„Zeig mal her!“, forderte ich und lehnte mich ein Stück nach vorne, um auf Chos Stundenplan schauen zu können. Meinen eigenen auszupacken, klang viel zu anstrengend. „Zauberkunst, Kräuterkunde, Doppel Zaubertränke und Doppel Verteidigung gegen die dunklen Künste. Hört sich doch ganz gut an, oder?“ Cho nickte zustimmend. „Ich schätze schon. Bist du schon fertig mit Frühstück?“ Ich nickte, griff nach meinem Stundenplan und stand auf. Cho tat es mir gleich. Seite an Seite verließen wir die Große Halle. Gestern hatten wir das Schloss erkundigt. Es war wirklich groß und es gab so viele tolle Plätze! Die Bibliothek, der Astronomieturm, der schwarze See und Hagrids Hütte. Hagrid war ein bärtiger Halbriese, der Wildhüter von Hogwarts. Er hatte uns und die anderen Erstklässler über den schwarzen See gebracht. Und er liebte magische Geschöpfe. Er hatte einen großen Hund, Fang, und ich war mir ziemlich sicher, dass in seinem Garten auch noch andere Tiere oder Geschöpfe lebten. Er war ziemlich nett. Cho und ich hatten ihn gestern besucht. Es war ein spontaner Besuch gewesen. Aber das hatte den Halbriesen nicht wirklich gestört. Wir hatten einen Tee zusammen getrunken und er hatte uns ein bisschen was über seine Arbeit erzählt. Cho war dabei beinahe eingeschlafen, aber mich hatte seine Begeisterung für Tierwesen angesteckt und so freute ich mich schon sehr darauf, in der dritten Klasse mit Pflege magischer Geschöpfe anfangen zu können. Aber bis es so weit war, musste ich mich wohl oder über mit Newt Scamanders Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind zufrieden geben. Seufz.
„Und nun, versuchen Sie bitte, den Zauber mit diesem Wissen nun selbst durchzuführen“, sagte Professor Flitwick und nickte uns zu. Konzentriert hob meinen Zauberstab. Was er uns gerade erklärt hatte, klang jetzt nicht soooo kompliziert. „Lumos“, flüsterte ich und machte genau die Zauberstabbewegung, die wir vor ein paar Minuten beigebracht bekommen hatten. Ein Licht entfachte sich an der Spitze meines Zauberstabs. Es hatte geklappt. Ein zufriedenes Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus. Ich hatte es geschafft. Und ein Blick zu meinen Mitschülern zeigte mir, dass ich auch nicht die Einzige war. Fast alle Anderen waren erfolgreich gewesen. „Gut gemacht!“, rief Flitwick und lächelte zufrieden in die Runde. Cho und ich tauschten stolze Blicke. Der Lichtzauber war vielleicht nicht der komplizierteste Zauber, aber es war ein Anfang. Und der erste Zauber, den ich nun beherrschte.
„Beeile dich Ruth!“, rief ich und stolperte dir Treppe zu den Kerkern hinunter. „Tut mir leid!“, piepte meine Schlafsaalmitbewohnerin schuldbewusst. „Wenn ich in Kräuterkunde...“ „Mach dir keinen Kopf“, unterbrach ich sie, während wir durch den leeren Gang eilten. Alle anderen Schüler waren schon längst bei ihrer nächsten Stunde. Wo wir auch eigentlich sein sollten. „Das war unsere erste Stunde Kräuterkunde. War doch klar, dass nicht alles glatt läuft!“ „Ich habe fünf Töpfe zerbrochen! Und fast jeden Zentimeter des Boden mit Erde bedeckt!“ „Erste Stunde, kann jedem passieren!“, erwiderte ich nur und blieb schlitternd vor dem Klassenzimmer für Zaubertränke stehen. Beinahe wären wir vorbeigelaufen. Was aber auch nichts daran änderte, dass wir zu spät waren. Und zwar mindestens zehn Minuten. Großartiger Start in ein neues Fach. Ruth blieb keuchend neben mir stehen. Größen technisch war sie nicht viel größer als Alexandra, dafür für aber mit viel weniger Ausdauer gesegnet. Zögerlich klopfte ich an der Tür an. Keine Reaktion. Ich klopfte nochmal. Entweder standen wir beim falschen Klassenzimmer oder unsere Mitschüler waren einfach zu faul, die Tür zu öffnen. Also stieß ich sie auf und trat in den Kellerraum ein. Ruth direkt hinter mir. Es war still im Raum. Die einzige Lichtquelle waren die Fackeln, die überall an der Wand hingen. „Zu spät“, schnarrte plötzlich eine Stimme zu meiner rechten. Ich zuckte zusammen und fuhr gleichzeitig mit Ruth herum. Meine Mitschülerin ließ erschrocken ihre Tasche fallen. Vor uns stand ein Mann, der älter aussah als er vermutlich war, wahrscheinlich ungefähr Anfang dreißig, hochgewachsen, hackennasig, schwarze Augen und mit ebenso dunklen, fettigen, langen Haaren. Ich schluckte. Was ein Sonnenschein. Er kniff die Augen zusammen und trat langsam einen Schritt auf uns zu. „Die erste Stunde. Und schon zwei Schülerinnen, die es nicht für notwendig erachten, pünktlich zu erscheinen.“ „Professor, wir-“, setzte ich an. „Fünf Punkte Abzug für jeden von Ihnen“, unterbrach er mich einfach, ohne auch nur mit der Wimper zu zuckten. Ruth senkte neben mir sofort den Kopf. 10 Punkte Abzug für Ravenclaw. Am ersten Unterrichtstag. Wegen uns. Tolle Voraussetzungen den Hauspokal zu gewinnen. So machte man sich Freunde. Ich sagte gar nichts. Keine Sekunde brach ich den Blickkontakt ab. Mit einem Nicken bedeutete er uns schließlich uns zu setzten. Ich drehte mich um. Da waren sie. Die Ravenclaw-Erstklässler hatten mit denen von Hufflepuff zusammen Zaubertränke. Und jetzt saßen sie gerade alle an ihren Plätzen und beobachteten die Szene. Cho lächelte uns aufmunternd zu. Am liebsten hätte ich mich neben sie gesetzt. Aber der Platz war schon belegt. Und zwar von niemand geringeren als Marietta. Ich hatte gestern den ganzen Tag mit ihr und Cho verbracht. Und sie war wirklich nett. Ich glaubte wirklich, dass wir Freunde werden könnten. Mein Blick huschte weiter über die Reihen. Es waren nur noch zwei Plätze frei. Einer neben Grace, meiner fünften Mitbewohnerin, und einem blonden Hufflepuff. Ruth warf mir fragenden Blick zu. Ich nickte zögerlich. Wenn es nach mir ging, konnte sie sich gerne neben Grace setzten. Wir waren noch nicht so wirklich warm miteinander geworden. Also ließ ich mich kurz darauf neben dem Hufflepuff fallen. Unser Zaubertranklehrer hatte währenddessen mit dem Unterricht fortgefahren und erzählte uns etwas über Zaubertrankkräuter, wo sie zu finden waren und was sie bewirkten. Unser Zaubertranklehrer. Klang so unpersönlich. Nur wie hieß der Typ nochmal? Ich war mir sicher, dass Dumbledore ihn vorgestern vorgestellt hatte. War er nicht für die Slytherin zuständig? So, wie Professor Flitwick unser Hauslehrer war? „Wie hieß er noch gleich?“, flüsterte ich und lehnte mich leicht zu meinem Sitznachbarn herüber. Er warf mir einen seltsamen Blick zu. Wahrscheinlich hatte ihn vorher noch nie jemand eine solche Frage gestellt. „Snape“, gab er sogar noch leiser zurück. Snape. Das konnte ich mir merken. Spontan war mir nämlich eine ziemlich treffende Eselsbrücke eingefallen. „Snape, die Schnappschildkröte. Sollte ich mir merken können“, flüsterte ich belustigt. Der Junge warf mir einen geschockten Blick zu. Seine Angst gehört zu werden, überspielte er wirklich blendend. Was für ein Held. „Müssen wir immer so sitzen?“, fragte ich und bemerkte erst zu spät, dass mein Sitznachbar das auch gut und gerne in den falschen Hals bekommen könnte. „Ja. Feste Sitzordnung“, gab er leise zurück. Begeisterung schwang auch nicht gerade in seiner Stimme mit. Ich musste mich beinahe über den ganzen Tisch schmeißen, um ihn verstehen zu können. „Na dann“, murmelte ich und versuchte freundlich zu lächeln, um ihm nicht vollkommen das Gefühl zu geben, dass ich am liebsten überall wäre, nur nicht neben ihm. „Ich bin Robyn Harriot.“ Er blickte mich nachdenklich an. Nur kurz, aber lang genug, dass ich den seltsamen Ausdruck in seinen Augen sehen konnte. Es war der gleiche, den ich auch in Grace Augen gesehen hatte, als ich mich ihr vorgestellt hatte. Nur schien sich dieser Kandidat nicht ganz so schnell wieder zu fangen. Dass ihm keine Fliege in den offenen Mund flog, war wirklich ein Wunder. „Und du bist?“, hakte ich nach. Ich konnte den Schalter förmlich hören, der in seinem Kopf umgelegt wurde. „Josh Cooper.“ Und schon sah er wieder nach vorne. Ich hob kurz die Augenbrauen. Irgendwie hatte ich mit einem anderen Namen gerechnet. Vielleicht einem, der übersetzt so etwas wie „Der mit wenig Worten Gesegnete“ oder „Der Aufmerksame“ bedeutete. Aufmerksam. Eine Beschreibung, die auf mich wohl gerade nicht so hundertprozentig zutraf. Snape erklärte uns währenddessen, worauf wir beim Brauen von Tränken zu achten hatten. Langweilig. Sicherheitseinführungen waren wirklich nicht meins. Ich hörte sie zwar und versuchte sie auch um zusetzten, aber wirklich leiden konnte ich es nicht. War immerhin immer das Gleiche. Sogar mehr oder weniger jetzt, in Zaubertränke. Zumindest, wenn man davon absah, dass sie sich diesmal auf einen Zaubertrank bezogen. Die Zeit zog sich also wie Kaugummi. Kaugummi... ob Zauberer so etwas überhaupt kannten?
„Bis zur nächsten Stunde schreiben Sie die benötigten Zutaten für den Heiltrank gegen Furunkel auf, ebenso die Wirkung der einzelnen Zutaten. Das sollte nach dieser Stunde kein Problem für Sie darstellen. In der nächsten Stunde werden Sie diesen brauen, ich empfehle Ihnen also ihre Aufgaben gewissenhaft zu machen.“ Ich zuckte zusammen. Verdammt. Ich war vollkommen abgedriftet. War die Doppelstunde schon vorbei? Ich schielte vorsichtig zu Josh. Er hatte noch keine Anstalten gemacht, seine Sachen einzupacken. Aber er hatte auch mehr als ich auf seinem Platz liegen. Unter anderem einen Block und eine Feder. Mist. Sah ganz so aus, als hätte ich vollkommen verpeilt, mitzuschreiben. Hoffentlich würde Cho mich später bei ihr abschreiben lassen. „Harriot!“, rief Snape plötzlich. Ich spürte wie ich schuldbewusst zusammenzuckte. Wow, Robyn, lobte ich mich selbst. So könnte ich ihm auch direkt entgegen schreien, dass ich nicht aufgepasst hatte. „Was bekommen Sie, wenn Sie einem Wermutaufguss geriebene Affodillwurzel hinzufügen?“ Affodillwurzel in einen Wermutaufguss hinzufügen. Ich hatte das schon mal gehört. Beziehungsweise gelesen. „Einen Schlaftrank, Sir“, antwortete ich ruhig. Arsenius Bunsen sei Dank. Snapes Augen verengten sich zu Schlitzen. „Korrekt“, murmelte er und schaffte es, mir das Gefühl zu geben, dass das alles andere als positiv war. „Ein Gebräu, das Sie ganz augenscheinlich nicht benötigen. Ihre Aufzeichnungen, Harriot.“ Fordernd streckte er die Hand aus. Ich presste die Lippen aufeinander. Natürlich würde ich damit nicht einfach so durchkommen. Wäre ja auch wirklich zu schön gewesen. Ich hob erneut den Blick und sah den Professor an. Seine Lippen kräuselten sich zu einem hämischen Grinsen. Oh, er war ja so was von mein Lieblingslehrer. Ironie, für alle, die mich gerade für verrückt erklärt haben. „Ich habe nichts notiert, Sir.“ „Das ist wirklich... enttäuschend. Ich wollte die Ergebnisse der Klasse gerade einsammeln“, er hob abwertend die Augenbrauen und sah auf mich herab. Na toll. Hieß das, dass ich direkt an meinem ersten Tag schon eine miese Bewertung auszugleichen hatte? „Professor, ich - “ „Das macht weitere fünf Punkte, die Ravenclaw wegen Ihnen verliert, Harriot. Bis zur nächsten Stunde schreiben Sie mir zusätzlich zu den Hausaufgaben einen Aufsatz über den Schlaftrunk für Traumlosen Schlaf. Zweiseitig. Und Sie werden auch darauf eingehen, aus welchem Grund dieser vor dem Unterricht nicht zu sich genommen werden sollte. Habe ich mich klar ausgedrückt?“ Seine Stimme war schneidend. Augenblicklich senkte ich den Kopf. Diesen ersten Eindruck würde ich nicht so schnell wieder wett machen können. So viel zu Neue Schule, neues Glück. Ich schaffte es wirklich, alles ins Gegenteil zu wandeln. „Haben Sie“, gab ich Professor Snape zu verstehen und nickte.
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Tales of a marauders daughter | Robyn Harriot | In Love With A Weasley
FanfictionHogwarts ist die perfekte Schule für Leute wie mich. Ein Internat. Eine Kunstschule. Eine Anstalt. Muggel glauben, was sie wollen. Robyn Harriot. So heiße ich. Der Name einer Loserin. Dir gefällt er nicht? Toll. Ich hab genug andere. Nervig, verrück...