Gin

1.9K 67 4
                                    

"Also; Mein Bruder arbeitet für einen Zuhälter, ernährt mit diesem Geld unsere Familie, schwängert eine der Frauen und taucht ab, als du an die Tasche kommst, weil Hitch ihm vermutlich gedroht hat. Du versuchst seit einiger Zeit an Hitch heranzukommen, weil du deine Schwester suchst und dann treffen wir uns.", fasse ich zusammen.

"So siehts aus." stimmt Mat zu.

"Glaubst du, wir können diese Zigarette rauchen, ohne dass Charlotte uns umbringt?", frage ich und zeige auf die Zigarette, die er auf die Kommode gelegt hat. Mat schmunzelt. "Wenn die ganze Sache böse endet, sterben wir vermutlich sowieso. Ich bin gleich wieder da."

Er verlässt den Raum und kommt wenige Minuten später mit einer Flasche Gin zurück. Genau das Richtige nach so einer Hiobsbotschaft. Er füllt zwei Gläser mit Gin, während ich die Zigarette anzünde und das Fenster öffne. Ich ziehe zweimal kräftig und spüle den Geschmack mit purem Gin hinunter. Dann reiche ich sie Mat.

"Ich hätte nicht gedacht, dass wir heute hier sitzen werden und einfach reden... Ich hätte nicht gedacht, dass wir das jemals nochmal machen werden.", gestehe ich. Mat mustert mich, bevor er antwortet. "Ich auch nicht. Ich wollte auch gar nicht herkommen, aber Lenny hat mir ins Gewissen geredet. Der nervt."

"Das ist ein gutes Stichwort. Was ist mit ihm? Wieso ziehst du ihn in das alles mit rein?"

Mat zieht an der Zigarette. "Nunja, Leroy mischt sich gerade in diesen Konflikt ein. Er ist angepisst von uns und sucht Etiennes Nähe. Wenn die sich verbünden..." "Dann brauchst du Lenny, um den Überraschungsmoment auf deiner Seite zu haben?" Er nickt. "Lenny will das alles nicht, er ist ängstlich. Das ist gut, ängstliche Leute hängen an ihrem Leben."

"Leroy hätte ihn sowieso nicht in Ruhe gelassen und wenn er mir hilft, ihn zu schwächen, hat er seine Freiheit wieder." Ich zieihe eine Augenbraue hoch. "Und dann ist alles wieder gut?", frage ich skeptisch. "Wenn er das überlebt.", scherzt Mat und ich strafe ihn mit einem bösen Blick.

"Wir haben uns darauf geeinigt, dass er seine Freiheit wieder bekommt. Du weißt, dass er niemals richtig aussteigen könnte, aber ich würde ihn in Ruhe lassen." Ich starre durch das geöffnete Fenster in die Dunnkelheit. Mittlerweile müsste es Mitternacht sein. "Wir haben uns auch darauf geeinigt, dass du entscheiden kannst, ob du mit ihm befreundet sein willst oder nicht. Das war bevor... all dem.", fügt er an.

All das... Ich presse die Lippen aufeinander und reagiere nicht. "Ich passe auf ihn auf, Julie. Er trainiert regelmäßig und ich werde ihn nicht einfach ins offene Messer laufen lassen." Ich nicke bloß.

Mit meinem Glas in der Hand, dass schon fast wieder leer ist, setze ich mich auf den Boden vor das Gästebett. Mat folgt mir mit seinem Blick. „Was ist?", fragt er. "Bevor all dem.", wiederhole ich seine Worte und er schaut seufzend nach draußen, bevor er das Fenster schließt und sich mir gegenüber setzt.

"Jap, vor all dem..."

"Wie sauer bist du auf mich?", frage ich und mir graut es vor der Antwort. "Nicht so sehr, wie du vermutest. Ich war sehr wütend und verletzt. Ich hatte aber auch viel Zeit um nachzudenken, während du versucht hast, mich auszurauben." Seinen Humor hat er nicht verloren. Und genau das stimmt mich in diesem Moment noch trauriger.

"Julie.", sagt Mat sanft. Er muss meinen schwelgenden Blick gesehen haben. "Ich hab dich in gewisser weise dazu getrieben. Wir haben die ungesündeste Beziehung geführt, die wohl möglich war und das sehe ich nun ganz klar. Wir beide müssen unseren scheiß regeln."

Ich nicke. „Es tut mir Leid, was ich getan habe." Mat will mich unterbrechen, doch ich fahre energisch fort. „Ich hätte das nicht tun sollen, aber ich war so verzweifelt. Etienne hat mir seine Version erzählt und das ergab kurz Sinn für mich... ich hätte dir vertrauen sollen."

„Du hast so gehandelt, wie ich es auch getan hätte. Wir sind uns ähnlich... du wolltest eine Erklärung, die deinen Bruder rein wäscht, doch die kann ich dir leider nicht bieten."

Ich erlaube mir einen kurzen Moment darüber nachzudenken, ob am Ende alles gut wird.

Mat trinkt sein Glas aus und stellt es auf den Boden. „Ich weiß nicht, wo uns das hinführen soll, aber ich weiß, dass ich deine Hilfe gebrauchen könnte und du meine."

„Dann arbeiten wir ab jetzt zusammen? Ich meine, so richtig zusammen?", frage ich. „Ja, aber wir sollten die Grenzen einhalten.", verpasst Mat mir einen Dämpfer.

„Natürlich...", presse ich unter zusammen gekniffenen Lippen hervor. Er schaut mich mit seinen großen Augen an. „Ich kann gerade nicht mehr. Ich sagte, ich habe Verständnis für das, was du getan hast, aber dennoch hat es mir das Herz gebrochen." Seine Worte treffen mich wie ein Projektil, doch ich bemühe mich, gefasst auszusehen.

Natürlich war mir bewusst, dass wir nicht einfach dort weiter machen, wo wir aufgehört haben. Ich konnte mir bisher nur ausmalen, wie es ihm ergeht und das jetzt zu hören, tut richtig weh. Ich habe schlichtweg verdrängt, was für Konsequenzen mein Plan mit sich zieht, weil ich besessen davon war, eine Antwort zu finden. Besessen und komplett verzweifelt... und idiotisch.

Das hier ist schon viel mehr, als ich mir erhoffen konnte. Ich habe endlich die Antwort auf meine Frage und Mat redet noch mit mir...

Etienne - My Brother and BurdenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt