finally

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gewidmet an gellerross

Seit einer Ewigkeit lehne ich an meiner Toilette. Mein Kopf liegt auf der Klobrille, mein Arm hat sich um das kühle Porzellan geschlungen. Die Heizung läuft auf Hochtouren und ich sitze auf einer Fußmatte, und trotzdem ist mir kalt. So kalt, dass ich zittere.
Irgendwann hat sich mein Blick auf Wäschehaufen in dem Korb gelegt und da ist er geblieben. Meine Kerze brennt auf dem Fensterbrett neben der Heizung, wirft einen so angenehmen Schein auf dieses Szenario, das es fast witzig wäre.
Ich hebe den Kopf, stecke mir den kalten Finger in den Mund und würge. Wieder kommt etwas hoch, aber mein Kopf sagt mir, dass es nicht genug ist. Dass noch nicht das ganze Mittagessen wieder raus ist. Dass ich weitermachen muss.
Ich habe keine Kraft mehr. Meine kalte Hand fällt in meinen Schoß zurück. Ich würde euch meine Geschichte so gern auf Englisch erzählen, aber selbst dazu fehlt mir die Energie. Ich kann nicht aufstehen und das Bad verlassen, ich muss hierbleiben und das Essen loswerden, das ich mir mit solch einem Aufwand hineingezwungen habe. Mein Weg ist aussichtlos. Mein Blick fällt auf meine Hand auf meinen Beinen. So dünn, schießt es mir durch den Kopf. So blass. So kalt. Ich beginne wieder zu zittern. Ich kann nicht einmal weinen. Ich bin so müde.
Ich möchte mich umbringen, möchte diese Existenz hinter mir lassen. Selbst, wenn ich nicht wiedergeboren würde, wäre es mir das wert. Ich will so nicht mehr leben. Meine Beine sind so dünn. Meine Füße stecken in drei Paar Socken, und trotzdem sind sie klamm. Ich kann dieses Gefühl nicht mehr abschütteln.
Mein Kopf ist so schwer, liegt auf der Klobrille. Ich rieche den Kotzgeruch. Ich hebe meine Hand, stecke mir den Finger in den Mund würge. Es kommt nur noch Galle. Mein Magen ist leer. Verdammt, du hast es schon verdaut!, schreit mich mein Kopf an. Du wirst zunehmen und fett werden!
Aber nicht mal das Entsetzen kann mich dazu motivieren, mich aufzuraffen, um SitUps zu machen. Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht. Ich kann nicht atmen. Ich friere. Mein Blick liegt wieder auf dem Kleiderberg im Wäschekorb, der vor der Heizung steht. Das Kerzenlicht flackert. Vorhin habe ich meine Sporthose in den Korb geworfen, sie war ganz durchgeschwitzt vom Laufen. Und jetzt, als das Kerzenlicht durch das Bad schimmert, scheint sie ein Gesicht zu formen.
Ein friedliches, freundliches Gesicht. Ein Gesicht, das mir zulächelt. Ich sacke weg, mein Verstand lässt sich auf diese Illusion vor mir ein. Mein Kopf pocht so laut, dass ich es in meinen Ohren hören kann. Meine Hand zittert, reibt über mein dürres Bein, um mich zu wärmen. Und ich starre auf dieses Gesicht, das mir etwas zu sagen versucht.
Je länger ich auf das Hosengesicht starre, desto ruhiger werde ich. Mein Atem verlangsamt, meine Hand hört auf, zu zittern. Mein Kopf stellt sein Pochen ein, hört auf, mich daran zu erinnern, dass ich Sport machen muss, um nicht zuzunehmen. All diese Gedanken, die mich im letzten halben Jahr beherrscht haben, verschwinden. Sie kreisen nicht mehr in meinem Kopf, belagern nicht mehr meine Gedanken, lenken nicht mehr meine Handlung. Und jetzt sehe ich mich selbst, wie ich da auf dem Badezimmerboden sitze, an die Toilette gelehnt, meine mit Kotze verschmierte Hand, meine Haare, die traurig und glanzlos an mir herunterhängen. Wie in einer außerkörperlichen Erfahrung sehe ich mich und finde die Tatsache, dass mich nur ein vermeintliches Gesicht, das durch eine zusammengeknüllte Hose erzeugt wird, mich dazu bringt, innezuhalten und mich in meiner Situation zu betrachten.
Und ich stelle fest, es ist lächerlich. Wie ich kraftlos meine Hand um die Toilette geschlungen habe, wie mein Kopf auf der Klobrille hängt. Aber ich bin so tief in diesen Strudel hineingeraten, in diese Todesspirale, dass ich nicht mehr herausfinde. Jesus, ich will mich sogar umbringen, um dieser Qual ein Ende zu setzen! Ist es das wert? Ich weiß es nicht.
Aber dieses lächelnde, ruhige Gesicht …
Mein Telefon klingelt. Das Handy liegt auf dem Badewannenrand. Meine Hand kämpft sich hoch, angelt danach. Es liegt in meinem Schoß, ich erkenne den Namen, der darauf aufblinkt. Mama. Ich drücke auf den grünen Hörer, nehme den Anruf an. Ich sage nichts, höre nur ihren Atem. „Schatz?“, fragt sie leise. „Mama.“ Tränen brechen hervor, Tränen die ich seit Wochen nicht weinen konnte, weil mir die Kraft dazu fehlt. „Mama.“ „Ja, Liebling?“ „Ich schaff es nicht allein.“ Unter meinem Schluchzen höre ich sie weinen. „Mein Schatz, ich mach mich auf den Weg. Wir finden einen Weg, ich versprech es dir.“ „Danke Mama.“
Die Leitung ist tot. Ich kann sie schon fast vor mir sehen, tränenüberströmt aber dennoch gefasst, wie sie nach ihren Autoschlüsseln langt, sich in ihr kleines, süßes Auto setzt und zu mir fährt.
Es klingelt an der Tür. Mama ist da. Finally.
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801 words

Na, wer findet das Gesicht? 😉

Liiiebe Leute🌼
Hoffe, es geht euch gut.❤
Lasst es euch durch den Kopf gehen. An alle, die gerade dagegen ankämpfen: ihr seid nicht allein!💙
Und an alle, die sich damit noch nie beschäftigen mussten: wisst eure Gesundheit zu schätzen! 💜

Ich bearbeite gerade noch meine FALL IN LOVE Geschichte HOME, die ab dem 1.11.2020 auf _MaryWinters_ Profil veröffentlicht wird.❤

#DoWhatYou♡
#BeAware
#SpreadLove 🌼💜

Man liest sich 😘

diversWo Geschichten leben. Entdecke jetzt