr an, dass ihre Bereitschaft, Zeit mit mir, der abscheulichsten Ravenclaw aller Zeiten zu verbringen, gleich null war. Wären wir nicht von dem Werk einer Stinkbombe umgeben, hätte ich ihren Ärger vermutlich sogar riechen können. „Verstanden“, presste sie schließlich hervor. Unser Hauslehrer lächelte zufrieden. „Gut. Lüften Sie einmal ordentlich durch und sorgen Sie dafür, dass, wenn sich der Geruch an den Möbeln festgesetzt hat, er dennoch verschwindet.“ Ich unterdrückte ein Seufzen. Klang ganz so, als würde mein restlicher Abend wirklich spaßig werden. Vor allem, da das hier wirklich der perfekte Grund für Edith war, mich zu hassen. Aber dennoch: Fred und George waren wirklich Genies. In den Ravenclawgemeinschaftsraum schleichen, eine Stinkbombe platzieren und damit höchstwahrscheinlich noch ungestraft davon zukommen. Meinen Respekt hatten die Beiden. Aber sagen würde ich ihnen das nicht. Ganz sicher nicht. Obwohl, vielleicht schon. Doch dann nicht mit diesen Worten.
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Tales of a marauders daughter | Robyn Harriot | In Love With A Weasley
FanfictionHogwarts ist die perfekte Schule für Leute wie mich. Ein Internat. Eine Kunstschule. Eine Anstalt. Muggel glauben, was sie wollen. Robyn Harriot. So heiße ich. Der Name einer Loserin. Dir gefällt er nicht? Toll. Ich hab genug andere. Nervig, verrück...