Kapitel 22

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„Guten“, murmelte ich, als das Essen vor uns aufgetaucht war und Cho und ich uns unsere Teller ordentlich vollgeladen hatten. Wir waren den ganzen Tag draußen gewesen und waren zwischen den fallenden Schneeflocken hin und her gesprungen. Nichts Besonderes, aber es war ziemlich lustig gewesen.

Ich ließ meinen Blick durch die große Halle gleiten. Sie war ziemlich leer. So viele Schüler waren über die Ferien nach Hause gefahren: Ruth, Grace, Marietta, Edith, Penelope, mein Zaubertranksitznachbar Josh, Fred, George, Charlie, alle drei mit einem ordentlichen Sprachfehler, falls man es überhaupt noch so nennen konnte, Percy und noch haufenweise andere Schüler, deren Namen ich alle nicht kannte.

Cho war hier geblieben. Zum Glück. Auch, wenn ich inständig hoffte, dass sie das nicht wegen mir tat. Denn ja... ich hatte nicht vor, außer den Sommerferien überhaupt nochmal richtige Ferien im Heim zu verbringen. Da konnte ich mir besseres vorstellen. Warum Cho blieb, hatte sie nicht gesagt. Warum auch? Den wahren Grund hatte ich ihr auch nicht erzählt. Außer Dumbledore und vielleicht den anderen Lehrern kannte den nämlich niemand. Und zwar schlicht und ergreifend, weil ich niemandem erzählt hatte, dass ich im Heim lebte. Warum auch? Ging niemanden was an. Meine Probleme waren meine.

„Ich freue mich schon auf morgen!“, aufgeregt spielte Cho mit ihrer Gabel in der Luft herum. Ich hob fragen eine Augenbraue: „Warum noch gleich?“ Sie sah mich verblüfft an. „Der 25. Dezember! Weihnachten!“ Ach ja, da war ja was. Der Grund für diese Ferien. „Ich freue ich so auf eure Gesichter!“ „Sorry, dass ich dich bremse, aber die anderen sind nicht hier.“ „Sie werden bestimmt schreiben, wenn es ihnen gefallen hat. Das ist dann fast so gut, wie ihr Gesichtsausdruck.“ Ich brummte. Das sah ich zwar anders, aber bitte, wer war ich, mir bei so etwas eine Meinung zu erlauben? Was zwischenmenschliche Beziehungen anging, war Cho eindeutig die Expertin von uns beiden. „Ich hoffe ihnen gefallen meine Geschenke...“ Ich schnaubte. „Du bist fast seit Ende Oktober dabei, Weihnachtsgeschenke zu besorgen oder selbst zu machen. Ich würde mal sagen, wer das nicht zu schätzen weiß und nicht sofort zurückschreibt, hat deine Mühen gar nicht verdient.“ Cho lächelte sanft. „Danke?“ Ich zuckte mit den Schultern. Sie machte sich sooooo unglaublich viele Gedanken. Ich dagegen schnappte mir einfach Blatt und Stift und begann alles mögliche zu skizzieren, was mir zu einer Person einfiel. Miss Wright hatte mir mal eine Möglichkeit gezeigt, wie man am besten kleine Büchlein basteln konnte. Und da ich außer Klavierspielen und Malen keine Hobbys hatte, hatte ich irgendwann mal damit angefangen meine eigene Taktik zu entwerfen, mit buntem Papier und meinen Zeichnungen schöne Erinnerungsstücke zu erschaffen. Klang zwar auch nach nicht gerade wenig Arbeit, aber im Gegensatz zu dem Aufwand, den sich Cho immer machte, war es das definitiv. Obwohl es ja nicht darauf ankam, wie aufwendig etwas war, sondern was man sich dabei gedacht hatte. Hatte mir Miss Wright garantiert nicht nur einmal erklärt. Änderte dennoch nichts daran, dass ich eigentlich gar nicht dachte, wenn ich die Geschenke herstellte. Ich tat es einfach. Und je nachdem, wie sehr ich die Person mochte und wie viel Zeit wir miteinander verbrachten, war das Ergebnis unterschiedlich schön. Hing ganz an den Erinnerungen, die ich mit Bleistift festgehalten hatte ab. Aber mit der von Cho war ich eigentlich ganz zufrieden. Hatte mal wieder not getan, dass ich mich ein bisschen künstlerisch betätigte. Seit ich hier auf Hogwarts war, hatte ich die Leinwand, die ich noch in meinen Koffer gequetscht hatte, noch nicht einmal angefasst. Traurig. Sehr traurig sogar. Und ans Klavierspielen wollte ich gar nicht denken. Hoffentlich hatte ich nicht alles was ich wusste wieder vergessen. Das wäre wirklich ärgerlich.

„Robyn?“ Ich zuckte zusammen. Mist. Schon wieder nicht zugehört. Mein verfluchter Kopf! Konnte er nicht einmal nicht abdriften? Schuldbewusst sah ich Cho an. Sie lächelte. Wie immer. Ich konnte das gar nicht. Wie lange sie wohl geübt haben musste, um das so lange tagtäglich durchzuhalten? „Ich muss noch kurz was erledigen. Ist es in Ordnung, wenn ich schon gehe?“ „Klar“, überrascht nickte ich. „Natürlich.“ Sie lächelte dankbar.

Tales of a marauders daughter | Robyn Harriot | In Love With A WeasleyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt