Sie liegt in meinen Armen, in eine dieser typischen Krankenhausdecken eingewickelt. Sie haben sie mir an die Brust gelegt, damit wir uns ansehen können. Ihre kleinen, verquollenen Augen klimpern, ihre kleinen Fingerchen greifen zaghaft in die Luft. Ich muss lächeln.
Ihr kleiner warmer Körper ist an meinen gekuschelt, als sie ihren letzten Atemzug macht. Sie das letzte mal ins Leere greift und sie das letzte Mal ihre Augen aufschlägt.
Ich kann nicht aufhören, sie anzusehen, kann nicht aufhören, sie an mich zu kuscheln und sie anzusehen. Die Krankenschwestern um mich herum geben mir Zeit, räumen auf, beschäftigen sich leise, um mich nicht zu stören. Mich nicht in meinem Abschied zu stören.
Ich dachte, ich hätte ein Leben lang Zeit mit ihr. Ich dachte, ich könnte sie mit nach Hause nehmen, sie in ihr kleines Korbbettchen legen und ihr beim Schlafen zusehen. Sie von meiner Brust trinken lassen, dieses unglaubliche Mutter-Kind-Band knüpfen und ihr dabei zusehen, wie sie größer und älter werden würde. Sie hätte in den Kindergarten gehen können, hätte mit anderen Kindern spielen können. In der Grundschule hätte sie Lesen und Schreiben gelernt und ich hätte mit ihr geübt. Sie hätte den Übertritt geschafft und ich hätte sie dabei unterstützt, welchen Weg sie auch eingeschlagen hätte. Sie hätte ihren Abschluss gemacht, sich im Leben orientiert und einen Berufsweg eingeschlagen, der sie glücklich gemacht hätte. Sie hätte jemanden kennengelernt, ihn oder sie mir vorgestellt und sie hätte sich eine eigene kleine Familie aufbauen können.Aber all das darf sie nicht. Sie darf nicht. Weil sie sich in mir nicht richtig entwickeln konnte. Ihr Herz war zu schwach. Die Ärzte hatten ihre Sorgen geäußert, dass sie die Geburt nicht überleben würde, aber ich wollte nicht einsehen, dass sie sterben könnte. Ich wollte den Glauben an ihr Leben nicht verlieren. Aber jetzt liegt sie hier, leblos in meinem Arm und ich weine. Ich sehe sie an, sehe die Zukunft, die sie gehabt hätte, in ihrem kleinen Gesicht. Es zerfrisst mich. Dieser Schmerz, dass ich ihr nicht das Leben schenken konnte, zerstört mich.
Ich kann sie nicht loslassen. Kann sie nicht gehen lassen. Noch nicht. Ich dachte, ich kann sie nächsten 50 Jahre ansehen. Jetzt bleiben mir nur Stunden, Minuten, Sekunden. Mein Bemühen, mir ihr Gesicht so genau wie möglich einzuprägen, scheitert. Zu viele Tränen sammeln sich in meinen Augen, zerstreuen meinen Geist, lassen ihr Gesicht verschwimmen. Aber ich will diese unglaublich zarten Gesichtszüge, diese sanfte Mimik behalten. Für einen kleinen Moment reiße ich mich los, um eine Krankenschwester anzusprechen.„Können Sie ein Bild von uns machen? Und von ihrem Gesicht?“ „Natürlich.“ Ich blinzle in die Kamera, mein Gesicht aufgequollen und voller Tränen. Ich versuche mich an einem kleinen Lächeln. Sie kommt näher und fotografiert das Gesicht meiner Kleinen. Damit ich sie klar für mich in meinen Erinnerungen behalten kann. Damit ich sie die nächsten 50 Jahre ansehen kann.
„Dankeschön“, wispere ich unter Tränen und widme mich wieder ihrem Gesicht. Ich wiege uns sanft hin und her. Sie sieht so friedlich aus. Ich wollte nächste Woche mit ihr ein Fotoshooting machen. Dieses süße Gesicht mit diesem kleinen Körper in einem niedlichen Jumper festhalten.
Meine Fingerspitze streicht über ihren Kopf, über diese kleinen blonden Haare. Über ihre Augenbrauen, ihre Wange, ihr Kinn. Ich küsse sie auf die Stirn.„Okay“, gebe ich mit gebrochener Stimme Bescheid, „ich bin soweit.“ Die Krankenschwester kommt ruhig auf mich zu, lässt mich noch einmal über ihren Kopf streicheln, bevor sie sie mir aus dem Arm nimmt und mit ihr das Zimmer verlässt.
Ich sehe ihnen hinterher. Als die Tür schließt, bin ich allein. Allein in diesem Zimmer, allein. Kein Baby ist da, das ich mit nach Hause nehmen kann, das das Haus mit Gelächter und Geschrei erfüllt. Es ist, als hätte man mir das Herz herausgerissen. Ich hätte sie allein aufgezogen, ihr gezeigt, dass Frauen auch allein stark genug sind, um ein Kind aufzuziehen und klar zu kommen. Aber jetzt muss ich allein nach Hause gehen, ohne einen Partner und ohne ein Kind, das mir die letzten 9 Monate das Herz erwärmt hat.Ich bekomme keine Luft. Ich setze mich auf, stemme mich mit meinen Armen nach oben. Der Schmerz trifft mich mit einer solchen Gewalt, dass ich fast wieder in die Kissen zurück sinke. Dieses Gefühl, Jemanden verloren zu haben, ist unglaublich. Das Gefühl, Jemanden verloren zu haben, den man gut kannte, bringt einen fast um. Aber das Gefühl, Jemanden zu verlieren, den man liebt und aber nicht einmal kennenlernen durfte … Das bricht mir das Herz.
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Hallo liebe Menschen ❤
Der Inhalt ist viel zu traurig, als es anzusprechen, aber gerade deswegen ist es wichtig, darüber zu reden 💜Inspiriert von Chrissy Teigen, die ihr drittes Baby verloren hat. #StayStrong💫
Und ihr da draußen: be grateful, celebrate life and spread Love🌼🧡
750 words
I do not own the picture💫
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divers
Historia CortaEin Band voller Kurzgeschichten zu den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens der wohl unterschiedlichsten Menschen. Keine Schnulzen, nicht unbedingt happy Ends, meist offene Enden. Wer also nicht immer und immer wieder die gleichen Bücher mit de...