Hass (Mat POV)

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(Mat POV)

"Du antwortest mir nie auf meine Fragen. Nicht einmal jetzt. Woher sol ich wissen, wem ich glauben soll? War es Zufall, dass wir uns begenget sind oder hast du mir aufgelauert? War das alles ein Spiel für dich?", schreit sie mich an und heult weiter.

"Nein, ich habe das nicht geplant. Ich wusste am Anfang nicht einmal, wer du bist und auch nicht, dass Etienne eine Schwester hat. Willst du mir vielleicht noch irgendwas vorwerfen?", frage ich mit finsterer Miene.

"Wo ist die Tasche, Mat? Habt ihr sie oder nicht?", fragt sie und verschränkt die Arme. Sie hat nicht das Recht, sich gerade aufzuspielen. Außerdem versteht sie nicht, dass nicht diese Tasche der Dreh- und Wendepunkt dieser Geschichte ist. "Du weißt gar nichts. Du hast keine Ahnung von all dem. Denkst du wirklich, Etienne ist in dieser Geschichte der Gute? Schön, dann geh zu ihm." Ich zeige mit meiner linken Hand in Richtung Ausgang.

Sie schaut mich prüfend an. "Nur zu, geh. Ich werde dir nichts tun, aber für mich bist du von jetzt an gestorben." Als ich die Worte, die ich seit dem ich sie an meinem Schreibtisch gesehen habe im Kopf hatte, ausspreche, bricht mein Herz. Ich unterdrücke die Tränen und vor allem die Wut. Da ist diese unbändige Wut, die ich langsam nicht mehr kontrollieren kann. Es würde nichts bringen, noch ein weiteres Möbelstück zu zertreten. Auch nicht, alle Möbelstücke zu Kleinholz zu verarbeiten.

Immerhin haben meine Worte auch sie verletzt, das ist deutlich in ihren Augen zu sehen. Ich wollte nie, dass es soweit kommt, doch sie hat mir nicht vertraut, mich belogen und mit meinen Gefühlen gespielt. So etwas ist mir noch nie passiert. Noch nie habe ich jemanden überhaupt so weit an mich herangelassen, dass das hätte passieren können. Das war so dumm von mir, zu glauben dass sie anders wäre. Zu glauben, ich könnte zwischen ihr und ihrem Bruder differenzieren und dass sie sich von ihm abwendet. Seit sie in meinem Leben ist, habe ich nur Ärger wegen ihr. Damit ist jetzt Schluss, endgültig.

Sie bewegt sich langsam auf mich zu, ihre Augen fixieren mich. Ihre Hände zittern und als sie an mir vorbeigeht, atme ich ein letztes Mal ihr Parfum ein.

"Jetzt brauche ich wenigstens keine Rücksicht mehr nehmen und kann ihn umbringen.", sage ich, um mir Genugtuung zu verschaffen. Bevor sie etwas sagen kann, knalle ich die Tür zu. Als ich sie nach einer halben Stunde öffne, vergewissere ich mich, dass sie nicht mehr im Haus ist. Ihre Sachen aus meinem Zimmer sind verschwunden, im Keller ist sie nicht und auch nicht in den anderen Räumen. Gut so.

"Was ist los?", fragt Parker mich irritiert, der gerade die Küche verlässt und meinen suchenden Blick verfolgt. "Nichts.", brumme ich. Unser Verhältnis hat sich zwar gebessert, aber dennoch will ich nicht sehen, wie er sich sein Lächeln verkneift, wenn ich sage, dass Julie und ich uns getrennt haben. Ich stampfe also wieder die Treppe hoch und hoffe, dass mir nicht noch jemand begegnet.

Als ich so auf meinem Bett liege, überlege ich, wie es weiter gehen soll. Ein großer Teil meines Lebens ist weg, einfach weg und ich kann mit der Leere nichts anfangen. Dieses Gefühl war mir bisweilen unbekannt und ich wäre froh darüber gewesen, es niemals zu erfahren.

Ich muss mich ablenken, wieder die Zügel vollständig in die Hand nehmen und meinen Plan trotzdem durchziehen. Angefangen hat alles damit, Julie beschützen zu wollen, aber diese Sache geht weiter über uns hinaus. Ich musste feststellen, dass das, was wir als Blinders uns hier aufgebaut haben, viel fragiler ist, als man denkt. Es braucht nur einen Etienne, einen Hitch und einen Leroy, um alles ins Wanken zu bringen.

Für meine Leute und für die Stadt werde ich mich nur noch darauf konzentrieren, das hier zu beschützen. Seit dem die Blinders in der Stadt sind, ist es friedlicher. Wir dulden keine möchtegern Gangster, die nachts auf ihre angeblichen Feinde losgehen, weil die sich zuvor bei McDonalds vorgedrängelt haben. Wir haben Ordnung in eine Stadt gebracht, die voll von Kriminalität und gestreckten Drogen war. Die Leute haben meist keine Angst vor uns und die Polizei drückt auch mal eine Auge zu. Es ist ein unausgesprochenes Bündnis - und das werde ich verteidigen mit allem, was ich habe.

Damit ich meinen Plan in die Tat umsetzen kann, dürfen die anderen nicht wissen, dass Julie und ich getrennt sind. Gerade Lenny könnte ansonsten abspringen und alles kaputt machen. Ich lasse es wie ein Streit aussehen, das sind sie von uns gewohnt. Ich hoffe nur, dass sie hier nicht noch einmal auftaucht oder wieder so eine Aktion abzieht, wie damals, als sie bei Emre Drogen kaufen wollte.

Fest entschlossen und mit einem besseren Gefühl durch meine eigene Motivationsrede öffne ich mein Adressbuch im Handy und lösche ihre Nummer. Dabei schwöre ich mir, mich niemals wieder auf so etwas einzulassen.

Etienne - My Brother and BurdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt