Bedrückende Stimmung

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Ich atme tief durch, bevor ich an die Tür klopfe. In meiner Hand drehe ich die Zigarettenschachtel und schaue noch einmal zurück zu Mats Auto. Es ist so dunkel, dass ich nur seine Umrisse auf dem Fahrersitz erkennen kann. 

"Julie.", ruft Steph überrascht und freudig aus. Sie sieht aus wie immer, also kann noch nichts vorgefallen sein. "Hey.", sage ich und wir umarmen uns. "Was machst du hier?", fragt sie und winkt dann ab. "Ist ja auch egal. Du hast keine Ahnung, was das für ein großer Zufall ist. Ich wette, du errätst nicht, wer gerade hier im Wohnzimmer sitzt." Dann packt sie meine Hand und zerrt mich den Flur entlang. 

Etienne sitzt auf dem Sofa, in der Hand ein Glas Wasser. Ich kann seinen Blick nicht deuten, doch überrascht ist er nicht. "Hey Schwesterherz.", sagt er so freundlich wie möglich. Ich erwidere nichts, sondern beobachte, wie er das Glas in seiner Hand dreht. "Steph, kannst du mir auch ein Glas bringen, bitte?", frage ich und sie macht sie sofort auf den Weg in die Küche.

"Was machst du hier?", zische ich. Etienne hebt eine Augenbraue. "Wieso so unfreundlich?" Dann stellt er sein Glas auf dem Tisch ab, hebt seine Hand, als er den Fehler bemerkt und korrigiert sich selbst, in dem er das Glas auf den Untersetzer stellt. Er findet die Situation anscheinend witzig, weshalb ich nur genervt die Augen verdrehen kann.

"Etienne, wenn du mit mir reden willst, dann rede, aber zieh meine Freunde da nicht mit rein.", fauche ich ihn mit funkelnden Augen an. Ich balle meine Hände zu Fäusten, damit er nicht sieht, wie sehr sie eigentlich zittern. 

"Wenn es doch so einfach wäre... Spreche ich denn dann mit dir oder mit deinem Freund?", knurrt er und bricht unseren Blickkontakt ab. "Mit mir natürlich. Ich kann mir gut selbst eine Meinung bilden, aber dafür muss man mir die Wahrheit sagen."

"Wo bleibt Steph?", fragt er misstrauisch. 

"Sie wird nicht wiederkommen, Etienne.", sage ich trocken. Daraufhin springt er auf, läuft zum Fenster, zieht den Vorhang unsanft beiseite und starrt in die Dunkelheit hinaus. Er dreht seinen Kopf wieder zu mir und sein Gesichtsausdruck bereitet mir Angst. 

"Glaubt ihr eigentlich, ich bin blöd?", beginnt er. "Natürlich bin ich nicht alleine hier. Steph wird hier nicht wegkommen." Er zieht den Vorhang wieder zu und will gerade aus dem Wohnzimmer laufen, als Mat im Türrahmen erscheint. 

Ihre Blicken treffen sich und mein Herz setzt einen Satz aus. "Mat, hier muss noch jemand sein.", pruste ich hervor. "Ich weiß.", sagt er bloß und hält den Blickkontakt zu Etienne. "Setz dich hin, wir haben einiges zu besprechen.", knurrt er. 

Etiennes Kiefermuskeln beben und einen Moment scheint er abzuwägen, ob er auf ihn losgehen soll. Dann bewegt er sich ein Stück rückwärts und setzt sich widerwillig neben mich. 

Mat setzt sich gegenüber in den Sessel und knackt mit den Fingern. "Also, worüber willst du sprechen, alter Freund?", spottet Etienne. Mir ist es unangenehm neben ihm zu sitzen. Es ist, als wäre er ein Fremder. Als ich jedoch aufstehen und mich auf die andere Seite setzen will, hält er mich fest. "Du bleibst lieber in meiner Nähe.", dann funkelt er Mat an. 

"Wenn Julie sich woanders hinsetzen will, dann wird sie sich woanders hinsetzen.", herrscht Mat ihn an und baut sich auf. Unwillkürlich muss ich mir vorstellen, wie die beiden aufeinander losgehen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie davor zurückschrecken würden, sich gegenseitig umzubringen.

Langsam erhebe ich mich und nehme auf dem Sessel neben Mat platz. Es fühlt sich an, als würde bei der kleinsten falschen Bewegung eine Bombe explodieren - und das will ich auf keinen Fall.

"Du schuldest deiner Schwester ein paar Antworten. Danach kommen wir zu meinen Fragen."


Etienne - My Brother and BurdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt