Gemeinschaftshaus

1.8K 63 0
                                    

"Geht es dir besser?", frage ich Steph, die gerade aus der Dusche kommt. "Ja, ich denke schon.", antwortet sie und versucht sich an einem krampfhaften Lächeln. Nachdem Etienne verschwunden war, gingen wir hinaus zu den anderen. Milo und Emre hielten jeweils einen Typen fest, die ziemlich mitgenommen aussahen. 

Lenny hielt Steph in seinen Armen, die zitternd schluchzte und sich tausend Mal bei mir entschuldigte. Wir entschieden, sie mit in die Festung zu nehmen, damit sie sich beruhigen kann. Hier angekommen ging alles ziemlich schnell. Die Typen wurden runter in den Keller gebracht, Lenny und Mat verschwanden mit Parker und den anderen im Büro, nachdem er mich darum bat, mit Steph in sein Zimmer zu gehen. 

Es fühlt sich viel zu normal an, hier zu sein. Ab und zu überkommt mich das Unwohlsein, weil mir wieder bewusst wird, wie es war, als ich zuletzt hier war. Ich möchte unbedingt nochmal mit Mat reden, wenn sich alles etwas beruhigt hat. Wann auch immer das sein wird...

"Ich kann nicht glauben, dass dein Bruder..." Sie beendet ihren Satz nicht und verschwindet wieder in ihren eigenen Gedanken. "Geht mir auch so.", seufze ich.

Dann erzähle ich ihr davon, dass er mich noch einmal zu Hause besucht und mir seine Version erzählt hat. Dass ich ihm geglaubt habe, weil ich wollte, dass er unschuldig ist und Mat daraufhin hintergangen habe. 

"Es ist doch ganz normal, dass du das so sehen wolltest. Die ganze Zeit hast du auf Antworten gewartet und dann das... Was ist mit dir und Mat?", fragt sie dann. Ich zucke mit den Schultern. "Ich weiß es nicht. Er hat Lenny geschickt, um mich abzupassen. Lenny hat mir den Schlüssel abgenommen und bevor wir zu dir gefahren sind, haben wir geredet. Mat schien nicht sauer zu sein, was mich extrem verwundert hat. Er ist verletzt, Steph, richtig verletzt." Darüber zu sprechen versetzt mir einen Stich ins Herz. 

"Mat ist aber alles andere als unschuldig. Scheiße, wenn ich überlege, wie das mit euch entstanden ist...", sie zieht energisch die Augenbrauen hoch. "Ich weiß und er weiß das auch.", antworte ich. "Kurz hatte ich Angst, du hättest das Stockholm-Syndrom oder so.", lacht sie. Erst bin ich entsetzt, doch dann nehme ich mir ein Kissen und werfe sie damit ab. "Du bist bescheuert." 

"Lenny hat mir vorhin versucht zu erklären, was genau er damit zu tun hat. Ich kann nicht glauben, dass das alles passiert." Während wir weiter darüber philosophieren, wieso ausgerechnet uns so etwas passiert und wie es wohl weiter geht, schaut Steph sich genauer in dem Zimmer um. 

"Das ist also das Zimmer, in dem du einige nette Nächte verbracht hast.", grinst sie. Ich verdrehe die Augen. "Nett waren sie, aber nicht so nett wie du denkst." Steph verzieht den Mund und boxt leicht gegen den Boxsack. "Ich bin mir sicher, dass hätte Mat gerne geändert." 

"Da könntest du recht haben.", bestätigt plötzlich eine weitere Stimme. Mat steht im Türrahmen und mir entgleitet die komplette Mimik. Steph fängt laut an zu lachen und ich werde knallrot. 

"Wie geht's dir, Steph?", fragt er, nicht ohne einen kurzen Blick auf mich zu werfen. "Gut. Ich kann wieder reden ohne zu heulen." Ihre Panikattacke ist ihr im Nachhinein ziemlich unangenehm. Vor allem, weil niemand ein Taschentuch für sie hatte und sie letztendlich Lennys Pullover benutzt hat. 

"Sehr gut.", antwortet er und schaut dann zu Boden. Er wirkt fast schüchtern. "Was geschieht mit den Typen, die ihr in den Keller geschleppt habt?", fragt Steph und ich zucke zusammen. Mat mustert sie, dann schaut er zu mir. "Wenn ihr etwas essen wollt, könnt ihr gleich runterkommen." Ich nicke.

"Steph, du darfst solche Fragen nicht stellen.", ermahne ich sie. "Ich weiß, es tut mir Leid. Ich muss nur die ganze Zeit daran denken..." 

Etienne - My Brother and BurdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt